Stationierung von Mittelstreckenraketen: Versuch einer Erklärung
Olaf Scholz nimmt symbolisch ein Luftverteidigungssystem in Betrieb und verteidigt dabei die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen.
Am Mittwoch besuchten Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) den Bundeswehrstandort Todendorf in Schleswig-Holstein und nahmen dort das neue Luftabwehrsystem Iris-T SLM symbolisch in Betrieb. Es dient dem Schutz von bewohnten Gebieten, Gebäuden und Anlagen, indem es Drohnen, Flugzeuge, Hubschrauber oder Marschflugkörper in einer Entfernung von bis zu 40 Kilometern und einer Höhe von bis zu 20 Kilometern bekämpft. Ein reines Abwehrsystem also, und zudem Teil eines europäischen Schutzschirms. Ein System wurde am Mittwoch übergeben, sechs weitere sind bestellt. Kosten pro Stück: 140 Millionen Euro.
Die aber gut investiert sind, wenn man dem Kanzler glaubt. Scholz warnte eindringlich vor der russischen Bedrohung. Seit vielen Jahren rüste Russland massiv auf. „Er (Putin) hat Raketen bis nach Kaliningrad verlegt – Luftlinie 530 Kilometer von Berlin.“ Darauf nicht angemessen zu reagieren, sei fahrlässig. „Ja, durch Nichthandeln geriete der Frieden auch bei uns in Gefahr“, so Scholz.
Zwischen den Zeilen heißt das: Um Deutschlands Verteidigungsfähigkeit ist es derzeit nicht gut bestellt. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), kritisierte denn auch im Fernsehsender Phoenix: Die Inbetriebnahme von Iris-T käme „zu spät“ und man sei weit weg von einer Vollbefähigung, „die wir eigentlich in diesen Zeiten bräuchten“. Die schließt für Hahn Abschreckung ein. Und auch für den SPD-Kanzler.
Bis zu 2.500 Kilometer
„Neben einer starken Luftverteidigung brauchen wir in Europa abstandsfähige Präzisionswaffen“, begründet Scholz in Todendorf, warum er mit den USA die Stationierung der Mittelstreckenraketen verabredet habe – „damit auf diesem strategisch wichtigen Feld keine gefährliche Lücke gegenüber Russland klafft.“
Abstandsfähige Präzisionswaffen, das meint auch Lang- und Mittelstreckenraketen. Letztere, zu denen auch die für Deutschland bestellten Tomahawk-Marschflugkörper gehören, können Ziele in bis zu 2.500 Kilometer Entfernung treffen. Also theoretisch auch in Moskau.
Solche Befürchtungen allerdings versucht Scholz zu zerstreuen. Es gehe einzig und allein darum, mögliche Angreifer abzuschrecken. „Es geht uns darum, den Frieden hier bei uns zu sichern und Krieg zu verhindern.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben