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Steinmeier in IsraelZu Besuch bei einem Angeklagten

Der Handschlag des Bundespräsidenten mit Netanjahu stieß auf breite Kritik. Steinmeier hätte lieber Men­schen­recht­le­r*in­nen treffen sollen.

Frank-Walter Steinmeier im Gespräch mit dem israelischen Regierungschef Netanjahu am Dienstagabend in Jerusalem Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

A nlässlich des 60-jährigen Jubiläums der deutsch-israelischen Beziehungen reiste Bundespräsident Steinmeier zu einem Staatsbesuch nach Israel. Am Dienstagabend traf er mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu zu einem Gespräch zusammen und nahm anschließend an einem Abendessen in der Residenz von Staatspräsident Herzog teil.

Die deutsch-israelischen Beziehungen feierlich zu begehen, während in nur etwa 70 Kilometer Luftlinie von Tel Aviv entfernt die ethnische Säuberung an der palästinensischen Bevölkerung fortgesetzt wird, ist beschämend. In diesem Kontext zeigt ein Staatsbesuch, die höchste Form diplomatischer Ehre, die völlige Gleichgültigkeit gegenüber der Tötung der Palästinenser:innen, der völkerrechtswidrigen israelischen Gewalt im Gazastreifen sowie im Westjordanland und Deutschlands eigener Verpflichtung unter der Genozid-Konvention.

Gegen Netanjahu liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Ein feierliches Treffen mit ihm, der maßgeblich für die Völkerrechtsbrüche verantwortlich ist, trägt zur Normalisierung dieser bei und signalisiert, dass Deutschland das Völkerrecht nur selektiv verteidigt und Verstöße nur benennt, wenn es opportun erscheint.

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Dabei gäbe es Alternativen. In einem offenen Brief fordern unter anderem die Allianz für Kritische und Solidarische Wissenschaft (KriSol), Israelis für Frieden und der Verein palästinensischer und jüdischer Aka­de­mi­ke­r*in­nen (PJA) den Bundespräsidenten auf, seine Reise abzusagen und die Jahresfeier stattdessen mit Friedensaktivist*innen, kritischen Wissenschaftler*innen, Men­schen­recht­le­r*in­nen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in Israel zunehmend unter erheblichen Druck geraten, zu begehen.

Diesen Stimmen den Rücken zu stärken, würde in der jetzigen Situation unterstreichen, wer Deutschlands „Wertepartner“ in Israel ist – und wer nicht: diese Regierung.

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8 Kommentare

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  • Danke! Die TAZ scheint das einzige Medium in Deutschland zu sein, das sich auch mal kritisch aber dabei sachlich mit Israel befasst. Die genannte "selektive" Verteidigung des Rechts durch deutsche Politiker ist für mich unerträglich.

  • Immerhin, israelische Soldaten haben das getan, was Steinmeier nicht getan hat, sie haben vor den Folgen ihrer Kriegsverbrechen gewarnt.

  • Die Hand musste sich der Kirchentagsrhetoriker danach sehr lange waschen und desinfizieren, vermutlich.

    Es ist dabei schon Steinmeiers Aufgabe, auch mal kriegslüsternen Autokraten die Hand zu geben - doch es mit einem Treffen mit übergreifenden Friedensgruppen dort zu koppeln wäre doch wirklich drin gewesen!

  • So sieht eben die heuchlerische Doppelmoral der in Deutschland politisch Verantwortlichen aus.

  • Wer auf Unmenschlichkeit mit Unmenschlichkeit reagiert, verlässt die Gemeinschaft zivilisierter Völker.



    Offensichtlich hat die Botschaft Margot Friedländer bei hohen Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland nicht gefruchtet.



    Öffentlich in höchsten Tönen ehren, aber ihre Botschaft wird nicht verstanden.

  • Während Präsident Steinmeier im Namen Deutschlands den wegen Kriegsverbrechen gesuchten Netanjahu trifft, tötet Israel durch Bombardierungen allein an diesem Morgen 30 Kinder und 20 Erwachsene.



    www.theguardian.co...-of-edan-alexander

  • Das zusammengesetzte Substantiv „Wertepartner“, scheint mir, verweist auf ein Grundsatzproblem der Politik.

    Menschen vertreten sehr unterschiedliche Werte. Im Verhältnis zwischen ihnen stellt sich also immer die Frage, auf welche dieser vielen verschiedenen Werte sich potentielle Partner einigen können - und auf welche nicht. Keine Einigung bedeutet: Keine Partnerschaft. Ausnahmen bestätigen diese Regel.

    Die Herren Steinmeier und Netanyahu haben offenbar keine Wahl. Sie sind zur Partnerschaft quasi verdammt. Deutschland aus historischen Gründen, Israel aus eher persönlichen. Bleibt die Frage nach den Werten. Und die ist in echten Demokratien durchaus heikel.

    Hier nämlich wird Macht alle paar Jahre neu verliehen. Und zwar auf Grundlage von Erwartungen. Auch Wähler sind potentielle Partner, jedenfalls alle vier Jahre. In der Zwischenzeit orientieren sie sich in Wertefragen an dem, was ihre potentiellen Partner so tun oder lassen.

    Sind die Einigung, die Politiker so erzielen zwischen den Wahlen, mehrheitsfähig, werden sie mehrheitlich gewählt. Wenn nicht, dann nicht. Das wissen auch Steinmeier und Netanyahu. Die Verfasser dieses Gastkommentars hoffen wohl noch. Warum auch immer.🤷

  • Sicherlich ist Kritik an dem Treffen verständlich, aber man kann sich den Gesprächspartner auf der anderen Seite nicht aussuchen. Es ist ja ein ziemlich neues Phänomen was sich in unserer Außenpolitik verbreitet, nämlich das man fordert mit unangenehmen Gesprächspartner sich nicht mehr zu treffen, da man man sie nicht aufwerten sollte oder mit ihnen angeblich sowieso nicht verhandeln kann.



    Diese Art von ignoranter Außenpolitik führt jedoch fast immer zum Gegenteil der gewünschten Ergebnisse (siehe zb die großen aktuellen Konflikte bzw kriege der heutigen Zeit).