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Strafgerichtshof zu NahostkonfliktGroßer Fortschritt für Palästina

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Wer die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs als einseitig gegen Israel verurteilt, hat sie nicht gelesen oder verbreitet Unwahrheiten.

Israelische Soldaten beschießen die Demonstranten an der Grenze zu Israel mit Tränengas Foto: Reuters

D er Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat nach über sechsjährigen Beratungen endlich entschieden, Verfahren wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den seit 1967 von Israel besetzten palästinensischen Gebieten zu eröffnen. Das ist ein großer Fortschritt. Denn die Menschenrechtsnormen, die nach 1945 vor dem Erfahrungshintergrund von Schoah, Faschismus und Zweitem Weltkrieg vereinbart wurden, gelten universell und ausnahmslos für alle BewohnerInnen dieser Erde.

Dasselbe sollte auch für die Strafbarkeit besonders gravierender Verstöße gegen diese Normen gelten. Die auch von der Bundesregierung vorgetragenen Einwände gegen eine territoriale Zuständigkeit des IStGH für die besetzten Gebiete liefen auf eine fortgesetzte Straflosigkeit für weitere Jahre oder Jahrzehnte hinaus – bis zu einer politischen Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts.

Wer die Entscheidung des IStGH als einseitig gegen Israel gerichtet kritisiert, hat sie entweder nicht gelesen oder verbreitet bewusst die Unwahrheit. Es geht bei den jetzt ermöglichten Ermittlungen des Gerichts ausdrücklich um vergangene, derzeitige und künftige mutmaßliche Verbrechen ausnahmslos sämtlicher an dem Konflikt beteiligter Akteure.

Das gilt völlig unbeschadet der Tatsache, dass die bislang erfolgten Untersuchungen der UNO zu den Gaza-Kriegen der Jahre 2009 und 2014 wie zu den Gaza-Protesten von 2018 eine zum Teil deutlich höhere Zahl mutmaßlicher Verbrechen durch israelische Behörden und Streitkräfte dokumentiert haben als durch die Hamas, die Autonomiebehörde (PA) oder bewaffnete palästinensische Gruppen.

Dass mutmaßliche Verbrechen palästinensischer Akteure in diesen drei Untersuchungsberichten möglicherweise nicht vollständig oder nicht mit den für ein Strafverfahren wünschenswerten Details und Belegen aufgeführt sind, liegt allerdings auch daran, dass die israelische Regierung jegliche Kooperation mit dem IStGH verweigert.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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14 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Wer den den IStGH ablehnt, wie auch u.a. die USA, ist nicht automatisch böse - er ist nur gegen Gleichheit vor dem Gesetz und gegen Menschenrechte für alle.

  • "Um das zu verstehen, schaue man sich nur einmal die Zusammensetzung der UNO an und bedenke: Ein Land, eine Stimme."

    Das ist ja unerhört!! Sollten Weißbrotländer wie die USA oder Israel 0faches Stimmrecht gegenüber den afrikanischen Shitholecountries haben? Plädierst du auch dafür dass de Adel und Unternehmer doppeltes Stimmreacht in Wahlen haben sollten, selbsternannte Sachsenarier 2 mehr als Gemüsetürken?



    Frage nur für einen sarazinischen Freund…

  • Drollig, wie sich die noch verbliebenen Israelfans hier aufregen. Ihr Idol Netanyahu hat ja seinen Buddy Trump schon verloren. Harte Zeiten für Mauerbauer...

    • 1G
      13566 (Profil gelöscht)
      @Linksman:

      Ziemlich dumm: Israelfan = Netanyahu - Fan.



      Schade, wenn Menschen nicht unterscheiden können.



      Linksman, sie haben keine Ahnung von Israel und wie es dort aussieht. Dort gibt es nicht nur "Netanyahus", der übrigens gerade vor Gericht steht.



      Haben sie aus den so friedlichen, demokratisch und freiheitlich regierten Nachbarländern, die ja alle Opfer des israelischen Imperialismus sind, etwas ähnliches gehört?



      6, setzen.

  • "Wer die Entscheidung des IStGH als einseitig gegen Israel gerichtet kritisiert, hat sie entweder nicht gelesen oder verbreitet bewusst die Unwahrheit."

    Leider hebt Andreas Zumach mit seiner nachfolgenden Aussage die vermeintlich nicht "einseitig gegen Israel" gerichtete Entscheidung wieder auf bzw. ER nimmt eindeutig gegen Israel Position

    "Das gilt völlig unbeschadet der Tatsache, dass die bislang erfolgten Untersuchungen der UNO zu den Gaza-Kriegen der Jahre 2009 und 2014 wie zu den Gaza-Protesten von 2018 eine zum Teil deutlich höhere Zahl mutmaßlicher Verbrechen durch israelische Behörden und Streitkräfte dokumentiert haben als durch die Hamas, die Autonomiebehörde (PA) oder bewaffnete palästinensische Gruppen."

