Sport und fossile Industrie: Grüne Prosa
Klimaschutz bei der Formel 1? Der Sport präsentiert sich gern als umweltbewusst und wirbt zugleich massiv für fossile Energieunternehmen.
Wird jetzt auch der Motorsport bio? Das könnte man fast glauben, wenn man den Pressemitteilungen von entsprechenden Interessenverbänden folgt. „Klimaschutz im Automobilsport“, so war dieser Tage eine Meldung überschrieben. Konkret ging es darum, dass der Rennstall eines ehemaligen Fußballprofis namens „Max Kruse Racing Team“ künftig mit Benzin auf dem Nürburgring fahren wird, dessen Biokraftstoffanteil bei 20 Prozent liegt. In der Formel 1 heizen die Rennboliden seit 2022 mit einer 10-prozentiger Bioethanolbeimischung um die Kurven.
Wobei die Formel 1 gar noch deutlich ehrgeizigere Ziele hinausposaunt hat. Bis 2030 wolle man klimaneutral werden, heißt es. Bei Greenpeace hält man das für Etikettenschwindel. Vom Greenwashing ist die Rede. Für die schlechte Klimabilanz der weltweiten Rennserie seien nicht vornehmlich die Rennautos ursächlich, sondern der hohe Reiseaufwand, die damit verbundene Logistik, das anreisende Publikum und vieles mehr.
Von vermeintlicher Klimaneutralität wird im Sport gern geredet. Die Fifa erhielt von der schweizerischen Lauterkeitskommission eine Rüge, weil sie die Fußball-WM 2022 in Katar als klimaneutral labelte.
Unterdessen ist das Wirken der großen Sportorganisationen ohne ihr enges Bündnis mit Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie, die den Klimawandel kräftig antreiben, kaum noch vorstellbar. Eine Studie des New Weather Institute (NWI) vom vergangenen Herbst führt dies deutlich vor Augen. Von mindestens 5,6 Milliarden Dollar ist die Rede, welche die fossilen Unternehmen für Sportsponsoring ausgeben würden, um sich als gemeinnütziges Unternehmen profilieren zu können. Es sei sogar von höheren Summen auszugehen, weil es vielen Verträgen an Transparenz fehlen würde.
Im Wahlkampf spielt die Klimakrise keine große Rolle. Dabei schreitet die Erderhitzung weiter voran. Die taz schaut in dieser Woche dahin, wo es brennt. Alle Texte zum Thema finden Sie hier.
Einnahmen in Milliardenhöhe
Die Unternehmen, hält der Bericht fest, würden versuchen, „ihr Produkt, dessen Luftverschmutzung schätzungsweise mehr als 5 Millionen Menschen pro Jahr das Leben kostet, mit dem immensen sozialen Kapital des Sports und seinen positiven Auswirkungen auf die Gesundheit in Verbindung zu bringen“.
Allein der Fußball profitiert mit knapp einer Milliarde US-Dollar an solchen Sponsorenverträgen. Der Motorsport wird gar mit 2,2 Milliarden US-Dollar von der fossilen Industrie bezuschusst. Und in all diesen Zahlen sind noch nicht einmal die Ausgaben eingespeist, die etwa Saudi-Arabien oder Katar für den Erwerb von großen Sportveranstaltungen und die Errichtung von Sportinfrastruktur aus staatlichen Fonds investiert, die aus dem Gas- und Erdölgeschäft gefüttert werden. Im April 2024, als die Vergabe der WM nach Saudi-Arabien de facto schon feststand, wurde der staatliche saudische Erdölkonzern Aramco als Sponsor der Fifa vorgestellt. Und Fifa-Chef Gianni Infantino sagte: „Mit dieser Partnerschaft kann die Fifa ihre wichtigsten Turniere in den nächsten vier Jahren erfolgreich durchführen und ihre 211 Mitgliedsverbände rund um die Welt noch besser unterstützen.“
Aramco ist laut der Studie der größte Sponsor im Weltsport mit jährlichen Ausgaben von gut 314 Millionen Euro (vornehmlich für die Formel 1 und Fußball) gefolgt vom Chemieunternehmen Ineos, das jährlich 113 Millionen Euro ausgibt, um mit Sportlerinnen und Sportlern für sich zu werben.
Individuelle Verträge mit Sportstars wie Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Tyson Fury oder Anthony Joshua werden von der Studie New Weather Institute als ergänzende Strategie der fossilen Profiteure ausgemacht, sich ein besseres Image zu erkaufen.
Große Sportverbände wie das Internationale Olympische Komitee oder die Fifa haben in den vergangenen Jahren viel Prosa zum Thema Nachhaltigkeit aufs Papier gebracht. Die Autoren der Studie haben einen anderen Vorschlag. Sie erinnern an UNO-Generalsekretär António Guterres, der angesichts des so rasch voranschreitenden Klimawandels die Idee ins Spiel gebracht hat, „die Werbung von Unternehmen für fossile Brennstoffe zu verbieten“. Und sie empfehlen den Akteuren des Sports, sich aktiv um nachhaltigere Finanzierungsquellen zu bemühen.
Zu den Hauptunterstützern bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 zählten die Fluggesellschaft Air France und der Autohersteller Toyota. Andererseits gaben die Veranstalter stolz bekannt, die CO₂-Emissionen um beispiellose 54,6 Prozent reduziert zu haben. Nachhaltigkeitsrekorde vermelden und zugleich für den Flugverkehr zu werben, das ist bei großen Sportveranstaltungen kein Problem. Ebenso wenig wie Klimaschutz im Autosport.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!