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Soziologin will Integration für Deutsche„Ich bekomme viele Hassmails“

Die Karlsruher Soziologin Annette Treibel fordert Integrationskurse auch für alteingesessene Deutsche. Der taz erklärt sie, warum.

Die Kinder der Migranten aus den 70ern werden heute noch immer gefragt, woher sie kommen und wann sie in „ihr Land“ zurückkehren Foto: dpa
Interview von Julia Lorenz

taz: Frau Treibel, was macht mich zu einer guten Deutschen?

Anette Treibel: Eine gute Deutsche wäre eine Person, die realisiert hat, dass wir längst ein Einwanderungsland sind. Und für die klar ist, dass Integration nur dann funktioniert, wenn alle sie zu ihrem Projekt machen.

Auf einer Fachtagung in Rostock haben Sie kürzlich gefordert, dass es Integrationskurse für alte und neue Deutsche – also für Biodeutsche und jene mit Migrationshintergrund – geben sollte. Wie kommen Sie auf die Idee?

Das Wissen darüber, wie sich die deutsche Gesellschaft verändert hat, ist in den Köpfen und Herzen vieler Menschen noch nicht angekommen – und damit meine ich keineswegs nur Pegida-DemonstrantInnen und AfD-WählerInnen. Was stellt man mit dieser gesellschaftlichen Übergangsphase an? Viele AkteurInnen, etwa in Verbänden, Organisationen oder Firmen, suchen neue Integrationsinstrumente, weil sie mit den alten Konzepten nicht weiterkommen.

Wie könnte so ein Kurs aussehen?

Ich will die Ideen weiterentwickeln, die in den sogenannten interkulturellen Trainings praktiziert werden. In solchen Workshops sollen alte Deutsche lernen, wie AfghanInnen, SyrerInnen oder IrakerInnen ticken. Genau das soll in meinen Kursen nicht passieren. Neue Deutsche sollen in diesen Veranstaltungen selbst AkteurInnen sein, weil sie selbst längst Einheimische sind. Keine Frage allerdings, dass das keine kuschelige Veranstaltung wird.

Im landläufigen Verständnis meint Integration die Einbeziehung von Menschen oder Gruppen, die bis dato aus der Gesellschaft ausgeschlossen waren. Welche Definition von Integration legen Sie Ihrer Forderung zugrunde?

Im Grunde erinnere ich mit meiner Idee an die Uraltdefinition von Integration aus der Soziologie, die etwas in Vergessenheit geraten ist: Dass Integration nicht nur Teilhabe und Eingliederung, sondern auch Zusammenhalt meint. Und, so widersprüchlich es klingt: Zusammenhalt in einer modernen Gesellschaft heißt auch, dass es in Ordnung ist, wenn man nebeneinanderher lebt. Nicht alle müssen sich lieben. Und nicht alle EinwanderInnen müssen mit allen Biodeutschen einverstanden sein und umgekehrt. Ich denke, viele AkteurInnen in der Integrationsarbeit sind überfordert, weil sie eben das erwarten. Es wird immer Punkte geben, an denen ich sage: Hier gelange ich mit meinem Verständnis an eine Grenze. Aber das ist okay. Sich unbedingt in den anderen hineinversetzen zu wollen, hilft bei der täglichen Interaktion nicht zwingend weiter.

Im Interview: Annette Treibel

lehrt Soziologie an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. 2015 erschien ihr Buch „Integriert Euch! Plädoyer für ein selbstbewusstes Einwanderungsland“ im Campus-Verlag.

Manchmal werden diese persönlichen Grenzen aber auch überschritten. Was sagen Sie Menschen, die etwa fordern, ein Muslim, der einer Frau nicht die Hand geben möchte, habe sich anzupassen oder das Land zu verlassen?

Ich würde fragen: Was an der Geste ist euch so wichtig? Der Handschlag ist ein Symbol des Kontakts, deshalb verstehe ich die Irritation, wenn er verweigert wird. Aber wenn ich alle, die sich nicht so verhalten, wie ich es für richtig halte, des Landes verweisen würde, hätte ich viel zu tun. Und da wären auch viele Biodeutsche dabei.

Wen würden Sie zuerst zum Integrationskurs schicken?

Zunächst mal soll der Kurs ein Vorschlag zur Wissensvermittlung und kein Sanktionsinstrument sein. Ich würde die sogenannten IntegrationsverweigerInnen ohne Migrationshintergrund einladen und ermuntern, nicht aber verdonnern.

