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Stimmen zur Revolution in IranSolidarität und Sorge

Von tiefer Bewunderung bis zur Sorge über wachsende Islamfeindlichkeit. Was Frauen aus dem Netzwerk der Panter Stiftung über Iran denken.

Solidaritätsdemonstration mit iranischen Frauen: vor der iranischen Botschaft in Istanbul Foto: Dilara Senkaya/reuters

Die Proteste in Iran bestärken Dissidenten weltweit. Ich lebe in einem Land, das vom politischen Islam geprägt ist und in den letzten Jahren immer konservativer wurde. Der Kampf der iranischen Frauen gibt uns – den Frauen in der Türkei – Hoffnung für unseren Widerstand. Eine positive Zukunft für Frauen ist nichts anderes als eine positive Zukunft für die gesamte Menschheit.

Elif Akgül, Türkei

Die Proteste sind nicht nur wichtig für Iran, sondern auch für Russland. Sie inspirieren mich als Frau und auch als Journalistin. Für Frauen sollte dasselbe gelten wie für alle Menschen: freie Mei­nungs­äußerung, Bewe­gungsfreiheit und die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie man leben möchte.

Olga Lizunkova, Russland

Ich bin untröstlich über den Tod von Mahsa Amini. Ich bin wütend, dass wir 2022 immer noch in Systemen leben, die darauf ausgelegt sind, Frauen zu kontrollieren. Ich bin frustriert, dass wir nicht zum ersten Mal für das Recht kämpfen müssen, über uns zu bestimmen – und es wird nicht das letzte Mal sein. Ich lebe in einem Land, in dem wir ebenfalls eine Sittenpolizei haben. Ich erinnere mich deutlich an einen Vorfall: Sie verprügelten ein junges Mädchen, weil es in der Öffentlichkeit eine Hose trug. Ich erinnere mich an die Angst, die ich danach empfand, und die ich bis heute habe, wenn ich staatliche Einrichtungen ohne Kopftuch betrete. Vor Kurzem gab es im Sudan eine Revolution, die das islamistische Regime stürzen sollte. Trotzdem versuchen die Gesellschaft und religiöse Per­sönlichkeiten immer noch, Frauen zu kontrollieren. Es ist an der Zeit, dass Männer sich aus Führungspositionen zurückziehen – das ist nur fair, nachdem sie jahrhundertelang das Sagen hatten.

Lujain Alsedeg, Sudan

Die Proteste in Belarus hatten ein weibliches Gesicht. Nachdem unsere Ehemänner inhaftiert, oder gezwungen worden waren, das Land zu verlassen, taten wir Frauen uns zusammen – Hunderttausende gingen in Minsk auf die Straßen. Ich glaube: Nur Liebe kann Angst, Hass und Demütigung überwinden. Den tapferen Frauen in Iran möchte ich meine Unterstützung ausdrücken: Wir sind mit Euch. Und es wird Euch gelingen, Würde und eine bessere Zukunft zu erkämpfen.

Anonym, Belarus

Ich empfinde tiefe Bewunderung und Respekt für den außergewöhnlichen Mut der iranischen Frauen. Ich denke jeden Tag an sie. Die Schul­mädchen, die ihren Hidschab abnehmen, lassen mich hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.

Anna-Klara Molin, Schweden

Ich bin gerührt vom Mut der iranischen Frauen. Gleichzeitig mache ich mir Sorgen, dass der Diskurs über die iranische Protestbewegung die islamfeindliche Stimmung weltweit noch verstärken könnte. Ich lebe in Malaysia, einem mehrheitlich muslimischen Land, und kann nachempfinden, wie frustriert Frauen über die strengen Bekleidungsgesetze sind. Wenn wir die patriarchalischen Bekleidungsgesetze bekämpfen wollen, müssen wir aber auch das westliche, progressive Narrativ zur Gleichstellung der Geschlechter stärker reflektieren.

Iran-Beilage

Dieser Text wurde finanziert von der taz Panter Stiftung als Teil einer Beilage zur Frauenrevolution in Iran.

Wong Kai Hui, Malaysia

Was die Frauen in Iran tun, ist nicht nur die Zerstörung der alten Welt, sondern auch die Schaffung der Pfeiler einer neuen.

Widad Nabi, Deutschland/Syrien

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3 Kommentare

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  • Wenn Gleichstellung der Geschlechter als "westliches, progressives Narrativ" bezeichnet wird, dann ist das keine Sorge vor Islamfeindlichkeit, sondern Islamismus.

    • @BUBU:

      Sie merken, dass Sie hier sinnentstellend zitieren? Denn in dem Text wird eben nicht Gleichstellung als westliches Narrativ bezeichnet, sondern nahegelgt, einen bestimmten, westlichen Entwurf einer gleichberechtigten Gesellschaft zu überdenken (nicht: "ablehnen"). Das sind zwei grundsätzlich verschiedene Aussagen.

      • @O.F.:

        Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und das "reflektieren" eher positiv konnotiert lesen. Nach dem Motto, nicht nur die Bekleidung sondern bitte schön volle Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern (aber das ist zugegeben eher Auslegungssache).