Spanischer Boykott gegen Fußballverband: Feministische Weltmeisterinnen
Die besten Fußballerinnen Spaniens boykottieren weiter das Nationalteam – ein beispielloser Kampf. Spieler:innen anderswo sollten genau hinschauen.
A m Anfang waren sie „Las 15“, mittlerweile sind sie „Las 39“: Die spanischen Spitzenspielerinnen, die sich weigern, für ihr Nationalteam anzutreten, darunter fast alle Weltmeisterinnen. #SeAcabó („Es ist vorbei“, auch zu lesen als „Schluss damit!“) lautet der Hashtag, unter dem am Freitag etwa Alexia Putellas, Mapi León, Jenni Hermoso oder Aitana Bonmatí ein gemeinsames Manifest der 39 posteten. Die Rücktritte von Luis Rubiales und Trainer Jorge Vilda nach dem Übergriff gegen Jenni Hermoso reichen ihnen nicht. Sie fordern neue Strukturen, null Toleranz gegenüber Sexismus, den Rücktritt des Verbandspräsidenten und die Neubesetzung diverser Gremien – darunter der Kommunikationsabteilung, die Jenni Hermoso Worte in den Mund gelegt haben soll.
Man muss sich die Kraft dessen erst einmal bewusst machen. 39 Spielerinnen, die sich mit zwei Personaländerungen nicht abspeisen lassen, die sich unter dem enormen Druck des Establishments in kaum bröckelnder Front auf ein gemeinsames Manifest einigen. Was für große Weltmeisterinnen das sind. Es handelt sich um einen der größten Sportboykotte der jüngeren Geschichte. Und er erinnert daran, dass es im Fußball der Frauen tatsächlich noch um mehr geht als bloß Fußball.
Stets hat der Verband RFEF seine Spielerinnen dabei unterschätzt. Rubiales glaubte, er könne Hermoso erpressen und sich selbst öffentlich zum Opfer machen; Vilda glaubte, er könne gegen die Kabine weiterregieren. Beide stürzten über ihre Arroganz. Der kommerzielle Erfolg der WM und der spanische Titelgewinn haben die Machtverhältnisse im Verband ins Wanken gebracht. Während des Turniers hieß es gern, ein spanischer Titel stärke doch nur diesen Verband. Irrtum: Erst der Pokal gab den 39 die Macht, für Wandel zu sorgen. „Wir glauben, dass der Moment gekommen ist, zu kämpfen und zu zeigen, dass diese Praktiken keinen Platz in unserem Fußball und unserer Gesellschaft haben“, schreiben die Spanierinnen.
Spieler:innen sollten genau hinschauen
Lange Zeit galten die US-Amerikanerinnen als strahlkräftigste feministische Kämpferinnen im Frauenfußball. Auch in der Hinsicht beginnt mit der WM eine neue Ära. Fragt sich nur: Wo ist das spanische Männernationalteam? Warum ist nur Borja Iglesias solidarisch zurückgetreten? Wieder einmal hat der Männerfußball nichts kapiert.
Spieler:innen in Deutschland und anderswo sollten genau hinschauen, was in Spanien passiert. Sie haben viel mehr Macht im Ringen um einen besseren Fußball, als sie denken. Es ist ein Jammer, dass sie diese kaum nutzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen