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Steigende WassertemperaturenOst- und Nordsee werden immer wärmer

Die Wassertemperaturen sind für hiesige Fische immer häufiger zu hoch. Unterdessen verlässt der Rückversicherer Munich Re wichtige Klimabündnisse.

Fischerboot in der Nordsee: Für viele heimische Fische wird es zu warm, deshalb wird der Fang immer kleiner Foto: André Claußen/dpa

Berlin taz | Neuer Temperaturrekord in der Nord- und deutschen Ostsee: Nie war das Wasser im Frühjahr so warm wie in diesem Jahr. Nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) lagen die Temperaturen von März bis Mai in der Nordsee 2 Grad über dem langjährigen Mittel, in der Ostsee um bis zu 1 Grad.

Zudem wurde in der Ostsee bei Kiel die längste je in der Ostsee beobachtete marine Hitzewelle registriert. „Sie hielt 55 Tage an“, erklärt Claudia Hinrichs, Klimawissenschaftlerin beim BSH. „Die Temperaturen lagen durchschnittlich 2,6 Grad über dem Mittelwert von 1991 bis 2020 – mit einem Höchstwert von 4,3 Grad über dem Durchschnitt.“

Längst haben die gestiegenen Temperaturen die Meere radikal verändert: In der Nordsee werden jetzt Sardellen und Tintenfische gefangen, die ursprünglich im Mittelmeer zu Hause waren. Nordseetypische, also kälteliebende Arten werden immer seltener. Wurden vor 20 Jahren noch um die 8.000 Tonnen Kabeljau jährlich in deutschen Hoheitsgewässern gefischt, waren es 2023 gerade noch 630 Tonnen. Für seine Fortpflanzung braucht der Dorsch, wie er als Jungtier genannt wird, eine Wassertemperatur von um die 3 Grad. Die findet er hier immer seltener. Noch dramatischer ist die Entwicklung beim Hering, einst der Hauptfisch der deutschen Fangflotte: Vor 20 Jahren gingen den Fischern noch gut 35.000 Tonnen in die Netze, 2023 waren es gerade mal 320 Tonnen.

Unterdessen ist der Versicherungskonzern Munich Re aus mehreren globalen Klimabündnissen ausgetreten. Das wichtigste Bündnis ist sicherlich die „Institutional Investors Group on Climate Change“. Mehr als 500 Finanzriesen sind an Bord, ihr Vermögen beläuft sich auf 65 Billionen US-Dollar. Die Münchner Rückversicherung verlässt auch die „Net Zero Asset Owner Alliance“, deren 86 institutionelle Anleger ein Vermögen von 9,5 Billionen US-Dollar verwalten.

Mehr Hurrikane als üblich erwartet

Als Grund gibt der weltgrößte Rückversicherer „zunehmende Unklarheiten“ in Bezug auf regulatorische Vorgaben in verschiedenen Ländern an, die zu „Rechtsunsicherheit“ führen. „Wir sammeln seit 50 Jahren Klimadaten, die in unsere Modellierung eingehen“, so eine Sprecherin auf taz-Anfrage. Ob der Austritt mit den politischen Entwicklungen in den USA zusammenhängt, wollte sie nicht kommentieren.

Die Munich Re erwartet für die Hurrikansaison 2025 mehr Stürme als üblich. Ein Grund dafür sind die aktuell warmen Meere: Hurrikane entstehen, wenn die Oberflächentemperatur mindestens 26 Grad Celsius beträgt. Und wenn es jetzt schon neue Temperaturrekorde in den Ozeanen gibt, steigt dafür die Wahrscheinlichkeit.

Mit Kosten von 205 Milliarden US-Dollar war der Hurrikan Katrina 2005 der zerstörerischste bislang. Versichert war davon allerdings nicht einmal die Hälfte.

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1 Kommentar

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  • Ich nehme an, dass es auch an gnadenloser Überfischung liegt, dass bestimmte Fischbestände in Nord- und Ostsee schwinden.



    Wir sollten in diesem Zusammenhang daran denken, dass in der Körpermasse von Fischen unglaublich viel Kohlenstoff gespeichert wird. Fische dienen also im Prinzip als Kohlenstoffspeicher bzw. CO2-Senke. Schon aus diesem Grund wirkt Überfischung wie eine riesige CO2-Schleuder. Anders ausgedrückt: Esst weniger Fisch, Leute!