Wer sich jetzt schon „fremd im eigenen Land“ fühlt, den wird die Idee, einen Integrationskurs zu besuchen, wütend machen. Wie wollen Sie diese Menschen überzeugen?

Seit ich auf der Tagung den Vorschlag geäußert habe, bekomme ich viele Hassmails. Die VerfasserInnen dieser Mails – übrigens zu 95 Prozent männlich – oder hartgesottene RassistInnen kann ich mir in einem Integrationskurs nicht vorstellen. Die Ablehnung und die wütenden Reaktionen habe ich erwartet, aber nicht in diesem Ausmaß. Mir ist auch klar, dass PolitikerInnen wie Alexander Gauland oder Frauke Petry vermutlich nicht kommen würden, und wenn doch, dann nur, um Munition für ihre Tiraden zu sammeln. HauptadressatInnen der Kurse sind alle, die Informationsbedarf verspüren. Ich will niemanden bevormunden, sondern aufklären und dazu einladen, sich gemeinsam das veränderte Deutschland anzuschauen.

Wo mangelt es den Biodeutschen an Integrationsfähigkeit?

Wenn Menschen, die seit Jahren hier leben – teilweise in dritter oder vierter Generation – wegen ihrer Hautfarbe gefragt werden, woher sie kommen und wann sie in „ihr Land“ zurückkehren.

Was sollten Menschen, die heute nach Deutschland kommen, über das Land und seine Gesellschaft wissen?

Eine Idee, Wissen über Deutschland zu vermitteln, ist ja etwa, Grundgesetze auf Arabisch oder in anderen Sprachen zu verteilen. Kann man machen, aber das reicht nicht. Der Blick der Neuankömmlinge auf Deutschland wird durch Kontakte erleichtert – zu HelferInnen, zu MitschülerInnen, zu KollegInnen. Für Neuankömmlinge könnte ein solcher Integrationskurs auch eine Kontaktbörse sein, ein Ort, an dem man beginnt, die Widersprüchlichkeiten der Gesellschaft kennenzulernen. Denn moderne Gesellschaften sind ja schon ohne Zuwanderer extrem divers. Ich kann mir vorstellen, dass das für traditioneller geprägte Menschen irritierend sein kann. Dem kann man nur mit Interaktion begegnen. Das Grundgesetz kann eine wichtige Quelle sein, um das Zusammenleben hier zu verstehen. Aber ich würde es auf keinen Fall einfach verteilen und sagen: Friss oder stirb!

In Einbürgerungstest wird viel Faktenwissen abgefragt. Ist das noch zeitgemäß?

Die Frage ist nahezu rhetorisch, bekanntermaßen scheitern ja auch alte Deutsche regelmäßig an diesen Tests. Das könnte zum Beispiel ein spielerisches Element in einem Integrationskurs für alle sein: über solche Testfragen zu debattieren und Vorschläge zu erarbeiten, welches Wissen über Deutschland zeitgemäß ist.

Im Moment sind es in erster Linie die neuen Rechten, die den Diskurs in der Migrationsdebatte bestimmen. Geflüchtete, der Islam – alles ist böse und bedrohlich. Die Linke läuft in der Debatte hinterher.

Ich finde, dass die liberalen Stimmen sich stärker in den Diskurs einmischen sollten. Stramme Linke haben ja oft ein Problem damit, anzuerkennen, dass in Deutschland nicht alles schlimm ist. Und dass es okay ist, über Deutschsein und Deutschwerden zu sprechen. Diese Hemmungen erklären, dass sich die Linke oft nur in Reaktion auf rechte Provokationen zu Wort meldet.

Haben Sie eine Idee, wie wir die Diskussion über Einwanderung und Integration wieder weniger angstbelastet führen können?

Indem wir nicht nur reaktiv, sondern auch offensiv mit den Potenzialen des Zusammenlebens, aber auch mit Problemen umgehen. Wir dürfen nicht nur in Diskurse um Rassismus einsteigen, sondern sollten uns angewöhnen, auch Normalität zu thematisieren. Bio- und neue Deutsche schlagen sich ja nicht ständig die Köpfe ein, das gute Zusammenleben findet an vielen Stellen längst statt. Ich hätte mir in den letzten Jahren mehr langweilige Geschichten über Integrationserfolge gewünscht, als nur Berichte über „Ehrenmorde“. Es gibt einfach zu viel oberflächliches und skandalisiertes Wissen.

