Sport im US-Wahlkampf: Schein und Wirklichkeit
Der jüngste Sieg der Los Angeles Dodgers in der World Series könnte für Donald Trump kein gutes Omen sein. Dabei verbindet den Republikaner viel mit Baseball. Angeblich.
Wenig überraschend reagierten nur die Anhänger von Kamala Harris positiv auf Rakichs Tweet. Trump dürfte ihn dagegen sehr verstimmt aufgenommen haben, er gilt schließlich nicht nur als großer Baseballfan, sondern wäre in seiner Jugend auch fast Profi geworden. In einem Beitrag für das 2004 erschienene Buch „The Games Do Count: America’s Best and Brightest on the Power of Sports“ des Fox News-Moderators Brian Kilmeade hatte Trump als einer von mehr als 80 Prominenten über sein Verhältnis zum Sport geschrieben.
Eigentlich sollte er, so betonte er, Profi-Baseballspieler werden: „Ich war Kapitän des Baseballteams an der New Yorker Militärakademie (NYMA).“ Er habe genauso hart wie alle anderen trainiert, „aber ich hatte großes Talent!“ Trump erinnert sich in seinem Text auch an „das erste Mal, als ich meinen Namen in der Zeitung las“. 1964 sei das gewesen, in seinem letzten Jahr an der NYMA. Damals habe er in einem Spiel gegen die Cornwall Highschool den entscheidenden Homerun geschlagen. Die damalige Überschrift in der Lokalzeitung, deren Namen Trump nicht nannte, habe: „Trump schlägt Homerun und gewinnt das Spiel“ gelautet. Für ihn sei das „einfach toll gewesen“ und „eigentlich sogar besser, als das Match zu gewinnen“.
Nun ist Trump aber nicht unbedingt für seine Liebe zu Fakten und Wahrheiten bekannt, erst recht nicht, wenn es um eigene Lebensleistungen geht. Entsprechend fanden sich im Lauf der Zeit auch immer wieder Journalisten, die versuchten, die Baseballkarriere des Mannes nachzurecherchieren. Einfach ist das wohl nicht, denn seine damaligen Trainer sind mittlerweile verstorben. Die Erinnerungen von Mitschülern sind außerdem häufig von ihren politischen Ansichten geprägt. Einer, der in Interviews regelmäßig über Trumps großartige Leistungen als Pitcher sprach, hatte beispielsweise nie mit ihm im College-Team gespielt.
Faktencheck ins Leere
Der Sportjournalist Leander Schaerlaeckens war bereits 2020 in einem Artikel für Slate.com zu dem Schluss gekommen, dass Trumps Baseballerinnerungen nicht sehr zutreffend sind. In den Archiven der einzigen beiden Lokalzeitungen, die regelmäßig über den Collegesport an der NYMA berichteten, fand er keinen Artikel mit der von Trump im Buch so begeistert zitierten Überschrift. Aber das ist noch nicht alles: Trumps Team spielte in der gesamten Saison 1964 kein einziges Mal gegen die Cornwall Highschool, wie übrigens im Jahr zuvor auch nicht.
Eine vom späteren Präsidenten gern erzählte Anekdote über das Ende seiner Profi-Ambitionen entspricht wohl auch nicht den Tatsachen: Trump schrieb, dass ein gemeinsam mit einem anderen Spieler namens Willie McCovey absolviertes Probetraining ihn davon überzeugte, dass die Immobilienbranche wohl doch die geeignetere Jobalternative für ihn sei. Willie McCovey gehört bis heute zu den Baseballlegenden.
Der im direkten Vergleich deutlich schlechtere Spieler als der spätere Hall of Famer gewesen zu sein, dürfte selbst für einen ausgewiesenen Egomanen wie Trump keine Schande gewesen sein. Allerdings kann die sportliche Begegnung der beiden Männer nicht stattgefunden haben: McCovey spielte damals bereits als First Baseman in der Major League Baseball, seine aktive Karriere dauerte von 1959 bis 1980.
Keith Law, ehemals Manager bei den Toronto Blue Jays
Immerhin, ein NYMA-Trainer namens Theodore Dobias erinnerte sich sehr positiv an den jungen Baseballspieler Donald J. Trump und wurde von ihm 2016 kurz vor seinem Tod im Alter von 98 noch genötigt, an einer Telefonkonferenz mit einem Journalisten teilzunehmen. Dobias zufolge beobachteten Talentscouts der Boston Red Sox und der Phillies ihn. Die Erinnerungen des Coaches erwiesen sich jedoch als nicht ganz valide, denn das Team, in dem Trump spielte, wurde von ihm nicht betreut. Baseballexperten halten es überdies für ausgeschlossen, dass sich die Späher der großen Vereine für Athleten einer kleinen Bildungsanstalt interessierten, ehemaligen Mitschülern sind niemals Scouts aufgefallen. Dazu kommt, dass sich in den Archiven der beiden Vereine keine Hinweise auf Trump finden.
