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Springer und der BundespräsidentSpielen mit der Maus

In der Causa Wulff spielt die "Bild"-Zeitung eine zentrale Rolle ohne sie selbst einzunehmen. Und sie sah die Zukunft schon lange voraus.

Aus dem Schwitzen kommt Herr Wulff nicht mehr raus. Bild: reuters

Es ist eine barbarische, aber im Tierreich nicht ganz unbekannte Gewohnheit, dass Jäger mit ihrer Beute noch etwas spielen und auch niedere Mitglieder ihres Rudels ein bisschen am Spaß teilhaben lassen, bevor zugebissen wird. Auf den Bundespräsidenten und die Medien übertragen, sieht dieses Szenario so aus: Während der nicht überall geschätzte Boulevard-Großkater Bild gnädig zuwartete, durften zunächst die niedlich-seriösen Kätzchen FAS und Süddeutsche die Maus im obersten Amt des Staates jagen, bis Bild selbst nochmal zart fauchte.

Das füllte an diesem Dienstag dann einen Gutteil der für die große Politik reservierten Seite 2 von Bild, die schon bekannten Einzelheiten der Wulff'schen Drohanrufe beim Bild-Chefredakteur Kai Diekmann wurden nochmal „in eigener Sache“ geschildert. Mehr brauchte es auch nicht, weshalb sich das Blatt klug jedes Kommentars enthielt und auch Franz-Josef Wagner lieber an den „lieben Uli Hoeneß“ schrieb.

Bei der Affäre um Christian Wulff reicht es, auf die Kräfte der Selbstversenkung zu setzen und klug über Bande zu spielen. Dass hatte Bild de facto sogar öffentlich angekündigt, in einem Kommentar von Nikolaus Blome, der sich im Nachhinein wie eine Prophezeiung liest: „Das reicht nicht, Herr Wulff!“, hatte der einen Tag nach Wulffs Drohanrufen, von denen Blome als Mitglied der Bild-Chefredaktion Kenntnis hatte, geschrieben. Und süffisant hinzugefügt, Politiker stürzten „selten nur wegen einer Affäe an sich.

In der Regel stürzen sie darüber, wie sie mit der Affäre umgehen“. Blome weiter: „Wenn er so weitermacht, wird Christian Wulff diese Regel bestätigen.“ Noch liege der Ausgang, so der Bild-Leitkommentar am 14.12., „weitgehend beim Bundespräsidenten selbst. Aber – auch das lehrt die Erfahrung – nicht mehr lange.“

Es war Weihnachten

Darüber zu spekulieren, wer nun wem wann was erzählte, ist müßig: Die Anrufe Wulffs waren das Thema in den Bild-Redaktionskonferenzen dieser Adventstage. Die Schar der Mitwisser ist so groß, dass man eher fragen könnte, warum es so lange gedauert hat, bis etwas durchsickerte. Auch da scheint die Antwort klar: It was Weihnachten, stupid!

Und weil auch am Silvesterwochenende, als die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung eher versteckt als erste über den präsidialen Anruf bei Diekmann berichtete, viele Redaktionen noch beim Dinner for One saßen, brach die Empörung sich erst am 2. Januar so richtig Bahn.

So ganz wollte man bei Springer da das Heft dann aber doch nicht aus der Hand geben. Und so gab es noch vor der offiziellen Bestätigung der Bild-Chefredaktion am Montagnachmittag aus dem sonst stets gut zugeknöpften Verlag schon sachdienliche, wenn auch vertrauliche Hinweise.

Dass nun auch die Welt nachlegt und über Wulffs Versuch berichtet, bereits im Juni 2011 ein Porträt inklusive einer vom frisch gewählten Bundespräsidenten lieber vergessen gesehenen Halbschwester zu verhindern, passt ins Bild. Doch auch da hatte man sich wieder vertragen. Der Kontakt zum Haus Springer war schließlich stets ein besonderer. Schon bei seinem allerersten Sommerfest ein Jahr zuvor trat, so berichten Teilnehmer, der eben vereidigte Wulff umringt von der fast kompletten Bild-Führung aus Schloss Bellevue zu den Feiernden in den Garten.

Politische Vollmeise

Und auch das zeigt: Der Bundespräsident hat – pardon und bei allem Respekt vor seinem Amt – eine politische Vollmeise. Für manchen Landesfürsten mag es lohnend und notwendig erscheinen, mit den vermeintlich Medienmächtigen auf inniges Verhältnis zu machen. Das eher symbolische, aber deshalb gerade auf Unabhängigkeit und Integrität angewiesene Amt des Bundespräsidenten hatte und hat das nicht nötig.

Üblicherweise strahlte diese Erkenntnis auch auf die Amtsinhaber aus. Doch hier erweist sich Christian Wulff als fatale Ausnahme – für ihn, nicht für das Amt. Das wird diese Peinlichkeiten genauso locker verwinden wie den beleidigten Spontanabgang von Wulffs Vorgänger Horst Köhler. Weshalb die in manchen Kommentaren vergossenen Tränen über den „Schaden für das Amt“ nichts sind als blanke Hybris.

