Rechte Chatgruppen in der Polizei Berlin: Die Spitze der Eierköppe

Aus einem Verdächtigen werden 62: Ermittlungen wegen rechter Chatgruppen in der Polizei weiten sich aus. Nun sind erneut 2 Gruppen bekannt geworden.

Polizisten bei einem Polizeieinsatz in Kreuzberg

62 Po­li­zis­t*in­nen in Berlin drohen strafrechtliche und disziplinarische Maßnahmen wegen rechter Chatgruppen Foto: Christophe Gateau/dpa

BERLIN taz | Es gibt deutlich mehr rechte „Eierköppe“ in der Berliner Polizei als bisher bekannt: Die Polizei hat eigenen Angaben zufolge die Ermittlungen um rassistische Chatgruppen ausgeweitet. Ging es zunächst gegen vier Polizisten in einer Gruppe namens „Eierköppe“, ermittelt die Polizei nun gegen 62 Beamt*innen, die rechtsextreme Inhalte, Bilder und Witze teilten. Er­mitt­le­r*in­nen stießen demnach „bei der Auswertung beschlagnahmter Beweismittel auf zwei weitere polizeiinterne Gruppenchats, in welche potenziell strafbare und disziplinarwürdige Inhalte eingestellt worden sind“, wie es in einer Mitteilung der Polizei von Freitag heißt. Laut Bericht des Tagesspiegels sollen die Beamten dort rechte Propaganda und rassistische Sprüche geteilt haben.

Die internen Ermittlungen werden von der „EG Zentral“ des LKA Berlin geführt, einer fünfköpfige Gruppe, die wegen des strukturellen Rechtsextremismusproblems in der Polizei geschaffen wurde. Weiter hieß es: „Nach erster rechtlicher Würdigung sind die Inhalte nicht strafrechtlich, aber disziplinar- und dienstrechtlich relevant.“ Die Rollen der beteiligten Dienstkräfte seien dabei unterschiedlich und reichten „von aktivem Tun bis zum Dulden entsprechender Inhalte“. Maßnahmen würden derzeit für alle Beteiligten dieser Chatgruppen geprüft, einige seien bereits vollzogen worden. So soll es bereits Versetzungen gegeben haben.

Die Polizeipräsidentin Barbara Slowik ließ sich zitieren mit den Worten: „Die Achtung der Menschenwürde sowie die Verfassungstreue sind Grundfeste unseres Berufs.“ Dienstliches und außerdienstliches Verhalten von Po­li­zis­t*in­nen dürfe keinen Zweifel daran aufkommen lassen. Mit der „EG Zentral“ gehe man daher nicht nur politisch motiviertem strafbaren Handeln nach, sondern prüfe auch Sachverhalte unterhalb der Strafbarkeitsschwelle, so Slowik.

Den Anfang nahmen die Ermittlungen innerhalb der Polizei bei Detlef M., einem Polizisten und AfD-Mitglied aus Neukölln. Er ist einer der „Eierköppe“-Gruppe, in der neben vier Po­li­zis­t*in­nen auch acht weitere Personen waren. Zuvor hatte M. sich 2016 mehrfach auch mit dem Neuköllner Neonazi Tilo P. ausgetauscht, der damals ebenfalls AfD-Mitglied war und in den Neukölln-Komplex verstrickt ist. Nach einer Durchsuchung bei P. waren die Sicherheitsbehörden auch M. auf die Schliche gekommen. Polizist M. hatte in einem AfD-Telegram-Chat geheime und sensible Polizeiinformationen nach dem islamistischen Terroranschlag am Breitscheidplatz geteilt. Die Ermittlungen deswegen wurden im Juni 2020 bekannt. Ein Verfahren wegen eines Strafbefehls, gegen den Detlef M. Widerspruch eingelegt hatte, stand zuletzt noch aus.

„Nicht nur Einzelfälle“

Der Verdacht gegen Detlef M. führte zu Durchsuchungen in seiner Wohnung und Beschlagnahmung von Geräten. Die Folge davon waren drei weitere beschuldigte Polizisten. Nachdem auch deren Adressen wegen Volksverhetzung und Verwendens von verfassungsfeindlichen Symbolen durchsucht wurden, gibt es nun die 62 Verdächtigen. Ob es bei diesen Po­li­zis­t*in­nen wiederum zu Durchsuchungen und Sicherung von Beweismaterial kam, ließ die Polizei auf taz-Anfrage bisher unbeantwortet.

Niklas Schrader, Innenpolitiker der Linken, sagte der taz: „Wenn die Zahl im Zuge der Ermittlungen wie bei einem Schneeballsystem von 4 auf 62 anwächst, ist das ein alarmierendes Zeichen.“ Das müsste insbesondere die Innensenatorin Iris Spranger (SPD) anerkennen, fordert Schrader: „Ich erinnere daran, wie die Innensenatorin einen Ausraster bekommen hat, als wir im Innenausschuss das Problem angesprochen haben. Sie muss anerkennen, dass es nicht nur Einzelfälle sind.“

Schrader forderte eine zügige Aufklärung, auch weil der Innenausschuss zuvor kaum Informationen über die Fälle hatte. Schrader will nun wissen, aus welchen Einheiten die Beschuldigten sind, inwieweit bereits Sanktionen verhängt wurden und ob der Vorgang wiederum weitere Ermittlungen nach sich ziehe. Ebenso müsse über Konsequenzen nachgedacht werden: „Allein durch Versetzungen bekommt man die Situation nicht in den Griff“, sagt Schrader. Auch frage er sich, ob es erneut, wie bei Detlef M., Bezüge zum Neukölln-Komplex gibt.

Auch der grüne Innenpolitiker Vasili Franco kritisierte: „Dass nicht einmal Innenausschussmitglieder informiert wurden, ist kein guter Stil.“ Franco will bei der nächsten innenpolitischen Koalitionsrunde am Donnerstag nachhaken und das Thema auf die Agenda des Innenausschusses setzen. Beamte in Uniform trügen eine besondere Verantwortung, die auch für interne Kommunikation gelte. „Solche Vorfälle beschädigen das Vertrauen in die gesamte Polizei, umso wichtiger ist es, hier eine klare Grenze zu ziehen.“

Mit den neuen, zumindest nach Polizeiangaben rein internen Gruppenchats sind mittlerweile fünf rechte Chatgruppen in der Berliner Polizei bekannt. Im Februar 2020 war bekannt geworden, dass sich 25 Po­li­zis­t*in­nen über Jahre rassistische und rechtsextreme Nachrichten geschickt hatten. Im Oktober desselben Jahres kam heraus, dass 26 Polizei-Schüler*innen Hakenkreuze und Tierpornos ausgetauscht hatten. Dann gibt es noch die „Eierköppe“-Gruppe von M. sowie die zwei nun bekannt gewordenen Gruppen. Hinzu kommt wenigstens ein Polizist, der 2019 aus Hessen nach Berlin wechselte und in einer externen rechten Chat-Gruppe aktiv war.

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