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46 Kommentare

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  • "Integrationskurse für alte und neue Deutsche". Meinentwegen. Aber Warum das ganze nur für "Deutsche" sein soll finde ich doch reichlich "biodeutsch".

  • Rechtsradikales Gedankengut ist auch unter Flüchtlingen weit verbreitet... Sollen wir etwa jetzt einen Wettberwerb machen und Studien vergleichen, wo es weiter verbreitet ist, unter Ostdeutschen oder Flüchtlingen?

    Oder sollten wir uns nicht lieber darauf einigen, dass es nie gut ist ganze Gruppen pauschal zu verurteilen?!

     

    Sie schreiben von "hunderten Gewalttaten in den NBL". Vorausgesetzt, dass diese alle von unterschiedlichen Personen begangen wurden sind das 0,0001% der Bevölkerung.

    Die NPD sitzt in keinem Landtag mehr. (Ja, in der AfD gibt es auch Rechtsextreme, aber insgesamt ist die Partei nicht rechtsEXTREM, und in der Minderheit ist sie sowieso)

    Sie betreiben also Panikmache, die kein Stück seriöser ist als das Gerede vom Untergang des Abendlandes.

     

    Fallen Ihnen die ganzen Parallelen denn nicht auf?

    Jetzt werfen Sie den Ostdeutschen sogar vor, dass sie zu wenig gegen rechte Gewalttaten demonstrieren. Genau so, wie die andere Seite Moslems vorwirft zu wenig gegen Islamismus zu demonstrieren, oder den Linken, nicht gegen linksradikale Gewalt zu demonstrieren.

    • @karlei:

      Das war @KABOOM 16:32

  • Wir schicken euch jetzt mal zum Kurs; Weiteres Öl ins Feuer der Rechtspopulisten.

    "Eigentlich müsste man, "..... könnt ich als Fazit ja noch verstehen, aber als Forderung... weit weg von der Realität.

  • Gedankenkontrolle muß sein. Aldous Huxleys schöne neue Welt hatte nicht umsonst den linken Feudalismus zum Vorbild.

  • Es geht viel einfacher: Lediglich wieder zurück auf los, also zurück in die Jahre vor der neoliberalen Transformation, der die Migrant*innen zuerst zu Opfern, da nunmehr auf dem Arbeitsmarkt überflüssig machte, dicht gefolgt von den White-Trash-Deutschen und ihrer Neidgesellschaft unterm Hartz-Damoklesschwert. Zurück auch zu den Zeiten, da Grüne, Linke und Alternative noch echten Basiskontakt zu den Milieus hatten, mit denen sie sich jetzt nur noch akademisch beschäftigen.

     

    Wer wirklich mal mit dem Kumpel aus der Türkei unter Tage gearbeitet hat, mit der Kollegin aus Portugal am Fließband stand, wer mit dem Bauingenieur aus Kamerun zusammen Planungen machte, wer auch übers Seminar hinaus Kontakte zu Kommilition*innen aus dem Iran oder Marokko hatte, braucht keine Intergrationskurse mehr.

     

    Wenn die Entzweiung unserer Gesellschaft wieder gekittet wird, ist mangelnde beiderseitige Intergration kein Thema mehr. Wer über 40% einer Gesellschaft marginalisiert, braucht sich nicht darüber zu wundern, dass die Opfer anfangen, sich gegenseitig zu zerfleischen wie die Ratten im Käfig. Nicht die Ratten sind schuldig, sondern diejenigen, die für den Zustand unserer Gesellschaft verantwortlich sind. Da hilft es nicht, korrekte Gesinnung wie eine Monstranz vor sich her zu tragen, an den Ursachen des Grundübels jedoch nichts zu ändern.

  • Das ist ein sympathischer Vorschlag, diese Kurse würden an der Situation in Deutschland aber nicht viel ändern. Es wäre ja eine theoretische Wissensvermittlung, die Menschen würden sich weiterhin fremd bleiben.

     

    Für die Transformation Deutschlands von einem Nationalstaat hin zu einem multikulturellen Staat muss man tiefer ansetzen.

     

    Ein solcher Ansatz wäre die Verpflichtung für alle Schüler eine Sprache der Einwanderer zu lernen. Alle Schulen sollten in internationale Schulen umgewandelt werden, ein Teil des Unterrichts sollte auf Türkisch, Arabisch, oder Russisch erfolgen. Das könnten zum Beispiel die Fächer Geographie und Geschichte sein. Der Spracherwerb sollte möglichst früh erfolgen, idealerweise schon im Kindergarten. Die Kindergärten sollten also auch in internationale Kindergärten umgestaltet werden, wo die Kinder von den Erziehern in der jeweiligen Fremdsprache angesprochen werden, um so die Fremdsprache spielerisch zu erlernen.

