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Steinmeier zu Besuch in SachsenAuf Wellnessreise ins Pegida-Land

Erstmals reist Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident nach Sachsen. Der Empfang dort ist überraschend freundlich.

Gemeinsam mit Noch-Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU, l) wagte Frank-Walter Steinmeier einen Blick in Sachsens Unterwelt Foto: dpa

Dresden taz | Kein Verlass mehr auf die Motzkis in Sachsen! Der zweitägige Antrittsbesuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Pegida-Land geriet zu einer Wohlfühltour für Volk und Staatsoberhaupt. Der Widerstand besorgter Bürger gegen die „Volksverräter“ beschränkte sich auf zwei AfD-Fahnen in der mittelsächsischen Kleinstadt Penig nördlich von Chemnitz.

„Wir wollten nur mal Präsenz zeigen und dass wir einen Bundestags-Direktkandidaten durchgebracht haben“, entschuldigt sich einer der Fahnenträger auf dem Peniger Markt beinahe. Nach Diskussionen mit Journalisten rollen die fünf AfD-Anhänger auch ein Plakat wieder ein, auf dem eine absurde Rechnung über die täglichen Kosten des Präsidialamtes aufgemacht wird. Bei Steinmeiers kleinem Stadtrundgang sind sie schon gar nicht mehr zu sehen.

Dabei hatte sich der Bundespräsident ausdrücklich in die „Provinz“, in benachteiligte Regionen begeben, wo man auch mit Unmutsbekundungen hätte rechnen können. Ländliche Räume dominieren sein Länderbesuchsprogramm, das in der nächsten Woche in Nordrhein-Westfalen fortgesetzt wird. Doch abfällige Äußerungen über ihre Heimat hört man nur von halbwüchsigen Jungs. „Endlich mal was los in Penig“, murmelt ein Steinmeier-Fan, der auf Selfies lauert. Penig sei „ein Loch“, sagt ein anderer.

Aber das Stadt-Land-Gefälle wird dem Bundespräsidenten nicht angelastet. Bürger fühlen sich durch die Auswahl seiner Besuchsroute eher geschmeichelt. Eine ältere Dame kriegt sich nach einem Händedruck gar nicht wieder ein, eine junge Frau bittet erfolgreich um ein Autogramm auf der DVD eines „Stromberg“-Films, in dem Steinmeier einen Gastauftritt hatte. „Unter denen, die jetzt am Ruder sind, ist er noch der Sympathischste“, bekundet eine Bürgerin. Viele wissen, dass er 2010 seiner mitreisenden Ehefrau Elke Büdenbender eine Niere gespendet hat, und rechnen ihm das hoch an. Als Zielscheibe für den Ausbruch des Volksfrusts taugt der Bundespräsident nicht, stellt sich in den sächsischen AfD-Hochburgen mit über 30 Prozent der Wählerstimmen heraus.

Höhepunkt Fichtelberg

Um Renitenz und Pegida, um Übergriffe auf Flüchtlinge und andere traurige Berühmtheiten Sachsens ging es zunächst gar nicht auf der Bundespräsidententour. Auf dem verschneiten Höhepunkt Sachsens, dem 1.214 Meter hohen Fichtelberg, spielten beim Treffen mit den zehn Landräten des Freistaats (alle CDU) eben die sich entleerende Fläche und demografische Probleme eine Rolle. „Es fehlt uns eine Generation Menschen“, sagt Rolf Keil, Landrat des Vogtlandkreises. Gemeint sind die insgesamt etwa eineinhalb Millionen ehemaligen DDR-Bürger, die bald nach der Wende in den goldenen Westen gingen und hier für den Auf- und Umbau der Gesellschaft fehlten.

Steinmeier und seine Frau hören sich die Probleme an, die ihnen nicht neu sind. Am Abend dann sagt der Präsident bei einem Treffen mit Ehrenamtlichen in Großenhain, der Staat könne weder junge Mediziner zwingen, Landarzt zu werden, noch Sparkasse, Bahn und Post verpflichten, „unwirtschaftliche Dienstleistungen aufrechtzuerhalten“.

Eine Frau bittet um ein Autogramm auf ihrer Stromberg-DVD

In Bad Lausick wird immerhin deutlich, welche ortsbindende Funktion Kultur haben kann. Nahe der einstigen Braunkohlewüste hat hier die Sächsische Bläserphilharmonie ihren Sitz, das einzige reine Profi-Blas­orchester der Bundesrepublik. Der Besuch hier ist ein Happening, bei dem die Großkopfeten selber im Orchester mitmischen dürfen. Der Soloflötistin bleibt es vorbehalten, in die swingenden Harmonien auch schräge Töne einzubauen. Sie verweist auf den „nervenden“ Dauerkampf um die Kulturfinanzierung, auf die „mangelnde Wertschätzung“ durch die Politik. Dabei erwähnt sie noch nicht einmal, dass das Orchester etwa 30 Prozent unter Tarif entlohnt wird.

Verunglücktes Sprachbild

Auch beim nächsten Termin, am Dienstag vor der Dresdner Dreikönigskirche, muss man das einzige bekannte Pegida-Gesicht vor dem Haus erst suchen. Die Wutbürger, wenn man so will, finden sich vielmehr im riesigen Kreuzigungsgemälde von Werner Juza an der Front des Saals. Hier verunglückt ungewollt ein Sprachbild von Ministerpräsident Stanislaw Tillich, als er den alle verbindenden gekreuzigten Christus in der Mitte mit dem Grundgesetz vergleicht.

In diesem Saal, wo 1990 der Sächsische Landtag erstmals provisorisch wieder tagte, gibt es zur Diskussion der Landeszentrale für politische Bildung zwar nur handverlesene Gäste. Es kommt aber doch Spannung auf, weil nun zwar die Wutbürger selbst nicht persönlich zu Wort kommen, aber über sie und die mangelhafte Demokratieentwicklung und damit auch über die Schule in Sachsen gesprochen wird.

Frank-Walter Steinmeier will das Sachsen-Bashing zwar vermeiden, übt aber doch verhaltene Kritik am Bundesland, wo die überall zu Gesprächsunfähigkeit und gesellschaftlicher Spaltung führenden Faktoren besonders ausgeprägt seien. Dieses „diffuse Unbehagen“ kommt auch in den Publikumsanfragen zum Vorschein, allerdings meist von der richtigen Seite. Es geht um die Unterstützung von Demokratie-Initiativen, die Dominanz von MINT-Fächern gegenüber Demokratie-Erziehung an den Schulen und um politische Bildung, die sogar wieder Freude an Beteiligung wecken könne.

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7 Kommentare

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  • "Reporter ohne Bezahlgrenzen.

     

    Unabhängigen Journalismus zu unterstützen war nie leichter. Und nie wichtiger."

    Quelle: TAZ online

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    Zustimmung, allerdings keine Zustimmung für Ihre einseitige Berichterstattung insbes. in Flüchtlingsdingen und Partei Die Linke !

    Denn wenn eine Zeitung wie Sie sich das "glaubwürdig und unabhängig" als ihr Aushängeschild a.d. Fahne schreibt, dann bitte auch einen kritischen und nicht nur "Linien treuen Journalismus i.S. einer linken Partei.

    Alles andere ist "kalter und ungenießbarer Kaffee".

  • Die "Dominanz von MINT-Fächern" ist ein Kritikpunkt...wieder was gelernt.

  • Seltsam finde ich es jetzt schon, dass nach AfDlern und PEGIDA Ausschau gehalten wird wie nach einer vom aussterben bedrohten Art.

     

    Wenn sie nicht mehr da sind, ist doch super, aber sie jetzt auch noch erwähnen, wenn sie nicht mehr da sind, wo sie erwartet werden, hm...

    • @Hanne:

      Genau! Auch wenn ich als Sachse es einen Zahn schärfer formuliert hätte.

      Darüber hinaus fällt mir auf, dass manche TAZ-Autoren sich in Lieblings-Themen verbeißen, wie ein Hund am Arm eines Bösewichts. Und erstaunt sind, wenn bloß noch der Ärmel zwischen den Zähnen ist …

  • "Der Empfang dort ist überraschend freundlich."

     

    Steinmeier weiß halt, wie man sich eigene Blase schafft... https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2017/september/neue-veranstaltungsreihe-forum-bellevue-zur-zukunft-der-demokratie/

  • Super, wenn die Verantwortlichen endlich beginnen einzusehen, dass die Schulbildung in Sachsen sträflich demokratische Bildung und Selbstbildung vernachlässigt hat, indem sie den Fokus auf die Pisa Siege gelegt hat. Die Anzahl der Unterrichtsstunden in entsprechenden Fächern zu erhöhen, dürfte wahrscheinlich nicht von heute auf morgen gehen aber doch schneller als eine Änderung der allgemeinen Kultur in den Schulen Sachsen, wo SchülerInnen eng am Gängelband der Lehrerenden und die Lehrenden eng am Gängelband der Sächsischen Bidungsagentur geführt werden. Diese grundsätzliche Kulturänderung braucht es, um gesellschaftliche Änderungen zu schaffen.Denn es besteht eine unterträgliche weit verbreitete, zumeist unhinterfragte und ganz entsetzliche Grundstimmung im Bildungssystem dieses Bundeslandes und es braucht mehr als nur zwei Stunden Sozialkunde mehr, um SchülerInnen während ihrer Schullaufbahn Selbstwirksamkeit erfahren zu lassen, um dann als Erwachsene selbstbewusst und konstruktiv gesellschaftliche Beteiligung anzugehen und nicht nur passiv darauf zu warten, dass die Autoritäten es endlich richtig machen. Wie diese Kultur entstehen soll unter den jetzigen Verantwortlichen in der Landesregierung, im sächsischen Kultusministerium und in den Regionalstellen der Sächsischen Bildungsagentur, in der Leitung der meisten Schulen und der Lehrer - es scheint mir noch ein sehr weiter Weg.

  • Ich mag diesen BP absolut nicht, u.a. weil er der Ausarbeiter der H4 Gesetze

    gewesen ist und den Sozialabbau mit Schröder nicht nur vorangetrieben hat,

    er war auch dafür verantwortlich.

    Zum anderen mischt sich dieser Typ leider ins politische Tagesgeschehen ein und

    das geht gar nicht.

    Seine beiden wichtigsten Organaufgaben sind:

    1. zu repräsentieren

    2. Gesetze auszufertigen oder auch nicht

     

    Na ja, mit seinen Pensionen aus Politikertätigkeiten, dem jetzigen Sold

    und die überhöhten Pensionsansprüche mit vielen weiteren Vergünstigungen

    und bei einem ableben, das die Ehefrau noch Gelder von uns Steuerzahler erhalten wird, kann man schließlich gut auskommen.

     

    Ich hätte mir eine Frau als BP gewünscht, die nicht aus der Politik kommt.

    Vielleicht wird das nach Ende seiner Amtszeit endlich was.