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Startchancen-Programm gegen Ungleichheit„Gut, dass es langfristig ist“

Bald beginnt das Startchancen-Programm, bei zunächst 2.125 Schulen bundesweit. Ein Besuch der Grundschule Saturnring bei Hannover.

„Alle Kinder haben die gleichen Rechte“, meint diese Gruppe aus der Grundschule Saturnring Foto: Michael Matthey/dpa

taz | Hannover So eine richtig konkrete Vorstellung davon, was da mit dem Startchancen-Programm auf sie zu kommt, haben sie noch nicht, sagt Schulleiter Maiko Kahler von der Grundschule Saturnring in Garbsen bei Hannover. Natürlich hat es ihn gefreut, dass seine Schule ausgewählt wurde.

Die niedersächsische Landesregierung hat einen eigenen Sozialindex für die erforderlichen drei Kriterien erarbeitet. Anders als die Stadtstaaten kann man in so einem Flächenland ja nicht einfach auf die kommunalen Sozialdaten zugreifen, hat Ministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) erklärt. Gleichzeitig wollte man den bürokratischen Aufwand möglichst gering halten und mit vorhandenen Daten arbeiten. Zentral sind dabei die Anteile von Schüler*innen, die einen sogenannten Migrationshintergrund haben und/oder Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT). In beiden Kategorien liegt die Grundschule Saturnring im hohen Prozentbereich.

Eines der Kriterien trifft allerdings nicht so richtig zu. Niedersachsen hat auch die Daten aus der Lehrbuch-Ausleihe berücksichtigt – hier können sich Familien, die Sozialleistungen beziehen, von den Leihgebühren befreien lassen. „Das haut bei uns nicht so ganz hin“, erklärt Kahlers Stellvertreterin, Annika Gold. In der Grundschule Saturnring hat man sich nämlich längst angewöhnt, sich die Lesetexte passend zusammenzustellen. „Die meisten Lesebücher setzen viel zu viel voraus.“

Der Bergriff „Brennpunktschule“ klingt nach Polizei

Das, sagt sie mit einem kleinen Seitenblick auf ihren Schulleiter, ist hier eben schon anders als an manch einer anderen Schule. Kahler hatte gerade noch erklärt, wieso er den Begriff „Brennpunktschule“ nicht mag. „Das klingt, als würde hier jeden Tag die Polizei auf dem Schulhof stehen – das stimmt doch so gar nicht.“ Überhaupt ist ihm alles suspekt, was ständig um Problembeschreibungen kreist. Man muss an Lösungen arbeiten. „Natürlich gibt es Unterschiede. Unsere Schülerinnen und Schüler kommen zwar aus über 36 Nationen, sie kommen aber eben auch alle aus dem Stadtteil Auf der Horst“, sagt Kahler.

Etwas, was schon ganz lange auf dem Wunschzettel der Kollegen steht, ist so ein Zirkusprojekt, bei dem Artisten mit den Kindern Auftritte einstudieren. Das klingt vielleicht banal, aber die, die es einmal mitgemacht haben, schwärmen von den Auswirkungen, die man monatelang spürt. Die Kinder gewinnen die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, die so wichtig ist für den weiteren Schulerfolg. Für die Eltern ergibt sich ein fröhlicher, unbefangener Kontakt zur Schule. Das ist Gold wert.

Aber natürlich lässt sich das an Orten wie diesem nicht mal eben durch eine Umlage unter den Eltern, großzügige Sponsoren oder über einen Förderverein mit gut gefüllter Kasse finanzieren. Vielleicht klappt es ja jetzt über das Startchancen-Programm. Denn auch für solche pädagogischen Projekte sind darin Mittel vorgesehen.

