Stillstehendes Hamburger Prestigeprojekt: „Abriss wäre eine Option“
Auf der Baustelle des Elbtowers an den Hamburger Elbbrücken tut sich schon lang nichts mehr. Jetzt hat die SPD den Abriss ins Gespräch gebracht.
Das Projekt Elbtower war 2018 vom damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) auf seiner letzten Pressekonferenz vorgestellt worden, bevor er sich nach Berlin aufmachte, um Bundesfinanzminister zu werden. Geplant war das dritthöchste Hochhaus der Republik, um in der norddeutschen Tiefebene weithin sichtbar zu signalisieren: Hier ist Hamburg.
Dank der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken blühte die Immobilienwirtschaft. Die Corona-Pandemie mit der folgenden Homeoffice-Welle war nicht absehbar. Ein Wolkenkratzer mit Büros, einem Hotel, Gastronomie und vielen anderen öffentlichen Nutzungen mit direktem Schnell- und Autobahnanschluss erschien machbar.
Nun platzte aber der Immobilienboom. Und damit flog auch das verschachtelte Imperium des Investors René Benko auseinander. Ende Oktober stellte das beauftragte Bauunternehmen die Arbeit ein, weil Benkos Signa-Gruppe dessen Rechnungen nicht mehr bezahlte. Die für den Elbtower verantwortliche Tochtergesellschaft meldete Ende Januar Insolvenz an.
Das Ganze ist unschön für den rot-grünen Hamburger Senat, hatte der sich doch sehr bemüht, eine Bauruine oder ein zweites Millionengrab wie die Elbphilharmonie zu vermeiden. „Die Fertigstellung des Elbtowers ist in erster Linie ein privatwirtschaftliches Vorhaben, und das wird es auch bleiben“, versicherte SPD-Fraktionschef Kienscherf am Dienstag.
Er gehe davon aus, dass sich ein Investor finde, der den Turm weiterbauen und bis 2029 fertigstellen werde. „Falls dies nicht gelingen sollte, wäre ein Abriss des Rohbaus eine mögliche Option“, teilte Kienscherf mit. Er rechne aber nicht damit, dass das notwendig sein werde. Die Stadt werde den Wolkenkratzer jedenfalls nicht in Eigenregie fertig bauen und auch keine Steuergelder dafür aufwenden.
So ein Versprechen sei ja schön und gut, sagt Heike Sudmann, Bürgerschaftsabgeordnete der Linken. „Aber vielleicht hat ihm ja niemand gesagt, dass die Stadt die Abrisskosten selbst bezahlen muss.“
Die Verträge der Stadt mit Signa sehen vor, dass die Stadt das Grundstück zum Einstandspreis zurückkaufen darf, wenn das Bauwerk nicht bis Januar 2029 fertiggestellt ist; was bis dahin gebaut sein würde käme kostenlos obendrauf. Dieses Wiederkaufsrecht hat der Senat vor einer Woche beim Insolvenzverwalter angemeldet. Jetzt hat er neun Monate Zeit, es auch zu ziehen.
Auf Nachfrage Sudmanns erläuterte der Senat, dass er nach einem Wiederverkauf frei über die Immobilie verfügen könne. Sollte er sie binnen zehn Jahren verkaufen, ginge ein Pauschalbetrag an Signa – abzüglich etwaiger Abrisskosten. Gelänge der Verkauf nicht, blieben etwaige Abrisskosten bei der Stadt hängen.
Sollte dieser aus Sicht des Senats „theoretische Fall“ eintreten, könnte es teuer werden. Das Hamburger Abendblatt spekulierte unter Berufung auf ungenannte Experten mit 40 Millionen Euro. Ralf Pietsch, Geschäftsführer des Abbruch-Verbandes Nord will sich lediglich auf einen zweistelligen Millionenbetrag festlegen. Zu ungewiss sei, was in einem solchen Projekt verbaut worden sei.
Gigantische Mengen Beton
Pietsch geht davon aus, dass der Rohbau von oben her Etage für Etage abgebaut werden müsste. „Die gesetzlichen Regeln verlangen, dass alle beim Rückbau anfallenden Stoffe getrennt werden“, sagt er. Dazu gehörten Gefahrstoffe, die entsorgt werden müssten aber auch Stoffe wie Stahl und Beton, die recycelt werden könnten und Erlöse brächten.
Pietsch weist darauf hin, dass es am nachhaltigsten wäre den Rohbau stehen zu lassen, denn beim Bauen sei viel Treibhausgas freigesetzt worden. Insbesondere müsse die Gründung des Hochhauses im weichen Marschboden gigantische Mengen an Beton verschlungen haben. „Abreißen wäre der größte Schwachsinn“, fasst es Volker Benkendorf von der Firma Eggers zusammen, die das markante Hochhaus der Hermes-Kreditversicherung in Hamburg abgetragen hat.
Der Insolvenzverwalter Torsten Martini sucht inzwischen seit zwei Monaten nach Käufern. Wie der NDR aus dem Haushaltsausschuss berichtete, soll es mehrere Interessenten geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen