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Straffreie rechtsextreme PolizeichatsBestürzendes Signal

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Das Landgericht Frankfurt am Main eröffnet keinen Prozess gegen rechtsextreme Polizisten. Umso härter müssen die disziplinarrechtlichen Folgen sein.

Das 1. Polizeirevier in der Frankfurter Innenstadt Foto: Ralph Peters/imago

U mso größer der Jude, desto wärmer die Bude“, hieß es in den Chats. Zu einem Bild des ertrunkenen syrischen Geflüchtetenkinds Alan Kurdi stand: „Wer es findet, darf’s behalten.“ Dazu kamen Hitlerbilder und Hakenkreuze, Herablassungen über Schwarze, Migranten oder Behinderte. Abgründe. Und sie stammen von 5 Po­li­zis­t:in­nen aus dem Frankfurter 1. Polizeirevier, geteilt in ihrer Chatgruppe „Itiotentreff“.

Aufgeflogen waren die Chats bei den Ermittlungen zur „NSU 2.0“-Serie. Auch hier sah die Polizei schlecht aus. Nun aber entschied das Landgericht Frankfurt/Main: Ein Prozess zu den „Itiotentreff“-Chats wird nicht eröffnet. Da diese nur in einer geschlossenen, kleinen Chatgruppe erfolgten, sei es keine Volksverhetzung, die eine größere Öffentlichkeit brauche. Zudem könnten einige Beiträge von der Meinungsfreiheit gedeckt sein oder als Satire von der Kunstfreiheit.

Kommen die rechtsextremen Po­li­zis­t:in­nen straffrei davon? Es wäre ein bestürzendes Signal – nach außen, aber auch in die Polizei hinein. Ja, das Problem ist nicht neu. Immer wieder ringen Gerichte damit, ab wann in Chatgruppen eine Volksverhetzung gilt. Hier braucht es endlich eine rechtliche Klärung. Und im Fall „Itiotentreff“ sah zumindest die Staatsanwaltschaft die Sache ganz anders, legte eine Anklage vor und nun prompt Beschwerde ein. Dass das Frankfurter Gericht darüber nicht mal verhandeln will, ist mindestens mutlos.

Gegen die Polizeibeamten muss nun umso mehr mit voller Konsequenz disziplinarrechtlich vorgegangen werden. Die Vorstellung, dass diese nach solchen Chats wieder Dienst auf der Wache schieben, ist unerträglich. Wer solches Gedankengut in sich trägt, hat im Staatsdienst nichts verloren.

Noch entscheidender ist, dass sich – endlich – die Polizeikultur wandelt. Über vier Jahre liefen die „Itiotentreff“-Chats. Kaum vorstellbar, dass die Beamten ihre Gesinnung nicht auch im Dienst erkennen ließen – eingeschritten war niemand. Auch andernorts flogen zuletzt immer wieder solche Chats auf – zufällig, nicht weil Kol­le­g:in­nen es meldeten. Solange diese Kultur des Wegschauens fortbesteht, bleibt auch ein Polizeiproblem.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Ressort Reportage und Recherche. Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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9 Kommentare

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  • Herein spaziert ins polizeiliche Problembundesland Hessen. Mit freundlicher Unterstützung des amtierenden hessischen Innenminister Peter Beuth!

  • Sorry Herr Konrad Litschko! Dess.

    “Umso härter müssen die disziplinarrechtlichen Folgen sein.“



    Ist noch nichemal Wunschkonzert! Gelle.



    Nö. Das ist ahnungslos naiv.



    Das muß ich Ihnen mit über zehn Jahren Dienstrecht Erfahrungen auf den Buckel.



    Und für die Polizei insbesondere. Nicht mal einen Edeka-Vermerk - Ende der Karriere - wird es geben! Die innerdienstlichen Systeme & der gewerkschaftlich doppelt abgesicherte Korpsgeist sichern das fugenbreit ab!



    Ich habe hierzu in der Vergangenheit einschlägige Beispiele am Meter angeführt!

    kurz - Solange unsere Politikaster - wie Oil of Olaf I. - 🙈🙉🙊 - praktisch alles abdecken & wie zB ein straffälliger Reul leugnen - selbst bei gerichtlichen Feststellungen - wird sich “der Fisch stinkt vom Kopf nichts - aber auch gar nichts ändern!



    Disziplinarverfahren? Da lachen die doch über •

  • Wenn es sich um keine strafbare Handlung handelt, dann ist eine disziplinarrechtliche Maßnahme nahezu aussichtslos.

    • @DiMa:

      Korrekt. Wie ich unlängst zum bassen Erstaunen auch meines RA-Freundes erleben durfte, heißt es auf der Dissi-Ebene kackfrech: Jetzt könne post StA wg Zeitablauf nichts mehr aufgeklärt werden! Da legst di nieder!



      Pflichtwidrig nicht parallel aufgeklärt & schon sind alle Eulen verflogen •



      Und das ist eben kein Einzelfall! Woll.



      Normal

    • @DiMa:

      Nö, gerade dafür gibt es das Disziplinarrecht ja - um Beamte für Dinge bestrafen zu können, die den Normalbürger nicht jucken müssen. In wieweit die, mit Sicherheit ausgesprochenen, Strafen dann vor Gericht bestand haben werden wird man sehen

      • @Samvim:

        Schickens mir solchenfalls ne Karte!



        Damit ich das rot im Kalender anstreichen kann! Woll.



        Dank im Voraus - wa.



        (& selbst wenn - über die sog Paketlösungen (geschnürt von Personalrat/PolGew 1&2) entgeht auch der derbste Dissi-Jäger beie Bullerei nicht seiner Beförderung •

        kurz - “Grau mein Freund - ist alle Theorie!“ Normal

        • @Lowandorder:

          Mh, zu Beförderungen kann ich nichts sagen, wird wohl auch je nach Bundesland anders gehandhabt werden. Aber bei Disziplinarverfahren sind heutzutage so ziemlich alle ganz vorne mit dabei - und werden mittlerweile von den Gerichten ausgebremst. Niemand zittert so sehr vor schlechter Presse wie eine Behördenleitung...

          • @Samvim:

            Könnte schreiben “Erzähl!“ - ungläubig den Kopf schüttelnd. Woll.



            Aber vllt bin ich ja zu lange raus.



            Glauben in echt - kann ich’s echt nicht!



            Den äußeren Schein wahren - ist was anderes als disziplinarrechtlich durchgreifen & Edeka-Vermerke verfügen &! auch umsetzen! Wollnich.

  • Gruß an die Staatsanwaltschaft, wie man in den Wald hineinruft, schallt es heraus.



    Ob das nicht ein schlechtes Spiel zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht ist, um die Täter an einer Verhandlung herumzuführen.



    Wetten, dass aus der Beschwerde der Staatsanwaltschaft nichts wird!