Eine Schulassistentin oder Lern- und Bewegungsräume

Noch wichtiger sind aber natürlich die beiden Säulen zur Finanzierung von baulichen und personellen Maßnahmen. Auch hier, sagt Kahler, könnte er sich eine Menge vorstellen. Eine weitere Sozialarbeiterstelle wäre zum Beispiel schön. Bisher haben sie eine Vollzeit- und eine Teilzeitstelle für ihre ca. 400 Schüler*innen. Eine Schulassistentin oder Schulkrankenschwester wären natürlich auch toll. Extra Lern- oder Bewegungsräume, ein Aufmöbeln der kleinen Unkraut-bewachsenen Innenhöfe oder andere Baumaßnahmen stünden auch auf dem Wunschzettel.

Allerdings wird an der Schule ohnehin gerade so einiges umgebaut: Das Obergeschoss ist aus Sicherheitsgründen komplett gesperrt und muss angepasst werden. In einen Flügel soll ein Kindergarten mit 25 Plätzen einziehen – für die Kinder, die keinen Kitaplatz abbekommen haben, bei denen ein Jahr vor der Einschulung aber dringender Sprachförderbedarf festgestellt wird.

Auch für den Ganztagsausbau gibt es noch einiges zu tun. Die Schule betreut zwar schon nachmittags, aber die Stundenzahl muss noch einmal um eine Stunde aufgestockt werden, um den Anforderungen des Bundesgesetzes zu genügen. „Wir haben noch keine Ahnung, wie sich das am Ende alles ineinanderfügt“, sagt Kahler. Gemeinsam mit dem Kollegium soll das weitere Vorgehen nach den Ferien durchdacht und mit dem gesamten Team geplant werden. Es sei schon ganz gut, dass das Startchancen-Programm so langfristig angelegt ist, meint Kahler.

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7 Kommentare

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  • Ziel eines solchen Programms muss es ja sein, die schulischen Leistungsfähigkeit der Schüler deutlich zu erhöhen.

    Tut das das Startchancen-Programm?

    Sicher weiß man das erst hinterher (z.B. ab 2 Jahren nach den ersten Maßnahmen).



    Im Voraus könnte die Fachwissenschaft, also Schulpädagogen, auch natürlich einschätzen, inwieweit Zirkusprojekte, neue Stellen und Räume sich auswirken.

    Allerdings scheint mir, dass die Art der Maßnahmen, und damit auch ihr Erfolg, nicht nur stark vom Land, sondern auch noch von der Schule abhängt. Wer entscheidet eigentlich, was genau mit dem Geld gemacht werden kann und was nicht?



    Wissenschaftliche Begleitung, insbesondere bei der Bewilligung von Einzelmaßnahmen, wäre da unbedingt erforderlich - damit die Aktion nicht wirkungslos verpufft.

  • In dem ganzen Programm finde ich keine Elemente zur Entflechtung des Bildungsabschlusses von der Sozialen Herkunft.

    Schade.

  • Auf Ungleichheit ist gepfiffen. Egal wie die Förderung aussieht, das Matthäus-Prinzip lässt sich nicht umgehen. Kinder sind nun mal mit ihren Eltern geschlagen. Aber Förderung ist trotzdem gut. Es geht nämlich um Leistung. Wenn es um Sport geht, wird Freude an der Leistung als Ziel nicht hinterfragt, obwohl die Ungleichheit im Sport ebenso auf der Hand liegt. Auch Kinder, die ihre Defizite niemals aufholen werden, können Selbstwirksamkeit erfahren, darum geht es, nicht um Teilnehmerurkunden. Das geht einfacher ohne egalitäre Ideologie. Für nahezu alle Menschen gilt, dass das, was sie können, irgendjemand besser oder schlechter kann. Gewöhnt euch endlich dran. Deshalb muss man weder Mehrleister in den Adelsstand erheben, noch für Minderleister die Latte senken.

  • „Die meisten Lesebücher setzen viel zu viel voraus.“



    Das ist der wichtigste Satz und das wichtigste Thema, nicht Zirkus, nicht Innenhof.

    Die Bücher setzen voraus, dass die Kinder einen angemessenen Wortschatz haben, dass sie in angemessener Weise, die Grammatik beherrschen. Einen gesprochenen Satz verstehen und korrekt antworten können. Die Schule vermittelt dann die Schrift und vergrößert den Wortschatz. Wenn die Voraussetzungen nicht gegeben sind, kann die Schule sehr wenig tun, ihr fehlen die Mittel, es ist nicht vorgesehen.



    Und ohne die Beherrschung der deutschen Sprache gibt es auch Problem in Sachkunde und der, jetzt, sehr stark versprachlichten Mathematik.

    Versuchen Sie eine Textaufgabe ab Klasse drei aufwärts, ohne ausreichende Deutschkenntnisse zu verstehen.

    Und ja, es wäre die Aufgabe der Eltern, nur sie nehmen sie nicht wahr, was jetzt?



    Wer mehr Migration will, kann in der Schule eine Aufgabe finden, freiwillig und umsonst.

    Das Scheitern auf dem Bildungsweg beginnt sehr früh. Oh, nicht zu vergessen die Frustration, die aus dem Nicht-Verstehen erwächst.

    • @Octarine:

      Die Sprache ist absolut wesentlich. Wir haben unsere Jüngste extra in einer Privatschule eingeschult, in der sie zumindest technisch gesehen, das einzige Kind mit MigraHu und anderer Muttersprache ist. Die Klasse fliegt geradezu durch den Lernplan und meine Tochter ist der gleichaltrigen Cousine in Berlin schon in der Grundschule ein Jahr voraus. Es gab bis auf eine Ausnahme durch die Bank Gymnasialempfehlungen. Dabei sind die Kinder sicher nicht intelligenter als anderswo. Ohne deutsche Sprache sind aber selbst Fächer wie Mathematik nicht zu bewältigen. Einfach mal die Pisatests in Mathe anschauen. Deshalb ist es ja auch so unsinnig Kinder ohne Deutschkenntnisse in Regelklassen zu haben. Das die anderen SuS auch davon profitieren würden, ist ja so ein Ammenmärchen. Jeder Leistungstest besagt das glatte Gegenteil.

    • @Octarine:

      Das stimmt. Sie haben das sehr gut beschrieben! Aus eigener Erfahrung kann ich dem nur zustimmen. Und der Lernfrust, der dann z.B. in Resignation endet und im deutschen Schulsystem oft als Faulheit fehlinterpretiert wird, betrifft nicht nur Kinder, die Deutsch als Fremdsprache lernen müssen. Auch viele Kinder, die Deutsch als Muttersprache lernen, bräuchten mehr Unterstützung um eben nicht in den Lernfrust abzurutschen. Und da gibt es einfach viel zu wenig Mittel und Ressourcen an den Schulen. Hessen hatte z.B. "Löwenstark" ins Leben gerufen um die Kinder nach der Corona-Pandemie verstärkt zu unterstützen, eine gute Sache. Nur hätte es das vorher schon gebraucht und auch jetzt brauchen wir das! Aber das Programm ist ausgelaufen

      • @Mussgarnix:

        Das ist es.

        Es betrifft alle Kinder, die im Elternhaus nicht die Unterstützung und Vorbereitung erhalten, die sie brauchen.

        Die Folge sind Kinder, die es nicht besser können, die scheitern und entsprechend reagieren. Das fehlende Verständnis für Lerninhalte, führt zu schlechten Resultaten, weil Lerninhalte aufeinander aufbauen und sich ergänzen sollten. Die Lücke wird größer.



        Die Antwort ist eine Veränderung der Bewertungsskala und später eine Änderung der Anforderungen. Klasse 5 und 6 der HS wird einfacher als 4 Grundschule, ein Ähnliches bei Abschlussprüfungen, mit einer Noteninflation. Jetzt auch an der Uni.

        Jede Vergleichsstudie zeigt bei genauerem Lesen die gleichen Resultate. Und die Reaktion der Politik ist ein erbärmliches Herumschrauben, um eine größere Prüfungskompatibilität zu erreichen.

        Die Kinder und Jugendlichen haben keine Lobby, deshalb werden sie die Opfer der Politik.



        Alle Kinder verdienen Hilfe.