     

    Dadurch würde die Sprache der Einwanderer nicht mehr abgewertet. Sondern die Einwanderer hätten etwas wo sie in der Schule natürlicherweise kompetent sind, oder sogar besser als die Deutschen.

     

    Eine weitere ergänzende Maßnahme wären Familien-Partnerschaften. Je zwei Familien mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund täten sich zusammen. Die Kinder wären am Wochenende abwechselnd bei der einen oder bei der anderen Familie. Dadurch könnten die Kinder tiefgehende Kompetenzen und Einblicke in zwei Kulturen erhalten.

     

    Mit solchen Maßnahmen hätte man in 10 Jahren eine große Schicht von Menschen die sehr gut die Sprachen der Einwanderer sprechen könnten, und die umfassend zwischen Einwanderern und Alteingesessenen vermitteln könnten. In 20 Jahren würden arabische Flüchtlinge nicht mehr als fremd, sondern nur noch als arm und konservativ wahrgenommen.

    • @Eike:

      "Für die Transformation Deutschlands von einem Nationalstaat hin zu einem multikulturellen Staat muss man tiefer ansetzen"

       

      Wer oder was legitimiert Sie denn zu der Annahme, Deutschland müsse zu einem multikulturellen Staat umgewandelt werden ? Aus dem Deutschen Grundgesetz kann ich dies nicht ableiten. Das GG belässt die kulturelle Hoheit bei den Bundesländern. Glauben Sie doch bitte nicht, Sie würden nur in einem der deutschen Flächenländer eine politische Agenda entwickeln können, die Einheimische zum Erlernen der Sprachen der Immigranten, derzeit überwiegend, Polnisch, Russisch, Bulgarisch, Rumänisch und Arabisch, verpflichtet ?

    • 7G
      73176 (Profil gelöscht)
      @Eike:

      "In 20 Jahren (...)". Wie lange, glauben Sie denn, die Flüchtlinge in Deutschland bleiben werden?

  • 8G
    889 (Profil gelöscht)

    Es gibt längst verpflichtende Integrationskurse für alle Deutschen. Nennt sich Schule.

     

    Und damit ist auch klar, wo nicht aufgepasst hat, wer nun auf freiwillige Kursangebote einteufelt...

  • Dieses Interview ist Wahlkampfhilfe für die AfD vom Allerfeinsten.

     

    Der gute Deutsche verzichtet also auf seine grundgesetzliche Rolle als politischer Souverän und sieht endlich ein, dass die Macht nicht mehr vom Volke ausgeht. Er akzeptiert die ihm, von der Vorsitzenden der Einheitspartei, alternativlos auferlegten Aufgaben und nimmt freudig an den von ihm finanzierten Kursen teil, die ihn dazu befähigen und ermutigen.

     

    Wenn man nicht Teil des Experiments wäre, wäre es ja nur interessant und spannend zu beobachten wohin sich dieses Land entwickelt. Eine Mischung aus DDR 2.0, marktkonforme Demokratie, Kommunismus gepaart mit Neoliberalismus nach chinesischem Modell, amerikanische Plutokratie??

    • @karlei:

      Die Vorsitzende der Einheitspartei legt dem, seiner Rolle als Souverän entkleideten, Deutschen Aufgaben und Kurse auf?

      Nein. Hier hat eine einzelne Wissenschaftlerin auf einer Tagung j.w.d. ein Angebot von Kursen vorgeschlagen, mit dem Zweck, sich kennenzulernen.

       

      Ich befürchte ebenfalls, dass AfDler solche Vorschläge herauskramen und für ihre Propaganda ausschlachten werden. Phantasien wie die Ihre reihen sich da perfekt ein.

      • @Ruhig Blut:

        Leider ist es keine Phantasie. Merkel spricht selbst von der marktkonformen Demokratie und sie stellt ihre Politik als alternativlos dar. Wo gibt es denn noch eine echte Opposition in Politik und Medien die entscheidende Themen unserer Zeit betreffend? Bankenkrise, Eurokrise, Migrationskrise, EU-Krise. Was der Souverän, das Volk, besser die Bürger, wollen spielt keine Rolle mehr. Das gilt als störend, als schädlicher Populismus. Volksentscheide - lieber nicht, man kann dem Volk nicht trauen, es ist dumm, wenn nicht gar bösartig. Stattdessen muss die Politik nur "besser erklärt" werden, die Bürger müssen überzeugt werden.

