Angriff auf Flüchtlinge in Wurzen: „Wir können hier nicht bleiben“
Im sächsischen Wurzen greifen Jugendliche ein von Migranten bewohntes Haus an. Die wehren sich – am Ende sind fünf Personen verletzt.
Am nächsten Tag bleiben Scherben. Im Hinterhof, in der Wohnung im dritten Stock. Zwei junge Bewohnerinnen stehen unter Schock, zittern, als sie vom Vorabend erzählen. Panische Angst hätten sie gehabt. Auch Abdel (Name geändert) berichtet davon, er hat blutige Schrammen am Handgelenk: „Wir können hier nicht bleiben. Wir wollen nach Leipzig.“
Was genau am Freitag in Wurzen passierte, ist noch unklar. Die Polizei berichtet von einem Streit zwischen Jugendlichen und Migranten, zuerst am Park am Bahnhof, „wohl noch rein verbal“. Die „Ausländer“ hätten sich darauf in ihr Wohnhaus zurückgezogen. Zwei Deutsche hätten dort die Haustür beschädigt. Darauf seien ihnen einige Migranten gefolgt und wiederum auf die große Gruppe getroffen. Die habe sie zurück zur Unterkunft gejagt, worauf zwölf Bewohner mit Messern und Knüppeln die Verfolger angriffen – die dann das Haus stürmten. Das Resultat: ein 16- und 21-jähriger Deutscher mit Messerstichen am Oberschenkel, drei verletzte Flüchtlinge.
Das Gebrüll auf der Straße habe sie aus dem Schlaf gerissen, erzählt eine Bewohnerin. 30 dunkel gekleidete Personen habe sie vor dem Haus gesehen, einer habe einen Steinbrocken gegen die Eingangstür geworfen. Vier Gestalten mit Sturmhauben seien ins Treppenhaus gerannt. Wieder klirrte es, die Scheibe der Wohnungstür im dritten Stock.
Es ist die Wohnung von Abdel. Die Männer seien in den Flur gestürmt, berichtet er. Zwei hätten die Bewohner in Schach gehalten, zwei seien ins Schlafzimmer, wo er sich befand. Ihm wurde in den Bauch getreten. Als er zu Boden ging, folgte ein Tritt aufs Handgelenk. Ein Mann habe mit einer Holzstange auf seinen Oberarm geschlagen. Als draußen Sirenen ertönten, seien die Angreifer geflüchtet. Auch Geflüchtete in den oberen Stockwerken seien verprügelt worden, sagt Abdel.
Was zuvor geschah, dazu kann der Flüchtling nichts sagen. Er sei nicht dabei gewesen. Ein Betreuer bringt Abdel und seine drei Mitbewohner am Samstag an einen sicheren Ort. Ein Polizeisprecher sagt, der Auslöser der Gewaltkette werde ermittelt.
Leser*innenkommentare
Maike123
In solchen Situationen hilft es nur, Ruhe zu bewahren und sich von diesen Idioten nicht provozieren zu lassen. Dann wird denen schnell langweilig.
Wer Provokationen von Nazis ignoriert, gefährliche Orte wie die Innenstadt, Bahnhöfe und Clubs meidet, nächtliche Spaziergänge unterlässt und seine Männlichkeit nicht raus hängen lässt, wird nicht so leicht zum Opfer. Zuhause ist man vor denen sicher.
conny loggo
Das ist die taz-Geschichte. Wie die Auseinandersetzung ablief werden die Beteiligten der anderen Seite anders sehen.
Earendil
@conny loggo Mag sein. Aber was immer davor und danach noch war: Wer gewaltsam in ein fremdes Haus eindringt, um dort Menschen zu verprügeln, handelt wohl kaum nur in Verteidigungsabsicht.
Age Krüger
Es sollte zumindest geklärt werden, wieso keine der Seiten polizeiliche Hilfe angefordert hat.
Natürlich können die das, sofern sie das wollen, unter sich regeln. Das hört sich aber nicht so an, als ob das intendiert gewesen wäre.
Und wenn die Polizei ins Spiel kommt, kommt natürlich die Frage auf, wo die war, wenn sie denn gerufen wurde.
amigo
Die "Arbeit" von AfD/NPD, Pegida&Co trägt gesichert Früchte: HASS GEWALT TOD und TERROR. Und niemanden interessiert's....
Günter Witte
@amigo Einer alleine kann nicht streiten, da gehören immer zwei dazu.
Volker Birk
Zwei reichen auch noch nicht. Wenn feige Neonazis andere Leute angreifen, und in deren Wohnung einbrechen, dann sind sie in einer Gruppe unterwegs, in der sie sich stark fühlen.
Sonst traut sich doch keiner.