Lächerliche Statistiken
Außerdem sprechen die Statistiken des Spielers Trump nicht für ihn. Keith Law, ehemals Manager bei den Toronto Blue Jays, sagte gegenüber dem Journalisten Lyndon Suvanto, eine Profikarriere sei ausgeschlossen gewesen, „undenkbar, lächerlich. Er schlug durchschnittlich.138, er konnte einfach nicht treffen, das steht mal fest.“
Eine Schulfreundin erinnerte sich vor einigen Jahren in der New York Daily News an einen viele Jahrzehnte zurückliegenden Spaziergang mit ihrem damaligen Klassenkameraden. Trump forderte sie auf zu erzählen, wie sie eines seiner besten Spiele erlebt habe. Die junge Frau rekapitulierte daraufhin den Verlauf des Matches: drei Punkte lag NYMA damals zurück, aber Trump gelang ein mäßiger Schlag, den immerhin weder „der dritte Baseman noch der linke Feldspieler rechtzeitig erreichen konnten.
Alle vier unserer Runs waren drin, und wir gewannen“. Diese Sicht der Dinge machte den derzeitigen Präsidentschaftskandidaten leicht ungehalten, er bestand darauf, dass er den Ball bei diesem Spiel „aus dem Stadion geschlagen“ habe. Was, wie so vieles, nicht den Tatsachen entsprechen kann, denn das Match hatte bloß auf dem Trainingsplatz stattgefunden.
Und nun zum Fotball
Nach der NYMA besuchte Trump die Fordham University und die Universität von Pennsylvania. Baseball spielte er dort nicht. Immerhin, ein Baseballfan ist er wirklich, in den vergangenen Jahrzehnten versuchte er immer wieder, ein Profi-Team zu kaufen. Er schaffte es nie, was vielleicht ein großes Glück für die Sportart war, denn seine Bemühungen, Besitzer eines NFL-Teams zu werden, endeten mit der Pleite einer kleineren Liga.
1983 hatte er nach mehreren erfolglosen Versuchen, ein großes Team zu erwerben, die „New Jersey Generals“ gekauft, die in der US Football League (USFL) spielten. Mit viel Geld versuchte er zunächst, die besten Collegespieler sowie beliebte NFL-Profis zu verpflichten. Und blieb dabei seinem Geschäftsstil treu: Die vorgegebenen Gehaltsgrenzen der USFL ignorierte er einfach, dazu verhandelte er nicht etwa diskret mit NFL-Spielern, sondern leakte sämtliche Details noch während geheimer Gespräche an die Boulevardpresse. Zeitgleich war sein eigentliches Ziel weiterhin die NFL, deren Funktionäre er bei geschäftlichen Treffen allerdings derart überheblich und selbstverliebt behandelte, dass der damalige Commissioner Leslie Schupak schließlich genug hatte und ihm mitteilte: „Solange ich oder meine Erben mit der Liga zu tun haben, werden Sie niemals Besitzer eines NFL-Teams.“
Trump sann umgehend auf Rache. Wie er es schaffte, die USFL-Besitzer dazu zu bringen, 1986 seinen Plänen für eine direkte Konfrontation mit der NFL zu stimmen, ist unklar. Eigentlich hätte den Geschäftsleuten klar sein müssen, warum die USFL überhaupt erfolgreich war: Sie trug ihre Spiele im Frühjahr während der Pause von NFL und College-Football aus und durfte dann vertraglich geregelt die Spielstätten der großen Konkurrenz nutzen. Aber Trump lockte großmäulig mit einer Klage der Liga wegen des Antitrust-Gesetzes, die auf jeden Fall erfolgreich sein werde und Milliarden in die Kassen der Vereinsbesitzer spülen werde. Im Prinzip, so Trump, werde die NFL nach dem Urteil pleite sein und dann gehöre sie der USFL.
Drei Dollar und eine Pleite
Tatsächlich wurden die USFL-Spieltermine geändert und Klage eingereicht, weil die NFL sich weigerte, ihre Stadien zur Verfügung zu stellen und Fernsehsender lieber die Matches der großen Liga übertrugen. Alten Zeitungsberichten zufolge machte der Immobilienmillionär während des Prozesses keinen guten Eindruck auf die Jury, eine Jurorin sagte später, er habe arrogant und durchtrieben gewirkt.
Am Ende wurde die NFL tatsächlich verurteilt, allerdings nur zu einem Schadenersatz in Höhe von drei (tatsächlich: drei) Dollar. Die finanzielle Schieflage der USFL sei, so das Gericht, von der USFL durch die eigenmächtigen Spielplanänderungen selbst verschuldet worden. Die Liga ging danach pleite, Trump verlor 22 Millionen Dollar.
Dass Trump wohl kein großes Baseballtalent war, hinderte ihn übrigens im März 2023 nicht daran, unsportlich mit einem Schläger zu posieren – im Rahmen eines mehrteiligen Wutanfalls auf Social Media anläßlich der Anklageerhebung gegen ihn wegen der Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels; da hatte er in einer Fotomontage mit dem Baseball-Bat auf den Kopf des zuständigen New Yorker Distriktstaatsanwalts Alvin Bragg gezielt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!