         

        Wenn jetzt hier von "Integrationskursen für Deutsche" die Rede ist, wirkt das wie eine nahtlose Fortsetzung der Bevormundung.

         

        Wie im Interview richtig erwähnt fehlen die liberalen Stimmen in Medien und Politik. Wer setzt sich noch für die Freiheit, Bürgerrechte und Selbstbestimmung ein?

        Sobald der Bürger wahlberechtigt und der Schulpflicht entwachsen ist, ist er der Souverän. Er erteilt der Politik einen Auftrag, stellt Steuermittel dafür zur Verfügung, die er erarbeitet, und will ansonsten weitestgehend in Ruhe gelassen werden.

        Und jetzt überrascht es anscheinend viele, wenn der sich eh schon entmündigt fühlende Bürger, sich aufregt wenn ihm "Integrationskurse" angeboten werden sollen.

        Wenn es heißt er sei nur ein "guter Deutscher", wenn er realisiert, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist (gefragt wurde er aber nicht), und er nur ein guter Deutscher ist, wenn er sich am Projekt Integration beteiligt. Oder wenn er die EU gut findet: https://www.youtube.com/watch?v=vwp9QeJ_Wj4

        Das ist das postdemokratische Zeitalter.

        • @karlei:

          Bin teilweise Ihrer Meinung.

           

          Dass ein pauschales „Integrationskurse für alle“ die Gemüter hochkochen ließe, logisch. (Gleiches gilt für den „guten Deutschen“.) Gerade vor dem Hintergrund der von Ihnen beschriebenen Entmündigung, sei sie nun tatsächlich oder nur gefühlt neu. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass irgendein Politiker dämlich genug wäre, sich zu einer solchen Forderung zu versteigen.

           

          Was aber die Entmachtung betrifft, war das früher anders? Volksentscheide gabs noch nie, nicht zum NATO-Beitritt, der Wiederbewaffnung, Rüstungspolitik, Volkszählung, DDR-Anschluss. Aber Widerstand dagegen gab es immer.

          Und gleichzeitig gibt es heute, entgegen Merkels Diktum (und das der AfD), sehr wohl politische Alternativen. Sie werden nur nicht gewählt. Die Piraten, für mehr Transparenz und Basisdemokratie, sang- und klanglos abgeschmiert. Die Linke, gegen materielle Ungleichheit, Herrschaft von Großkonzernen & Banken und Kriegseinsätze, auf dem absteigenden Ast.

           

          Bei der Sache mit der EU gebe ich Ihnen schon recht. Und ich halte es auch für weder legitim noch sinnvoll, nicht-mainstreamkompatible Meinungen und Sorgen (gerade der, nunja, „einfachen“ Gemüter) erklärungslos abzuschmettern, pauschal zu verurteilen oder lächerlich zu machen. Das gilt für andere Themen genauso.

          Aber bei den Flüchtlingen? Leute die hierherkommen, weil sie zu Hause schlicht verrecken, oder in einem Elend leben, das maßgeblich zu unserem Wohlstand beiträgt? Ausgerechnet da plötzlich politische Zugeständnisse an Leute machen, die sich als Alleinvertreter „des Volks“ begreifen, keine Nichtdeutschen mögen und rechte Böslinge wählen? Ne, echt nicht.

          • @Ruhig Blut:

            Sicher gab es auch früher schon keine Volksentscheide, aber wir sprechen hier ja über einen so tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel, der in seiner Dimension oft mit der Wiedervereinigung verglichen wird. Da war die Ausgangslage ganz anders. Es gab nicht diesen breiten Widerstand und Unmut in der Gesellschaft, und außerdem war die Wiedervereinigung von Beginn an Ziel der westdeutschen Politik.

             

            Dahingegen hat sich Deutschland nie als Einwanderungsland verstanden, sondern als klassischer Nationalstaat.

            Einwanderungsländer wie die USA, Kanada oder Australien sind dies seit ihrem Bestehen. Sie sind auch dünnbesiedelte Flächenländer ohne einen stark ausgebauten Sozialstaat.

