Spekulation mit Nahrungsmitteln: Wetten auf Essen
Die Allianz steigert ihre Gewinne auch mit Agrarspekulationen. Kunden in Deutschland verwetteten über 11,6 Milliarden Euro in diesem Bereich.
Ihren Aktionären konnte die Allianz am Dienstag auf ihrer Hauptversammlung in der Münchner Olympiahalle satte Gewinne vermelden: Der Versicherungskonzern steigerte den Überschuss im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr um ein Viertel auf 1,7 Milliarden Euro.
Nicht alle sind jedoch mit der Art einverstanden, wie die Allianz derartige Gewinne erzielt. Gemeinsam mit den Kritischen Aktionären hat die Entwicklungsorganisation Oxfam einen Antrag auf Nichtentlastung des Vorstands eingereicht. Begründung: fortgesetzte Spekulation mit Nahrungsmitteln.
„Nahrungsmittelspekulation erhöht die Gefahr von Preisschwankungen und Hunger“, erklärte Oxfam-Experte David Hachfeld. Im Sommer 2012 seien die Preise für Weizen und Mais zum dritten Mal in fünf Jahren förmlich explodiert. „Unserer Meinung nach würde ein deutlich vorsichtigerer Umgang mit den Risiken deutlich besser zur Allianz passen“, so Hachfeld.
Allianz-Vorstandschef Michael Diekmann hielt dagegen: Bauern und Rohstoffkäufer sicherten sich über die Terminmärkte gegen für sie jeweils nachteilige Preise ab. Die Allianz kümmere sich darum, dass beide Seiten zu Liquidität und preiswerten Terminkontrakten kämen.
Schnelle Kursgewinne
Dadurch sorge sie gerade nicht für steigende Preise. Unterstützung erhielt Diekmann einmal mehr durch einen Beitrag des Hallenser Wirtschaftsethikers Ingo Pies in der Süddeutschen Zeitung: Die Lebensmittelfonds könnten tendenziell zur Stabilisierung der Preise beitragen, denn sie versorgten „den Markt auch in schwierigen Zeiten mit Liquidität, wenn traditionelle Marktteilnehmer eher zurückhaltend sind, Preisrisiken zu übernehmen“.
Auf den Terminbörsen werden Verträge über die Lieferung bestimmter Produkte zu vorab vereinbarten Preisen gehandelt. Viele Investoren sind jedoch nicht an der Auslieferung von Weizen oder Rindfleisch interessiert, sondern nur an schnellen Kursgewinnen.
Hachfeld verwies auf wissenschaftliche Studien, die den Zusammenhang von Nahrungsmittelspekulation und Hunger belegten. Zwar normalisieren sich die Preise später oft wieder, doch auch zeitlich begrenzte Preisspitzen genügen, um Hungerkrisen auszulösen.
Neuen Berechnungen von Oxfam zufolge haben deutsche Finanzkonzerne 2012 allein durch die Verwaltung von Nahrungsmittel-Spekulationsfonds mindestens 116 Millionen Euro eingenommen, davon allein die Allianz 62 Millionen Euro.
Riskante Wetten auf Agrarpreise
Insgesamt legten Kunden deutscher Geldhäuser demnach über 11,6 Milliarden in riskanten Wetten auf die Preise von Agrarrohstoffen an. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat forderte unterdessen die Bundesregierung auf, dem „tödlichen Geschäft mit dem Hunger“ einen Riegel vorzuschieben.
Es reiche nicht, mehr Markttransparenz zu fordern. „Wir brauchen einen Ausschluss der Zocker von den Agrarbörsen, strikte Positionslimits und ein Ende des außerbörslichen Handels“, so der Entwicklungspolitiker.
