Steinmeier in Israel: Zu Besuch bei einem Angeklagten
Der Handschlag des Bundespräsidenten mit Netanjahu stieß auf breite Kritik. Steinmeier hätte lieber Menschenrechtler*innen treffen sollen.

A nlässlich des 60-jährigen Jubiläums der deutsch-israelischen Beziehungen reiste Bundespräsident Steinmeier zu einem Staatsbesuch nach Israel. Am Dienstagabend traf er mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu zu einem Gespräch zusammen und nahm anschließend an einem Abendessen in der Residenz von Staatspräsident Herzog teil.
Die deutsch-israelischen Beziehungen feierlich zu begehen, während in nur etwa 70 Kilometer Luftlinie von Tel Aviv entfernt die ethnische Säuberung an der palästinensischen Bevölkerung fortgesetzt wird, ist beschämend. In diesem Kontext zeigt ein Staatsbesuch, die höchste Form diplomatischer Ehre, die völlige Gleichgültigkeit gegenüber der Tötung der Palästinenser:innen, der völkerrechtswidrigen israelischen Gewalt im Gazastreifen sowie im Westjordanland und Deutschlands eigener Verpflichtung unter der Genozid-Konvention.
Gegen Netanjahu liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Ein feierliches Treffen mit ihm, der maßgeblich für die Völkerrechtsbrüche verantwortlich ist, trägt zur Normalisierung dieser bei und signalisiert, dass Deutschland das Völkerrecht nur selektiv verteidigt und Verstöße nur benennt, wenn es opportun erscheint.

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Dabei gäbe es Alternativen. In einem offenen Brief fordern unter anderem die Allianz für Kritische und Solidarische Wissenschaft (KriSol), Israelis für Frieden und der Verein palästinensischer und jüdischer Akademiker*innen (PJA) den Bundespräsidenten auf, seine Reise abzusagen und die Jahresfeier stattdessen mit Friedensaktivist*innen, kritischen Wissenschaftler*innen, Menschenrechtler*innen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in Israel zunehmend unter erheblichen Druck geraten, zu begehen.
Diesen Stimmen den Rücken zu stärken, würde in der jetzigen Situation unterstreichen, wer Deutschlands „Wertepartner“ in Israel ist – und wer nicht: diese Regierung.
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