    Nichts Neues unter der Sonne: Die israelischen Behörden und Streitkräfte sind weiterhin die Bösen und haben gemäß UNO viel mehr auf dem Kerbholz als die Hamas, die PA oder bewaffnete palästinensische Gruppen. Wenigstens spricht Herr Zumach von "mutmaßlichen" Verbrechen..

    • Andreas Zumach , Autor des Artikels, Autor
      @Jossi Blum:

      Sie können offensichtlich nicht lesen und zitieren zudem selektiv, wie es gerade passt.

    • @Jossi Blum:

      Also wenn man sich die zivilen Opferzahlen anschaut und die gewaltigen Zerstörungen im Gazastreifen, die Landnahme in der Westbank und die Besiedelung, dann bleibt der "bösen" Uno vielleicht kein anderer Schluss. Wann zuletzt hat die PA Land beschlagnahmt, F16 Bomber eingesetzt und Scharfschützen auf Zivilisten eingesetzt?

    • @Jossi Blum:

      Und hier kann man die Realität über das Bemühen der IDF nachhören:



      www.youtube.com/watch?v=RM_cZCP-_Cw



      ....aber lieber Jossi Blum, die Erfahrung lehrt; man wird niemanden überzeugen können, aber man muss dem Ressentiment etwas entgegen stellen. Bleiben Sie tapfer!!

    • @Jossi Blum:

      "Nichts Neues unter der Sonne" sind in erster Linie die notorischen, blind vorhersehbaren Beißreflexe und das Widerkäuen der üblichen Standardpositionen.

      Der er Autor kann mit dem zitierten Satz gar keine Entscheidung des Strafgerichts aufheben, selbst wenn er selbst eine weniger neutrale Sichtweise haben sollte.

      Und wer grundsätzlich und bereits im Vorfeld jegliche Unabhängigkeit von Untersuchungen anzweifelt bzw. sobald bestimmte Ergebnisse eventuell nicht ins schwarz/weiß Bild passen könnten, der sollte besser davon absehen, anderen "eindeutige Positionen" vorzuwerfen.

  • Der israel - palästiner Konflikt ist einer für den westen kompliziertester Konflikt der nun schon jahrzente andauert. Einen Schuldigen zufinden ist unmöglich, denn keiner Seite geht es hier um Machterweiterung.

  • Die Uno verabschiedet jedes Jahr mehr Resolutionen, die sich gegen Israel richten, als solche gegen alle anderen Staaten der Welt zusammen. Demnach wäre Israel der mit Abstand schlimmste Menschen- und Völkerrechtsverletzer der Welt. Eine Feststellung, deren Absurdität sich jedem politisch Interessierten sofort erschliesst, auch ohne die Jahresberichte von Organisationen wie Freedom House oder Amnesty International gelesen zu haben.

    Über 20 Resolutionen gegen Israel. Eine gegen Syriens Assad.

    Um das zu verstehen, schaue man sich nur einmal die Zusammensetzung der UNO an und bedenke: Ein Land, eine Stimme.

    Jetzt also über den Internationalen Strafgerichtshof.

    UNO und Strafgerichtshof gehören mit zu den besten Institutionen, die die Menschheit geschaffen hat. Leider kommen da immer mehr Zweifel auf.

    In allen Israel/Palästina-Konflikten sind auf beiden Seiten zusammen etwa 25.000 Menschen gestorben.

    Durch die Besetzung Tibets durch die Chinesen wurden bisher etwa im gleichen Zeitraum über 1,3 Millionen Menschen Tibeter getötet. Hunderttausende verschwanden in Folterlagern, mussten fliehen, der Rest wird nach und nach rausgemobbt. Das tibetische Volk und seine Kultur werden bald ausgelöscht sein.

    Nur mal so der Verhältnismäßigkeit halber, warum steht China nicht vor dem Strafgerichtshof?

    • @shantivanille:

      PalästinenserInnen die ständig weiter enteignet und verdrängt werden finden sich nicht dadurch getröstet, dass es woanders auch Unrecht gibt. Das bietet kein Dach über dem Kopf und keine Zukunft und bringt ihre entwurzelten Ernten nicht wieder!

  • Danke. Bin gespannt - hier - dort & anderwo •

    • @Lowandorder:

      Anschließe mich.