piwik no script img

Staatsanwaltschaft gegen KlimaaktivismusVerden schadet dem Staat

Kommentar von Benno Schirrmeister

Die Staatsanwaltschaft Verden hält sich für überlastet. In Wirklichkeit aber schafft sie es nicht, sich auf Wichtiges zu fokussieren.

Schräg: Die Staatsanwaltschaft Verden steckt Ressourcen in die Verfolgung von Demonstrationen Foto: Sina Schuldt/dpa

R espekt! Da haben doch tatsächlich juristische Laien eine Anklage zu Fall gebracht. An der hatten zuvor die Voll­ju­ris­t*in­nen der Staatsanwaltschaft Verden volle drei Jahre lang rumgebosselt und gedengelt. Und sie hatten sich so richtig was vorgenommen, die Strafverfolger*innen!

Menschen, die auf der Autobahn für eine klimaverträgliche Politik und für eine Verkehrswende demonstriert hatten, wollten sie partout in den Knast stecken. Das war damals eine politisch präsente Forderung, aber natürlich eine ohne Rechtsgrundlage. Woher also der Eifer der Ermittelnden?

Die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Verden antwortet auf Pressefragen nicht. Sie schließt also nicht aus, dass der Anklage eine politische Motivation zugrunde lag, was illegal wäre. Vor dem Hintergrund sollte die Generalstaatsanwaltschaft in Celle dieses Verfahren noch einmal genauer überprüfen. Sollte man bei der Staatsanwaltschaft Verden etwa vergessen haben, dass eine Amtsperson, die das Recht biegt und beugt, es immer auch bricht?

Die alternative Erklärung wäre die chronische Überforderung der Anklagebehörde. Denn ja, es ist ein Mangel an Kompetenz festzustellen. Zwar wird netterweise öffentlich meist von Überlastung gesprochen, und deshalb haben die auch unterbesetzten anderen Anklagebehörden des Bezirks Celle im Frühsommer den De­zer­nen­t*in­nen aus der Reiterstadt 1.200 Verfahren abgenommen.

Offenkundig fehlgedeutete Gesetze

Das kann vorübergehend bestimmt die Qualität der Verfahren steigern, aber nicht nachhaltig. Dafür wäre wichtig, dass die Staatsanwaltschaft Verden lernt, sich zu fokussieren.

Denn wie auch immer begründete Versuche, eine kleine, durchs Demonstrationsrecht sanktionierte Störung des Straßenverkehrs mithilfe offenkundig fehlgedeuteter Gesetze in eine gefängnisbewährte Tat kurz vorm Verbrechen hochzujazzen, müssen zum Glück noch in der Blamage enden. Bis dahin aber kosten sie Zeit, Kraft und Geld, die für die Erledigung wichtiger Aufgaben fehlen. Kurz: Sie schaden, und zwar nicht zuletzt dem Ansehen des Staates, dessen Anwalt man doch qua Amt sein sollte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Reporter und Redakteur
Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.
Mehr zum Thema

0 Kommentare