Christian Wulff, der oberste Mann des Staates, hat dagegen nicht nur das Konzept von Aufgabe und Verantwortung der freien Presse falsch verstanden, das er in Sonntagsreden im In- und Ausland gern bekräftig. Er hat sich nicht nur dabei erwischen lassen, wie er es für sich selbst außer Kraft zu setzen versucht.

Er hat sich mit seiner zornigen Nachricht für Kai Diekmann auch noch kleiner gemacht als nötig. Nils Minkmar hat es in der FAZ zum Niederknien auf den Punkt gebracht: „Der Bundespräsident redet auf Augenhöhe mit dieser Mailbox“. Damit sitzt die Maus in der Falle.

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12 Kommentare

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  • RO
    Reicher Onkel

    Köstliche Ironie, dieses Gleichnis von Katz und Maus!

    Was im Tierreich noch Tradition und systemerhaltenden Sinn hat, was nützt dasselbe Spiel einem Menschenstaat?

    Die bisherige Geschichte der gefressenen oder vom Kater verschmähten Mäuse legt eine Fortsetzung nahe:Ist die Präsidentenmaus nun (virtuell) gefressen, landet sie im lebenslänglichen Ehrensold. Und wenn dieser ihr nicht (für den Urlau usw.)reicht, kann sie zu Onkel Wladimir gehen und so wie ihr Vorvorvorgänger die Gasuhren ablesen. Für ein standesgemäßes Honorar.

  • L
    limbo

    Ciu Herr Wulf,

    in einem Lobbyjob sind Sie doch eh besser aufgehoben.

    Ihr Haus in Niedersachsen ist ja noch da und günstig finanziert.

    Wir brauchen im Zeitalter vom Internet und Echtzeitvoting,

    weder Politiker, noch Bundespräsidenten in Schlössern.

    Macht endlich selbst Macht!

  • A
    achwe

    Eigentlich wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen Wulf abzusetzen. Dies wäre bei jedem Minister oder selbst der/m Kanzler/in passiert. Ich weiß gar nicht ob man den Präsidenten überhaupt absetzen kann, er ist schließlich das höchste Tier, im deutschen Staate.

  • B
    bernd

    Ich finde der Trubel um dem Bundespräsidenten ist überbewertet. Man der hat ein Kredit bekommen und seine Frau ist eine Profesionelle. Jeder regt sich darüber auf, aber heimlich sind doch alle neidisch. Man sollte den Mann in Ruhe lassen und nicht aus Respekt vor dem Amt sondern, weil in seinem Fall ja weitestgehend nichts von Wert passiert ist. Alle oppositionellen bzw. auch Regierungspolitiker sind nun froh, dass sie eine Zielscheibe haben, welche von dem eigenen Versagen ablenkt.

  • R
    Robin

    Bla Bla Bla ! Der TAZ fällt auch längst nichts mehr ein, also schreibt sie über das was die Anderen schreiben.Was BILD oder die rosarote TAZ schreiben ist doch eh kalter Kaffee. Wulff war schon erlegt als er das dritte Mal zur Wahl stand. Dank des aufmerksamen Rotkäppchens. Jetzt muss er nur noch entsorgt werden.

  • Z
    zweifler

    cooler Beitrag - danke

  • HD
    Hans Dieter Schmidt

    Mit der Bild Zeitung fährt man den Fahstuhl hinauf und auch wieder herunter.

    Alte Lebensregel

  • R
    rassloff

    Recht- oder Zitationsfehler und Absatz in: „selten nur wegen einer Affäe an sich.

     

    In der Regel stürzen sie darüber, wie sie mit der Affäre umgehen“

  • ML
    Martina Lippmann

    Ich finde den Abwasch zu groß, auch sehe ich nicht das Amt beschädigt, das Amt des deutschen Bundespräsidenten kann man nicht beschädigen.

    Ich denke, daß Herr Wulff ein sehr gefördertes Kind war was sich jetzt an seiner Repräsentation des Landes sehr auszahlt.

    Vielleicht bekommen wir zukünftig mehr davon.

    Und ich denke, das ist es was zählt.

  • T
    TOM

    Jedem normal denkenden Mitbürger war doch von vorein klar das das der falsche ist, ungeeignet für dieses Amt.

    Aber die Trulla aus Meckpom wollte ih ja mit aller Macht. Deshalb sollten sie geschlossen abtreten. Die absolute Verantwortung liegt bei der Merkel!!

  • B
    bauda

    "Das eher symbolische, aber deshalb gerade auf Unabhängigkeit und Integrität angewiesene Amt des Bundespräsidenten hatte und hat das nicht nötig..."

    Ihr seid so niedlich in eurem festen Glaube an die Richtigkeit eines Systems, in dem immer scheinbar Falsche es in höchste Ämter schaffen.

    Guter Artikel, aber wie fast immer bleibt ihr fest an der Seite der Bourgeoisie. Schade eigentlich.

    Schöne Grüße

    Gerd Bauder

  • V
    vic

    So ist das eben.

    Wen Bild ins Amt schreibt, kann Bild auch stürzen.

    Bild hat`s gegeben- Bild wird`s nehmen.