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Stärkung des BundesverfassungsgerichtsDer AfD ein Riegelchen vorgeschoben

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Der Bundestag hat das Bundesverfassungsgericht gegen Angriffe von rechts gestärkt. Das war höchste Zeit, doch es reicht nicht.

„Zusammen gegen Rechts“ in Berlin: Zur Wehrhaftigkeit der Demokratie gehört auch die Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen Foto: Christian Jungeblodt

A utoritäre Angriffe auf demokratische Staaten laufen auf vielen Ebenen. So hat in Deutschland die AfD in diesem Jahr viele Teilerfolge erzielt: Sie hat bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen Sperrminoritäten erreicht und kann so wichtige demokratische Prozesse blockieren. Sie hat immer mehr kommunale Ämter inne und erreicht kritische Größen in Stadträten und Kreistagen, über die sie sich weiter normalisieren kann. Und sie sorgt nach wie vor für eine Verrohung des politischen Klimas, in dem Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­r*in­nen wegen Anfeindungen aufgeben und Wahl­kämp­fe­r*in­nen angegriffen werden und Jugendliche „Ausländer raus“ grölen.

Der gesellschaftliche Rechtsruck geschieht unter der freundlichen Mithilfe von Po­li­ti­ke­r*in­nen der sogenannten „Mitte“, die im verrohten Diskurs längst bereit sind, AfD-Positionen in Kulturkämpfen zu übernehmen oder gleich in echte Abschottungspolitik und „Abschieben im großen Stil“ zu gießen.

Der Blick auf bereits ausgehöhlte Demokratien wie Ungarn zeigt: Der Angriff auf rechtsstaatliche Institutionen ist der entscheidende Hebel für autoritäre Kräfte, um gekippte Machtverhältnisse zu zementieren. Auch in Deutschland wäre es nach jetzigem Stand mit einer einfachen Mehrheit möglich, das Bundesverfassungsgericht zurechtzustutzen.

Deswegen ist es bei aller Kritik im Umgang mit der AfD richtig und wichtig, dass trotz des Scheiterns der Bundesregierung ein breiter Konsens der demokratischen Parteien die Resilienz der wichtigsten rechtsstaatlichen Institution stärkt. Es ist aber auch das Mindeste in einer Demokratie, die sich selbst gern salbungsvoll und vermeintlich historisch geläutert „wehrhaft“ nennt.

Die AfD wird jeden Spielraum nutzen

Bei der Gelegenheit dürfen sich die Abgeordneten gern auch noch daran erinnern, dass zur Wehrhaftigkeit dieser Demokratie auch die Prüfung eines Parteiverbots sowie die Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen gehören. Denn mit einer formal erhöhten Resi­li­enz des Rechtsstaats allein lässt sich die Demokratie nicht retten.

Deswegen darf es dabei nicht bleiben: Es braucht eine soziale Investitionspolitik gegen Krisenverwerfungen, von denen die AfD in erheblichem Ausmaß profitiert. Ebenso wichtig ist, zu verhindern, dass die Verfassungsfeinde weiter an Einfluss gewinnen. Denn eines ist klar: Die AfD wird jede Chance nutzen, um demokratische Institutionen anzugreifen und auszuhöhlen, wenn man ihr die Gelegenheit gibt.

Das hat sich gerade wieder bei der Ministerpräsidentenwahl im sächsischen Landtag gezeigt, wo die AfD den eigenen Kandidaten durchfallen ließ und für den Kandidaten der Freien Wähler stimmte. Mit den Tricksereien ist die AfD diesmal – anders als in Thüringen 2020 – zum Glück auf die Nase gefallen. Ein weiteres Beispiel lieferte vor kurzem aber auch wieder Thüringen: Hier blockierte die rechtsextreme Höcke-Fraktion mit ihrem Alterspräsidenten bereits die Konstituierung des Landtags. Hier musste erst das Landesverfassungsgericht eingreifen – das sich seither heftigen Angriffen durch die AfD ausgesetzt sieht.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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10 Kommentare

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  • Weiter demonstrieren, demokratisch diskutierend überzeugen, auf den Tonfall achten, müssen wir auch schon selbst. Diese Änderung allein ist nur defensiv.



    Eine progressiv-linke Politik darf gerne wieder beherzt auch in den Angriff umschalten.



