Steuern und Reichtum: Offene Rechnungen
SPD-Kanzlerkandidat und Finanzminister Olaf Scholz will Besserverdiener stärker belasten, ohne allerdings konkret zu werden.
Inwieweit damit aber tatsächlich konkrete Steuererhöhungen für Reiche gemeint sind, wie Agenturen meldeten, geht aus dem Interview nicht klar hervor. Scholz sagte, er wisse sich „mit der überwiegenden Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger einig, dass wir unser Steuersystem gerechter gestalten müssen. Dazu gehört, dass die, die sehr viel verdienen, einen etwas größeren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen, damit die unteren und mittleren Einkommen etwas entlastet werden können.“
Seit Januar dieses Jahres wird der Solidaritätsbeitrag zur Einkommenssteuer für rund 90 Prozent der Steuerzahlenden nicht mehr erhoben. Nur die 10 Prozent der Besserverdienenden müssen den Solidaritätszuschlag noch anteilig oder ganz entrichten. Der Soli werde nur noch von 1,35 Millionen Bürgern gezahlt, so Scholz. Auf die daraus entstehenden Einnahmen von gut 11 Milliarden Euro pro Jahr könne er nicht verzichten.
Die Ankündigung von Scholz, Besserverdienende und Vermögende womöglich stärker zu belasten, fällt in den beginnenden Wahlkampf, in dem Steuerkonzepte der Parteien noch nicht ausführlich debattiert wurden. Derzeit gilt in Deutschland bei der Einkommensteuer ein Spitzensteuersatz von 42 Prozent ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von rund 58.000 Euro (Alleinstehende).
Rekordschulden dank Corona
Die sogenannte Reichensteuer mit einem erhöhten Steuersatz von 45 Prozent wird 2021 ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 274.000 Euro fällig. Seit 1. Januar wird erst ab etwa 63.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen auf die Einkommensteuerschuld noch der Solidaritätszuschlag erhoben. Er muss aber erst ab 97.000 Euro Jahreseinkommen in voller Höhe von 5,5 Prozent der Steuerlast gezahlt werden.
Die Bundesregierung habe entschieden, „sich mit aller Kraft gegen die Pandemie und ihre Folgen zu stemmen“, sagte Scholz. Weder bei den Zukunftsinvestitionen noch beim Sozialstaat dürfe man jetzt „knausern“.
Für dieses Jahr hat der Bundestag wegen der Coronapandemie eine Nettoneuverschuldung von bis zu 180 Milliarden Euro erlaubt. Fast 2 von 5 Euro, die der Bund ausgibt, werden damit kreditfinanziert. Allein das wäre schon ein neuer Rekord nach der Neuverschuldung des Bunds von 130 Milliarden Euro im Jahr 2020. Ein Nachtragshaushalt für 2021 gilt als wahrscheinlich. Politiker fordern auch für die kommenden Jahre ein Aussetzen der Schuldenbremse.
(mit afp und reuters)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?