„Spuckende“ Bodenplatten in Kolumbien: Ein Albtraum für Fußgänger in Bogotá
In Bogotá regnet es viel und die städtischen Vorgaben zum Baumaterial haben viele Lücken. Zum inoffiziellen Wahrzeichen sind die Bodenplatten geworden.
B ogotá ist bei Regen wahrlich kein Vergnügen. Die Kanalisation in Kolumbiens Hauptstadt ist heillos überfordert mit den sintflutartigen Wassermengen. Schlaglöcher werden zu Tümpeln, Straßen zu reißenden Bächen, und wer trockenen Fußes auf die andere Seite will, dem sind Gummistiefel empfohlen, am besten gleich ein Taucheranzug. Denn Autos und Busse sind so rücksichts- wie gnadenlos: Mit Karacho brettern sie durch die Wassermassen und bescheren den Fußgänger*innen im schlimmsten Fall eine dreckige Ganzkörperdusche.
Doch in Bogotá kann man bei Regen nicht nur von oben nass werden, sondern auch von unten. Und wenn sich die Fußgänger*innen erst mal auf den Gehweg gerettet haben, lauern dort die inoffiziellen Wahrzeichen Bogotás: die „spuckenden Bodenplatten“. Tritt man auf so eine Platte, gibt sie nach und schleudert Dreckwasser und Schlamm heraus. Sie durchnässt den Schuh, womöglich das Hosenbein bis zum Knie. Dann sitzt man mit nassen Füßen bei der Arbeit – oder gar mit verstauchtem Knöchel.
Das Streetart-Kollektiv Toxicómano Callejero hat dieses Übel aufgegriffen und ein gutes Dutzend Bodenplatten auf der belebten Carrera 13 im Stadtteil Chapinero mit Sprüchen besprüht – voller Anspielungen auf die lateinamerikanische Popkultur und ebenso schlüpfrig wie die Bodenplatten. „Ich weiß, dass es dich erregt, daran zu denken, wie weit ich kommen werde!“ – eine Zeile der argentinischen Rockband Soda Stereo. Eine zerbrochene Platte stöhnt mit Britney Spears: „Ups! Ich hab’s schon wieder getan.“
„Wenn du bestimmte Wege entlanggehst, lernst du, auf welche Platten du nicht steigen darfst und in welchen Gegenden du am besten vorsichtiger bist“, sagt Andrés von Toxicómano Callejero. Er kennt es nur zu gut: „Du bist einmal kurz abgelenkt, trittst auf eine dieser losen Bodenplatten, verspritzt Wasser rundherum und saust andere oder dich selbst ein.“
In Bogotá regnet es viel
Der Grund dafür ist mehr als zwanzig Jahre alt. Damals nahm sich die Stadt vor, dort, wo besonders viele Fußgänger*innen unterwegs waren, endlich ordentliche Gehwege anzulegen. Hoch sollten sie sein – damit nicht ständig Autos drauf parkten. Und bitte einheitlich. Der Siegeszug der Betonplatten in Bogotá begann.
„Das Material ist das Problem“, sagt Diego Laserna, ein Stadtrat und Stadtplaner, der sich seit Jahren für die Rechte der Fußgänger:innen engagiert. „Es geht sehr schnell kaputt.“ Expert*innen sind sich zudem einig, dass die Platten falsch verlegt wurden. Unter ihnen befinden sich Sandkammern. Dringt durch die Fugen Wasser, spült es mit der Zeit den Sand weg und sammelt sich im Hohlraum.
In Bogotá regnet es viel. 2022 waren es 1.607 Liter pro Quadratmeter – viermal so viel wie in Berlin. Und das Wasser steht noch unter den Platten, wenn am Himmel längst wieder die Tropensonne scheint. Höchstens der feuchte Umriss verrät es.
„Viele Leute gucken beim Gehen auf den Boden, um aufzupassen“, sagt Andrés von Toxicómano Callejero. „Daher kam die Idee, ein ‚Warnsignal‘ für die Passant*innen anzubringen.“ Auf einer Platte steht entsprechend: „Hass mich, ich bin ein Stückchen Korruption.“
Keine Alternative zu den Bodenplatten
Mehr als die Hälfte der 27 Millionen Quadratmeter Gehwege in Bogotá befinden sich in mäßigem oder schlechtem Zustand, hat eine Studie des Instituts für Stadtentwicklung (IDU) aus dem Jahr 2018 ergeben. Die Behörde ist nach eigenen Angaben chronisch unterfinanziert. Doch für Stadtrat Diego Laserna liegt es nicht am Geld, sondern am fehlenden Willen. Die städtischen Vorgaben zum Baumaterial seien recht schwammig – trotzdem würde bei den städtischen Baustellen weiter derselbe Typ Bodenplatte verlegt, den die Bogotaner*innen so hassen.
Jetzt arbeitet die Planungsbehörde an neuen Vorgaben. Bis es so weit ist, wollen Toxicómano Callejero weiter Sprüche auf die Bodenplatten sprühen.
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