Leser*innenkommentare
Frank Jermann
In diesem Artikel wurde auf die Pro-Spekulationsthesen des Herrn Pies hingewiesen. Bis heute habe ich in der taz noch nichts zur Studie über die Studie von Herrn Bass gelesen. Schade.
http://occupy-occupy.de/2013/11/22/grosse-dinge/
Frank Jermann
Ingo Pies hat sich in seiner Arbeit vom September 2012 manches Geschrieben, was — vorsichtig ausgedrückt — den Verdacht einer gewissen Oberflächlichkeit nährt. Wenn sich die Allianz seiner bedient, so entsteht bei mir der Eindruck, dass man bessere „Argumente“ nicht hat. [mehr zu Ingo Pies' Standpunkt: http://occupy-occupy.de/2012/09/09/ingo-pies-der-spekulations-alarm-ist-ein-fehlalarm/]
Dass Oxfam das Thema öffentlichkeitswirksam am Laufen hält, ist zu begrüssen. Wenn ich dann allerdings von eben jenem Oxfam auf der anderen Seite das Scheitern der NGO-Allianz auf europäischer Ebene erfahren muss, sie gleichzeitig aber eine nationale gesetzliche Initiative ablehnen, dann Frage ich mich, ob so eine realistische Strategie aussieht. [Quellen und Kommentar: http://occupy-occupy.de/2013/07/31/auf-keinen-fall/]
-fj
Die Lobby lacht.
friedbert
Gast
@Ökobrauerbraut
Im Zeitalter des Internets und der gut
erschlossenen Fluginfrastruktur ist es ein
leichtes sich über Preise zu erkundigen
und die Produzenten Vorort auf Herz und Nieren
zu prüfen (Umweltstandards, Gesundheitsstandards,
verwendete Anbausorten, Vorortverhältnisse,
politische Stabilität, Naturschutz, Giftrückstände).
Neulich habe ich einen Film über schweizerische
Schokoladenproduzenten gesehen, die
ihre Kakaobohnen von speziell ausgewählten Bauern
beziehen. Verbunden mit einer straffen
Lebensmittelüberwachung in der Schweiz, die auf
wirklich alle!! bekannten Gifte untersucht,
könnte man hierbei von einer Form Direktmarkt
sprechen. Die Produktionsstätten der bäuerlichen
Betriebe sind dann quasi die Messegelände
für die Weiterverarbeiter. Außerdem bleibt
auch noch der Großhandel, der qualitätvolle
Ware auch ein wenig länger bevorraten kann.
Die Börse ist ein Wirtschaftsinstrument unter
vielen. Keine Firma sollte gezwungen
sein über das Internet oder die Börse
Handel treiben ZU MÜSSEN. Es ist ein
Angebot, das man zu festgelegten Konditionen
auch wieder kündigen dürfen soll und keine
fundamentalistische Weltreligion!
Die Börsen unterminieren tendenziell zu sehr
die wertschöpfende Lohnarbeit und setzen
sie unter globalisierten Wettbewerb.
Dabei herrscht eine zu starke Assymmetrie
zwischen Gelderwirtschaftsprivilegien der reichen
Anleger und der Arbeitstätigen, die nicht in
geschützen Wirtschaftssphären, mit direkter
oder indirekter Abhängikeit vom Staat oder Großkapitalgebern, agieren können.
friedbert
Gast
@Ökobrauerbraut
"...Ende März 2013 ist das Basisinteressenausgleichsniveau für Mais um mehr als 10% gefallen, hätten sie das verbieten wollen???..."
Ja das hätte ich verhindern wollen, falls nicht das
Preisniveau durch Lebensmittelknappheit sehr
hoch gewesen wäre!
Ich hätte lediglich alles was über 10% Wertverlust
anfiele, den Getreideverkäufern zu Lasten der Käufer
erstattet. Es geht nicht das ein dritter
dieser Risiken versucht abzufedern, weil dadurch
die Gefahr der immer größeren Aufblähungen von
Schulden und Gewinnen immer stärker anwächst.
10% Maximalrendite für den einen, wie für den anderen
Marktteilnehmer ist genug!
