Stichwahl um US-Senatssitz in Georgia: Georgia bringt Biden Senatsmehrheit
Raphael Warnock gewinnt die Stichwahl in Georgia. Damit haben die Demokraten bei den Halbzeitwahlen 2022 einen Senatssitz hinzugewonnen.
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„Danke Georgia. Wir haben es wieder geschafft“, tweetete Warnock wenige Minuten nachdem mehrere TV-Sender – darunter auch der rechte Sender Fox – am späten Dienstagabend seinen Wahlsieg veröffentlichten. Der 53-jährige Pastor war vor zwei Jahren erstmals in Georgia in den US-Senat gewählt worden, genau wie sein demokratischer Senatskollege Jon Ossof. Beide, ein afroamerikanischer und ein jüdischer Politiker, sind untypisch für den Bundesstaat, der seit Jahrzehnten fest in republikanischer Hand war. Die Wiederwahl von Warnock – nunmehr für eine volle Amtszeit von sechs Jahren – gibt Demokraten die Hoffnung, dass Georgia langfristig ein Swingstaat wird.
Warnock gehört zum liberalen Flügel der Demokraten. Im Senat hat er sich bislang unter anderem für die Senkung von Medikamentenkosten – und damit eine stärkere Kontrolle der Pharmaindustrie –, für Bürgerrechte für Minderheiten, für das Recht auf Abtreibung, für mehr Schusswaffenkontrolle und gegen die Todesstrafe ausgesprochen.
Mit Warnocks Wiederwahl verliert zugleich ein Rechtsaußen der Demokratischen Partei ein Stück seines unverhältnismäßigen Einflusses im Senat: Senator Joe Manchin aus West Virginia, ein Günstling der Gas-, Öl- und Kohlelobbies, hat in den letzten Jahren zahlreiche soziale, steuerliche und klimapolitische Reformen verhindert. Da die Demokraten bislang nur mit Vizepräsidentin Kamala Harris zu den nötigen 51 Stimmen für eine Mehrheit kamen, waren sie auf Manchins Zustimmung angewiesen. Künftig hat die Partei auch ohne Vizepräsidentin Harris 51 Senatoren – ihnen stehen 49 Republikaner gegenüber.
Trumps Kandidaten: Rechts, unerfahren, ahnungslos
Walker räumte am späten Dienstagabend seine Wahlniederlage ein. Der 61-jährige ehemalige NFL-Footballstar war ein miserabler Kandidat. Er log, stapelte hoch und hatte kaum politische Ahnung. Seine Kampagne war von immer neuen Skandalen überschattet. Noch zwei Tage vor den Wahlen gab eine langjährige Ex-Partnerin von ihm ein Interview, in dem sie über Faustschläge und einen Griff an ihre Kehle berichtete. Vor ihr hatten andere Ex-Partnerinnen ebenfalls über Gewalttätigkeiten berichtet, seiner Ex-Gattin soll er einmal eine Schusswaffe an die Schläfe gehalten haben. Im Wahlkampf kam auch heraus, dass Walker, der sich als Familienmann und Abtreibungsgegner darstellte, mehrere seiner Kinder jahrelang nicht einmal in seinem Lebenslauf erwähnt hat und dass er mindestens zwei Frauen zu Abtreibungen gedrängt hat.
Die Stärke der Republikaner in Georgia sorgte dafür, dass Walker trotz allem am Dienstag 49,4 Prozent der Stimmen bekam. Doch erste Wahlauswertungen zeigen, dass Walker offenbar selbst für manche langjährigen republikanischen Wähler inakzeptabel war. So stimmten in den wohlhabenden Vorstädten von Atlanta, wo gewöhnlich Republikaner gewinnen, viele für Warnock.
Die Republikaner machen Ex-Präsident Trump dafür verantwortlich, dass sie ihre erhoffte und möglich erscheinende Mehrheit im Senat verfehlt haben. Trump hat quer durch die USA radikal rechte und politisch unerfahrene Kandidaten für den US-Senat durchgesetzt. Dazu gehörten neben Walker in Georgia, auch Mehmet Oz in Pennsylvania, Blake Masters in Arizona und Don Bolduc in New Hampshire. Sie traten in Bundesstaaten an, die für die Republikaner gewinnbar erschienen. Und sie verloren.
Nach dem schlechten Abschneiden seiner Kandidaten bei den Midterms und in den Wochen vor der Stichwahl vom Dienstag hielt sich Trump aus dem Wahlkampf seines Protegés in Georgia heraus. Bislang ist offen, ob der Kandidat selbst oder die Parteiführung den Ex-Präsidenten ferngehalten haben.
Am Dienstag hatte Trump andere Sorgen als Georgia. In New York erklärten die Geschworenen in einem Betrugs- und Steuerhinterziehungsprozess die „Trump Organization“ in allen 17 Anklagepunkten für schuldig. Trump schwieg zu Georgia. Und wütete lautstark über das Urteil in New York, das er eine „politische Hexenjagd in Manhattan“ nennt.
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