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Startpage führt neue Funktion einWeniger Spuren bei Suche im Netz

Anonym im Netz surfen, ohne etwas zu installieren – das soll eine Funktion der Suchmaschine Startpage bieten. Fachleute sind skeptisch.

Wer kennt es nicht: Im Netz ein Produkt suchen und danach wochenlang Werbung dafür erhalten Foto: dpa

BERLIN taz | Egal ob Schuhe, Smartphone oder die Kaffeemaschine: Nutzer, die sich im Internet nach einem Produkt umsehen, machen häufig die Erfahrung, dass sie danach wochenlang Werbung für eben selbes erhalten. Vor dem dahinterstehenden Sammeln von persönlichen Daten will die niederländische Suchmaschine Startpage die Nutzer nun mit einer neuen Funktion schützen: Ein anonymer Modus soll das Surfen im Internet ermöglichen, ohne Spuren zu hinterlassen – das Installieren einer speziellen Software ist dafür nicht nötig. Die neue Option, die in den vergangenen Wochen bereits testweise lief, soll am Wochenende standardmäßig für alle Nutzer zu sehen sein.

Wer bislang bei Startpage sucht, bekommt die von Google gelieferten Suchergebnisse angezeigt, ohne dass persönliche Daten an den US-Konzern ­gehen. Doch dieser Schutz endet, sobald ein Nutzer über einen der Such-Treffer die Seite aufruft und dort weiter surft. Persönliche Daten wie IP-Adresse oder gesetzte Cookies gehen mindestens an den Seitenbetreiber, in der Regel aber noch an mehrere Dutzend Unternehmen, die Werbung, Inhalte oder zum Beispiel die Schrift auf der Seite ausliefern. Wer das verhindern will, hat dafür unterschiedliche Tools zur Auswahl, wie den Anonymisierungs-Browser Tor. Startpage verspricht nun, dass Nutzer ganz ohne Installation oder spezielle Kenntnisse anonym im Netz unterwegs sein können. „Wir wollen, dass auch Leute geschützt werden, die keine Ahnung haben, wie sie ein Anti-Tracking-Tool oder ein VPN installieren“, sagt Sprecher Jörg Bauer.

Dahinter steckt ein technisches Konstrukt, das – vereinfacht – so funktioniert: Wer über Startpage beispielsweise die Seite example.com aufruft und auf den Anonymisierungs-Link klickt, bekommt die Seite nicht direkt vom Anbieter ausgeliefert. Stattdessen schaltet sich ein weiterer Server – ein sogenannter Proxy – dazwischen. Der soll, so verspricht es Startpage, Inhalte, die den Nutzer überwachen könnten, ausschalten. Für den Nutzer soll das keinen Unterschied machen: Zwar dauert das Laden am Anfang des anonymen Modus einen Tick länger. Danach ist die Geschwindigkeit aber die gewohnte. Nur ein ­schmaler lilafarbener Rahmen um die Seite weist auf den anonymen Modus hin.

Ein Test mit taz.de zeigt: Die Seite sieht aus wie gewöhnlich, lädt auch nicht merkbar langsamer. Doch der Startpage-Proxy liefert nicht alle Webseiten so unproblematisch aus – mal laden Fotos nicht, woanders baut sich die Seite nicht vollständig auf. Und Videodienste wie YouTube funktionieren derzeit gar nicht, hier sind aktuell nur graue Kästen zu sehen. Laut Firmensprecher Bauer soll das im kommenden Frühjahr behoben sein. Er rechnet auch damit, dass Seitenbetreiber künftig versuchen werden, es der Anonymisierungsfunktion möglichst schwer zu machen. Schließlich seien sie an den Nutzerdaten interessiert.

Anonym statt offenes W-LAN

Nicht alle sind jedoch davon überzeugt, dass Nutzer im anonymen Modus komplett unerkannt unterwegs sind. „Es gibt zahlreiche Punkte, an Hand derer Nutzer doch identifiziert werden könnten, zum Beispiel die im Browser installierten Erweiterungen“, sagt Mario Heiderich. Sein Unternehmen Cure53 führt unter anderem sogenannte Penetration-Tests durch, mit denen Systeme auf ihre Sicherheit getestet werden. Den Nutzer vor einem Großteil der problematischen Inhalte zu schützen, halte er für realistisch, er bezweifle aber, dass hundert Prozent erreicht werden könnten. Sogar renommierte Werkzeuge wie der Tor-Browser könnten Anonymität nicht garantieren. Heiderich empfiehlt Nutzern, unterschiedliche Browser-Profile anzulegen, das ist heute mit wenigen Klicks möglich. In einem sollten sie dann möglichst datensparsam unterwegs sein.

100 Prozent sind in der IT nie zu erreichen, aber wir bieten 99 Prozent

Jörg Bauer, Startpage

Padeluun vom Datenschutz-Verein Digitalcourage rät zum bewussten Umgang mit Diensten. Zwar sei es zweifellos besser, Startpage zu nutzen als Google. Und im anonymen Modus unterwegs zu sein, biete immer noch mehr Schutz „als das offene W-LAN am Flughafen“. Aber genau wie bei anderen Anbietern von Anonymisierungs-Diensten müssten die Nutzer letztlich selbst entscheiden, ob sie hier Startpage vertrauen. Die Funktion immer und überall zu verwenden und sich darauf zu verlassen, dass man komplett unerkannt unterwegs sei, sei daher keine gute Idee. Er befürchtet sogar, dass einfach zu benutzende, datenschutzfreundliche Dienste Menschen davon abhalten, selbst aktiv zu werden. Sich mit dem Thema zu befassen, den Tor-Browser zu installieren oder selbst einen schützenden Heimserver aufzusetzen.

Auch Startpage-Sprecher Bauer sagt: „100 Prozent sind in der IT nie zu erreichen, aber wir bieten 99 Prozent.“ So würden sie etwa sofort reagieren, wenn sie eine Sicherheitslücke oder ein Skript entdeckten, dass den Nutzer tracken könnte.

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1 Kommentar

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  • Tja, liebe TAZ. Ich liebe Euch ja (echt, jetzt!). Aber dennoch, in genau dieser webseite finde ich:

    Ein Glück, dass ich bei mir Javascript strikt abgeschaltet habe (nicht mehr so einfach, bei modernen Browsern, nebenbei bemerkt). Und dass ich Zugriffe auf googletagservices.com auch noch anderweitig unterbinde. Sonst hättet Ihr glatt meinen Arsch an Google weiterverkauft (nur bei Kommentaren muss ich... ach, lassen wir das).

    Jetzt mehr im Ernst: ich verstehe, dass Ihr als PublizistInnen ohne sowas heutzutage gar nicht mehr existieren könnt. Aber von Euch wünschte ich mir, dass Ihr es thematisiert, statt einen Döpfner zu machen: sich nach aussen kämpferisch zu geben gegen die "grossen Monopolisten" und hintenherum eine Symbiose zu leben.