(
Gegenwärtig errichtet man eine unendliche
Gläubigerkette die sich im Unendlichen auflösen möge.
direkte, pragmatische sofortige Bereinigungslösungen
müssen her. Nach aller Erfahrung tut es das aber erst, wenn Kriege ausbrechen und Gläubiger oder
Schuldner auf irgendeine Weise umgebracht werden.
Das war auch der wahre Auslöser für den 2. Weltkrieg.
Heute sollen die Menschen durch Umweltgifte, Krebs,
Leiharbeit, Abgabe ihrer Freiheitsrechte,
Wasserverseuchungen infolge Frackings, Kinderlosigkeit, Terror, partieller Aufhebung
demokratischer Bürgerrechte dafür bezahlen.
-durch klare mittelfristige(bezogen auf Lebensmittel) Kontrakte von
mindestens 3 Monaten Laufzeit
-durch ein börsliches Marktmanagement,
das durch Marktteilnehmerbindungsfristen
einer Marktkontrolle durch zu wenige
"Herdenlenker" vorbeugt, aber auch zuviele
Marktteilnehmer mit übertriebenen Renditeerwartungen
außen vorläßt, weil der Gewinnkuchen sich eben nicht
beliebig teilen läßt )
-bei Direktmärkten fallen natürlich auch Frachtversicherungen mit an, die fallen aber
eh immer mit an, sobald ECHTER Handel stattfindet.
- Kurzum, an den Börsen sollen sich die Spekulanten
meinetwegen austoben dürfen, doch halt nur so das
sich unterschiedliche Spekulantenkreise
sich ausschließlich gegenseitig das Geld
aus der Tasche ziehen sollen (nicht vom Produzenten,
nicht vom Konsumenten), sobald ein die Produzenten
oder Konsumenten Wertverluste von mehr als 10%
zu verkraften haben, weil dann z.B. eine
Kapitalaufstockung von den Aktionären verlangt wird.
Das System soll dynamisch bleiben, aber berechenbar sein doch keinen unkalkulierbar chaotischen Charakter bekommen. Ein globales Lebensmittelsystem
muss Stabilität aufweisen und Investitionssicherheit
auf allen Konsumenten -und Produzentenskalen aufweisen!
Stefan Friemer
Gast
Protest gegen Nahrungsmittel-Spekulationen
Spekulanten profitieren vom Handel mit Nahrungsmitteln, während die Zahl der Hungernden weltweit steigt! Die Initiative handle-fair.de protestiert dagegen!
Ökobrauerbraut
Gast
@friedbert:
Sicher meint es die LINKE gut.
Aber es funktioniert einfach nicht!
Wie wollen sie den erreichen das ein "Finanzprodukt seine volkswirtschaftliche
Sicherungsfunktion noch seriös ausfüllt", in dem ein Finanzbeamter den Preis alle 2 Tage festlegt?
Meinen Sie so kann mit der notwendigen Geschwindigkeit reagiert werden?
Basisinteressenausgleichsniveau ist übrigens ein sehr schöner Begriff für den Preis.
Sehr lesenswert:
http://www.misesde.org/?p=4947
Ende März 2013 ist das Basisinteressenausgleichsniveau für Mais um mehr als 10% gefallen, hätten sie das verbieten wollen???
Und selbst mit Direktvermarktung müßte man Transportversicherungen usw. zu zahlen...Wer transportiert den bitte schön 1000 Tonnen Mais quer über den Atlantik... einfach mal so??
Bei Direktvermarktung hätten sie auch keine Ahnung mehr ob sie ihr Gegenüber über den Tisch zieht. Weil es ja keine Börse (Marktplatz) mehr gibt an der man sich über das Basisinteressenausgleichsniveau der anderen Markteilnehmer informieren könnte.
Grüße
Ökobrauerbraut
Name
Gast
Kann sich nicht mal ein undercover agent die "Allianz", schöner Name im übrigen, genauer ansehen?
Sie ist ein tolles Beispiel dafür, womit die Deutschen ihr Geld machen und warum sie so "gut" dastehen.
Warum werden die Praktiken der Allianz so geschont?