    Eine moderat-rechte Politik darf gerne wieder eigene Themen jenseits der Rechtsextremen setzen.

  • Das Bundesverfassungsgericht mit so einem Gesetz zu schützen ist eben das, worauf sich die bornierten Technokraten, die im Grunde selber keine klare Vorstellung von Demokratie haben, gerade noch einigen können. Wesentlich wichtiger wäre z.B.:

    - Gewerkschaften und betriebliche Mitbestimmung stärken, z.B. durch Enttabuisierung des politischen Streiks (man erinnere sich an die Abwehr des Kapp-Hitler-Putsches). Arbeit ist für fast alle Menschen gegenwärtiger als Politik, der Arbeitsplatz ist der wichtigste vorpolitische Raum.



    - Demokratischer Bildung in allen Facetten (ökonomisch, sozial, politisch, ökologisch) den Stellenwert im Bildungssystem einräumen, den sie in einer extrem komplexen Gesellschaft nun mal braucht



    - zivilgesellschaftliche Initiativen mit langfristigen, verlässlichen Finanzierungen ausstatten statt sie von Jahr zu Jahr mit Abschaffung zu bedrohen



    - Das sog. Neutralitätsgebot dahingehend klarstellen, dass demokratisches Engagement nicht mehr ständig durch Anzeigen und durch das Finanzamt torpediert werden kann

    Und dann wäre da noch das viel weitere Feld der Wirtschafts- und Sozialpolitik…

    • @Wonko the Sane:

      Es gibt das ausdrückliche Widerstandsrecht des Grundgesetzes gegen Faschos an der Regierung etc.



      Auch darf sich der Staat gegen Obstruktion wehren. Nicht nur, wenn das Heilige Auto in Gefahr gewähnt wird.

      Auch wenn man nicht stets Wolf rufen sollte, wenn es ein Schlapphund ist, ist es zuweilen doch ein Wolfsohr, das zu sehen ist.

      Verbote würden auch noch ein deutliches Zeichen setzen - juristisch superkorrekt geprüft natürlich, um Mythen gleich das Haupt abzuschlagen.

      • @Janix:

        Das Grundgesetz organisiert und mobilisiert aber nicht, dafür braucht man kollektive Akteure, sonst bleibt das Widerstandsrecht ein theoretisches. Leider ist die Zivilgesellschaft gegenwärtig viel schwächer als in der Weimarer Republik. Daher redet man auch so gerne über juristische Methoden.

        • @Wonko the Sane:

          Uff, einerseits bei Ihnen: dass Gesetze ohne Menschen dahinter angreifbar sind. Die Gewerkschaften wieder zu früherer Bissigkeit und Schlagkraft zu bewegen, trotz jahrzehntelangem Anfüttern, wäre auch fruchtbar. Andererseits sehe ich uns auch als Gesellschaft weiter als in Weimar, wo Monarchoreaktionäre, Freikorpsler und Voll-Bolschewisten noch als satisfaktionsfähig galten und die Justiz auf dem rechten Auge blind war.

  • Dauerhaft können nur die Bürger die Demokratie bewahren.

    Der Schutz der Justiz kann immer nur ein Riegelchen bleiben, denn eine völlige Entkopplung vom Souverän kann niemand ernsthaft wünschen, denn dann entstünde ein Staat im Staate.

  • Da die Justiz eh schon auf der falschen Seite des "Riegelchen" steht würde auch ein riesengroßer Riegel nichts nützen.

  • "Deswegen darf es dabei nicht bleiben: Es braucht eine soziale Investitionspolitik gegen Krisenverwerfungen, von denen die AfD in erheblichem Ausmaß profitiert."



    Die AFD profitiert auch von diskreditierenden und desavouierenden Äußerungen der Spitzenkandidat:innen aus der Union zu den Vorarbeiten der aktuellen BR, in denen die Fehlleistungen eigener BRs aus der jüngeren Vergangenheit nicht die mindeste Erwähnung finden.

  • Schade nur, dass das wieder alle kleineren Parteien mittrifft.

    Vermutlich wären auch andere ähnlich wirksame Änderungen denkbar gewesen, die kleine Parteien nicht benachteiligt.

    • @Bolzkopf:

      Wie weit trifft was auch andere kleinere Parteien? Ich habe es noch nicht verstanden.