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Spur im Fall des ersten NSU-AnschlagsZschäpes Freundin schwer belastet

Susann Eminger soll in den Anschlag auf die Pilsbar „Sonnenschein“ 1999 in Nürnberg verwickelt gewesen sein. Das haben neue Recherchen ergeben.

Die Idylle trügt: Nürnberg war mehr als einmal Schauplatz von NSU-Verbrechen Foto: imago/Westend 61

BERLIN taz | Seit mehr als fünf Jahren läuft der NSU-Prozess nun schon vor dem Oberlandesgericht München. Nachdem in der letzten Woche die Plädoyers der Verteidigung abgeschlossen wurden, wird Anfang Juli mit einem Urteil gerechnet. Zentrale Fragen hat der Prozess bis heute nicht geklärt.

Der Anschlag in der Nürnberger Pilsbar „Sonnenschein“ galt 14 Jahre als ungelöst, bis der Angeklagte Carsten Schultze 2013 im NSU-Prozess aussagte, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt eine Taschenlampe in Nürnberg abgelegt hätten.. Auf diese Aussage hin hat das Bundeskriminalamt den damaligen Lokalbesitzer Mehmet O. befragt.

Den Recherchen des Bayerischen Rundfunks und der Nürnberger Nachrichten zufolge hat Mehmet O. in seiner Zeugenvernehmung Susann Eminger auf Bildvorlagen identifiziert. Gegenüber dem Rechercheteam sagte er, Susann Eminger komme ihm „dermaßen bekannt vor“. Durch die Explosion hat Mehmet O. zahlreiche Schnittwunden erlitten. Er überlebte nur, weil der Sprengsatz nicht richtig zündete. Das Lokal wurde durch den Anschlag zerstört.

Susann Eminger ist eine der neun Personen, gegen die die Bundesanwaltschaft bereits seit 2012 ermittelt. Ihr wird vorgeworfen, die terroristische Vereinigung NSU unterstützt zu haben, indem sie Beate Zschäpe beispielsweise ihre Personalien in Form von Bahncards zur Verfügung gestellt und so zur Tarnung des NSU-Kerntrios beigetragen hat. Wie verschiedene Bilder belegen, war Susann Eminger eine enge Freundin von Beate Zschäpe.

Susann Eminger ist „Beistand“ im Prozess

Als Ehefrau des Angeklagten André Eminger, der als wichtigster Unterstützer des NSU-Kerntrios gilt, nimmt Susann Eminger als sein „Beistand“ im Prozess teil und kann so händchenhaltend neben ihm sitzen. Da gegen Susann Eminger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung des NSU läuft, wird dies von Friedrich Burschel, Prozessbeobachter von NSU-Watch, kritisiert.

Erst durch die Recherchen hat Mehmet O. erfahren, wen er damals identifiziert hat. Nach dem Anschlag haben sich die behördlichen Ermittlungen gegen ihn und seine Familie gerichtet. Mehmet O. hofft jetzt 19 Jahre später auf eine Aufklärung des Anschlags. Die Pilsbar „Sonnenschein“ liegt in der Nähe des Nürnberger Hauptbahnhofs und war nicht als türkisch betriebenes Lokal zu erkennen. Es stellt sich ein weiteres Mal die Frage, wie die Anschlagsziele des NSU ausspioniert wurden.

Laut Bundesanwaltschaft, die die Anklage im NSU-Prozess vertritt, sei der NSU „ausermittelt.“ Es habe sich demnach stets um ein „isoliertes Trio“ gehandelt, das die zehn Morde und 15 Raubüberfälle und drei Bombenanschläge im Untergrund selbst geplant und begangen haben soll.

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4 Kommentare

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  • Ach so, die Tschäpe ist nicht nur mit zwei Jungs in der Gegend rumgereist, sondern hat auch noch andere Leute gekannt. Ja? Bin erstaunt.

     

    ich finds auch voll cool die ca. 25 Polizisten, die in BaWü beim European White Knights of the KKK Mitglied sind.

    Die verteilen nur Knöllchen.

  • "Laut Bundesanwaltschaft, die die Anklage im NSU-Prozess vertritt, sei der NSU „ausermittelt.“ Es habe sich demnach stets um ein „isoliertes Trio“ gehandelt, das die zehn Morde und 15 Raubüberfälle im Untergrund selbst geplant und begangen haben soll."

     

    Ja, so lautet die offizielle Version. Diese Version schützt auch die Aktivitäten des Staates, sprich die hohe Anwerbungsquote von V-Männern unter den Neonazis und die oft damit einhergehende Strafverschonung dieser Menschen. Der italienische Geheimdienst rapportierte ja einst, dass es in Deutschland eine Terrorgruppe namens NSU gebe, was auch kein Wunder ist, sollen doch das Trio und andere auch an entsprechenden Nazi-Konzerten im Veneto teilgenommen haben. Dass die NSU zu einem Komplex gehört, zu dem auch Combat 18 und andere solcher Richtungen zu subsumieren sind, leuchtet dem Staat nicht ein. Die NSU war nach meiner Auffassung größer und sie war auch in der Szene als Gruppe von mehr als drei Personen bekannt. Vielleicht nicht jedem Neonazi in Deutschland, aber wer wollte, der konnte diese Richtung auch finden.

  • Zschäpe selbst benutzte u.a. den Namen „Susann Eminger“ als Aliasnamen zur Wohnungs- und Fahrzeuganmietung.

    „Die Freundschaft zu den Emingers rettet den NSU im Winter 2006. Zu diesem Zeitpunkt hat das Trio bereits elf Banken überfallen und eine beispiellose Blutspur in ganz Deutschland hinterlassen.“ (Zeit-Online vom 17. April 2013 !!!)

    https://www.zeit.de/2013/16/nsu-helfer-eminger-zwillinge/seite-4

  • Dass da ausermittelt wurde, glaubt doch kein Mensch, oder? An kaum einem Tatort wurden DNA-Spuren der bekannten NSU-Mitglieder gefunden, dafür aber Spuren von Unbekannten. Die Szene um sie herum entsprechend ausleuchten geht aber nicht, weil "ausermittelt". Der Verdacht liegt sehr nahe, dass die Gruppe viel größer war als diese drei Leute, von denen zwei tot sind und man die Dritte beim besten Willen nicht laufen lassen konnte.

     

    Aber wenn das hierzulande so weiter geht, wird die nächste Regierung Zschäpe nicht nur freilassen, sondern sogar noch das Bundesverdienstkreuz verleihen...