Hat Angela da auch ihre Händchen im Spiel?
friedbert
Gast
Die LINKE meint es gut und auch die Situationsanalyse
weist Qualitäten auf, aber die Lösungsansätze
sind schauderlich.
Ein Ende des außerbörslichen Handels von Lebensmitteln
halte ich für falsch. Denn es ist der Börsenwelthandel,
der die Produzenten(Kaffeebauern, Kakaobauern,
Reisbauern, Zuckerrohrbauern) so arm sein läßt,
dass nur deren Tyrannen und Lokalmagnaten gut verdienen, weil deren Finanzintegration und politischer
Rückhalt durch einen anonymen Börsenhandel ohne
echte Produzenten-und Weiterverarbeiter- und
Konsumentenkontrolle viel leichter zu bewerkstelligen
ist. Deswegen nimmt ja auch deren Reichtum nicht zu
und sind sie leicht von Gentechkonzernen gegeneinander ausspielbar und verführbar!!
Es muss letzlich sichergestellt werden,
dass Marktsysteme entstehen, die möglichst
zwischenhändlerfrei und realkostendeckend
und realwohlstandsfördernd sind- kurz:
ein fairer Interessenausgleich.
Die Allianz gibt sich hier als Risikoausgleichspuffer für Marktschwankungen.
Nun gut, mit Dividendenfunktion für Aktionäre.
Da wäre die Frage berechtigt, bis zu welcher
Risikoabsicherung der Bauern bzw. Weiterverarbeiter
bei welcher Gewinnausschüttung für Allianzanteilseigner und -Mitarbeiter das gesamte
Finanzprodukt seine volkswirtschaftliche
Sicherungsfunktion noch seriös ausfüllt!
Klar ist, dass ein unkalkulierbarer Lebensmittelpreisverlauf zum Sterben vieler
Bauernbetriebe führen wird. Deshalb sollten
Preisrisikenversicherungskonzerne gesetzlich
ab Preisverfällen bzw. Preisaufschlägen auf
Lebensmitteln von über 10% den Spekulationsmarkt
keine neuen Spekulationsgelder annehmen dürfen bis
das Basisinteressenausgleichsniveau von Produzent
und Nachfrager wiederhergestellt wird, bereinigt
von Spekulationsverzerrungen.
Außerbörsliche Märkte
für Lebensmittel müssen Direktmärkte zwischen
Produktionsgenossenschaften/ProduktionsgmbHs
und Weiterverarbeitern und deren Transaktionsbanken
ohne Zwischenhändler. Keine Lebenhandelsketten,
keine Fonds, keine Versicherungskonzerne,
doch mit vielen staatlichen Lebensmittelüberwachungen! Demokratie heißt
auch Emanzipation von diktatorischen Handelsplattformsystemen, aber im staatlich
überwachten Raum!!! Die Börse wird in ihrer
Komplexität vom Staat selber nicht mehr richtig
verstanden!
Ökobrauerbraut
Gast
Schon wieder nur Schwachsinn zu dem Thema...
Das "Ende des außerbörslichen Handels" würde die Börsen in eine Monopolstellung bringen.
Ein linker Politiker will uns an Unternehmen ausliefern, danke!?
Etwas mehr Hirn habe ich schon erwartet. Wenn sich dieser Herr mal die Mühe machen würde und sich z.B. den Markt für seltene Erden (REE´s) anschauen würde, müsste ihm eigentlich die Erleuchtung kommen.
Seit 2011 sind die Preise für REE´s ins bodenlose gefallen, weil jetzt soviel mit den Metallen spekuliert wird.
(Einfach zum heulen!)
Aber wie schizophren (nicht wertend nur deskriptiv gemeint!) muss man sein um 1-3 Börsenunternehmen diese Marktmacht in die Hand geben zu wollen! Für Nahrungsmittel? Und dann noch glauben das die Preise fallen!
Das haut mich weg, Ich brauch ein Pils (von der Tanke nicht von der Frankfurter Börse!)
Eure
Ökobrauerbraut