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Steuerausfälle infolge von CoronaNicht neu, aber trotzdem gut

Ingo Arzt
Kommentar von Ingo Arzt

Die Pläne von Finanzminister Scholz zur Entlastung der Kommunen würden bundesweit die Lebensverhältnisse angleichen. Das Geld käme uns allen zugute.

Bundesfinanzminister Scholz will den Kommunen unter die Arme greifen Foto: Pool/reuters

B undesfinanzminister Olaf Scholz tut, was man in Coronazeiten tut: Forderungen von vor der Krise auspacken und hoffen, dass es klappt, da der Bund von der schwarzen Null befreit ist. Scholz will, dass Bund und Länder klammen Kommunen Altschulden abnehmen und dafür 57 Milliarden Euro mobilisieren. Doch im Gegensatz zu vielen anderen politischen Träumen gilt für diese Idee: Sie war vor der Krise richtig und sie ist es noch immer.

Eine Entschuldung von Kommunen plus ein Ausgleich für die Steuerausfälle in der Krise ist eben kein Geschenk an die eigene Klientel, wie eine Abwrackprämie oder die komplette Abschaffung des Soli. Wir leben schließlich alle in Kommunen. Und leiden unter zu wenig Geld für Kitas, schlechten Verwaltungen und miesem ÖPNV.

Scholz fordert eine finanzpolitische Maßnahme für einen grundgesetzlichen Auftrag, nämlich der Angleichung der Lebensverhältnisse: Sein Paket käme vor allem Kommunen in NRW oder den neuen Bundesländern zugute, die ohne eigenes Verschulden unter dem Zusammenbruch der Kohleindustrie oder anderen Strukturproblemen zu leiden haben, weil die Gewerbesteuereinnahmen wegbrachen.

Es würde also bei denen landen, die sich ökonomisch, sozial oder politisch abgehängt fühlen oder es sind. Teile von Union und FDP meckern, wenn Kommunen für ihre Schulden nicht selbst aufkämen, würde das die Haushaltsdisziplin untergraben – und offenbaren ein erbärmlich arrogantes Verständnis von Kommunalpolitik: Als würden die Bürgermeister*innen notorisch Geld verschwenden und hätten nichts anders im Sinn, als das nächste Spaßbad zu eröffnen.

Sicherlich werfen die Hilfe für die Kommunen Verteilungsfragen auf. Aber das stört im Zweifel nicht: Bayern ärgert sich am lautesten gegen Scholz’ Vorschlag („Zwangsverpflichtung der Länder“, „Unverschämtheit“), weil die Kommunen dort wenig profitieren würden. Und fordert gleichzeitig Kaufprämien für Autos. Was vor allem die heimische Gewerbesteuer stützt.

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7 Kommentare

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  • Jaja, die Bayern. Als sie in den Topf greifen durften (ausnahmslos seit Bestehen der Bundesrepublik bis 1987! [1]) haben sie nicht gemeckert. Aber Jammern gehört bekanntlich zum Geschäft.

    [1] de.wikipedia.org/w...eich#Finanzvolumen

  • Tja - da fällt Herrn Scholz seine Ablehnung der Bodenwertsteuer auf die Füße: Die Kommunen investieren, die Bodenwerte steigen, die privaten Eigentümer sind die Nutznießer. bodenwertsteuer.org/2020/04/

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Leute, was habt Ihr mit 'Oil of Olaf' gemacht? Hat der die Partei gewechselt, ist der jetzt bei den Sozen?

    Den großen Aufschrei auf Seiten der Unionisten verstehe ich jetzt besser. Angleichung der Lebensverhältnisse, Angleich, Ausgleich, Gerechtigkeit. Wo kämen wir denn da hin? Zur sozialistischen Gleichmacherei?

    Für was haben 'wir' denn die DDR anekdiert - und verdorrende Landschaften produziert?

    "Nee, nee, nee" (De Maulwurf'n).

  • Ich erlaube mir mal als langjähriger Kommunalpolitiker ein paar Anmerkungen.



    Es gibt ja zwei Gründe, warum Kommunen Schulden haben:



    1. Die berüchtigten "Spaßbäder" oder andere unsinnige Ausgaben.



    2. Zu geringe Einnahme für die Erledigung der gesetzlichen Aufgaben.

    Der Vorschlag von Scholz belohnt die ersteren, löst aber kein einziges Problem der zweiten. Haupteinnahmequelle der Kommunen ist ihr Anteil am allgemeinen Steueraufkommen sowie sonstige Zuweisungen des jeweiligen Landes.



    Dies Zuweisungen erfolgen in allen Bundesländern nach Kassenlage und Gutdünken. Insoweit sind die Einwände aus Bayern nachvollziehbar. Bayrische Kommunen haben im Durchschnitt die geringsten Schulden, weil sie schon in der Vergangenheit mehr Geld vom Land abbekommen haben und gleichzeitig das Land Ausgaben übernimmt, die anderswo die Kommunen tragen müssen. Bayern würde also bestraft für das positive Verhalten der Vergangenheit.



    Nach Scholz Plänen soll auch der Gewerbesteuerausfall ersetzt werden. Das hört sich schön an, nutzt aber nur den Kommunen, die überhaupt Gewerbesteuer einnehmen.



    Kommunen in strukturschwachen haben diese Einnahmen oft nicht, aber aufgrund ihrer großen Fläche mit vielen kleinen Ortsteilen sehr hohe Infrastrukturkosten.



    Über die Probleme bei der Grundsteuer könnte man ganze Bücher füllen.



    Es müßte sich bei den Kommunalfinanzen etwas grundsätzlich ändern, um die Probleme der Kommunen dauerhaft zu lösen.



    Bei

    • @Don Geraldo:

      Ich gebe Ihnen in Ihrer Analyse recht, würde aber noch hinzufügen, dass die Spaßbadfraktion bei der Verringerung der Verschuldung schnell wieder zum Spaßbadbau neigt. Personelle Kontinuitäten und so.

    • @Don Geraldo:

      "Bayrische Kommunen haben im Durchschnitt die geringsten Schulden, weil sie schon in der Vergangenheit mehr Geld vom Land abbekommen haben und gleichzeitig das Land Ausgaben übernimmt, die anderswo die Kommunen tragen müssen. Bayern würde also bestraft für das positive Verhalten der Vergangenheit."



      Wieso bestraft?



      Ich sehe das eher als eine Anpassung von gelungenem Haushalten am Beispiel Bayern, das zumindest einmalig durch Scholzens Vorhaben erfolgen soll.



      nach dem Motto, der Bund übernimmt (zumindest einmalig) Ausgaben die bisher die Kommunen tragen mußten.



      Bayern wird damit nicht bestraft für das verhalten in der Vergangenheit, sondern dient als Vorreiter "Pilot" wie es besser gehen kann.



      Bestraft wird Bayern nur damit, dass es nicht noch zusätzlich Geld bekommt. Daher jammert auch der bayerische Finanzminister so laut auf. In Bayern ist das Neidverhalten eben besonders ausgeprägt.

      • @Sonnenhaus:

        Vergessen sie doch Ihre Aversion gegen Bayern.



        Bayern bekommt weniger Geld, weil die bayrischen Kommunen weniger verschuldet sind.



        Damit werden die Bundesländer belohnt, die in der Vergangenheit ihre eigenen Kommunen knapp gehalten und damit erst in die Überschuldung getrieben haben.