            Trotzdem hat keines dieser Länder Flüchtlinge in auch nur ansatzweise vergleichbarem Umfang aufgenommen wie Deutschland. Auch in Europa steht Deutschland ziemlich alleine da.

             

            Ich bin es wirklich leid... Die Vertreter der alternativlosen Flüchtlingspolitik (auch Sie und der sog. Mainstream) behaupten immer die Kritiker hätten keine Argumente, sie wollten nicht diskutieren, sondern nur hetzen und die Gesellschaft spalten.

            Ich sehe es genau anders herum. SIE teilen die Welt in Gut und Böse ein, argumentieren nur moralisch und verurteilen Menschen, die Ihre Moral und Meinung nicht teilen, auch wenn diese gute Argumente dafür haben.

            Aber gut, Sie erbarmen sich ja, und wollen die Meinungen und Sorgen der "einfachen Gemüter" (was auch sonst, wenn sie nicht Ihrer Meinung sind)) nicht mehr erklärungslos abschmettern. Sehr gnädig. Was machen Sie dann? Zugeständnisse ja nicht. Also Therapie? (Integrations)kurse?

            Da schließt sich der Kreis.

            • @karlei:

              Mal langsam.

              Gemäß der im 19. Jhd. entstandenen Nationalidee ist Deutschland kein Einwanderungsgebiet wie etwa Nordamerika. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es schon immer Ein- und Durchwanderungsland war. In der BRD gings sofort weiter mit zig Millionen Flüchtlingen, dann Gastarbeiter, dann Aussiedler, dann EU-Migranten. Plus dem restlichen Zuzug zwischendurch. Wieviele Leute haben heute einen, nach dem Krieg entstandenen, Migrationshintergrund, 20%? Abgestimmt darüber wurde nie.

              Die Parallele zwischen der gegenwärtigen Migration und der Wiedervereinigung ist daher ziemlich lachhaft. Wo haben Sie das denn her?

               

              Auffällig ist aber, dass sich der gewalttätigste und medienwirksamste Widerstand (v. a. in den NBL) immer gegen Nichteuropäer und v.a. gegen Asylbewerber gerichtet hat. Früher wars nur die Hautfarbe, heute wird eben der Islam vorgeschoben. Der Grund dafür ist schlicht Rassismus, alles andere ist Augenauswischerei.

              Und da stimmen Sie in die Jammerei ein, die Leute würden nicht gefragt?

              Zudem dreht es sich um eine Minderheit, die AfD bekäme nach aktueller Wahlprognose max. 15 %, die NPD ist weg vom Fenster.

              Unabhängig davon ist die Stimmung gegenüber Flüchtlingen natürlich gekippt. Aber an die Willkommensstimmung letzten Sommer werden Sie sich erinnern. Was wäre Ihre Konsequenz? Asylrecht abschaffen und Leute nach jährlichen Volksabstimmungen reinholen oder wieder rausschmeißen?

               

              Die Probleme „einfacher Gemüter“, auch die von temporär oder latent xenophoben Hohlköpfen, ernst zu nehmen, bzw. ihre Meinung zu respektieren, ist übrigens nicht „gnädig“ von mir sondern eigentlich eine demokratische Selbstverständlichkeit. Das gilt generell für andere politische Positionen, solange sie demokratiefähig sind; scheint dieser Tage allerdings vielen nicht präsent zu sein. Am allerwenigsten den Rechten.

              • @Ruhig Blut:

                Die Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg mussten flüchten, weil sie als Deutsche betrachtet wurden, und sie haben sich auch größtenteils selbst als Deutsche gesehen. Die Unterschiede in der kulturellen Identität sind überhaupt nicht vergleichbar mit der heutigen Situation.

                Der Vergleich mit den Hugenotten im 17. Jh., den zwar nicht Sie, aber andere gerne heranziehen hinkt auch, weil das lediglich einige Zehntausende waren, aus einem europäischem Nachbarland.

                Einen so tiefgreifenden gesellschaftlichen-kulturellen-religiösen Wandel in so kurzer Zeit, wie in den letzten Jahren gab es, meines Wisens, noch nie in Deutschland.

                 

                Die Parallele mit der Wiedervereinigung bezog sich auf das Ausmaß der Auswirkungen der Ereignisse auf das Land und die Gesellschaft. Und wie die Stimmungen und Meinungen dazu in der Bevölkerung dazu waren/sind.

                 

                Ich bin weder rassistisch, noch gewalttätig, noch dumm und ungebildet, noch unmündig, und eigentlich nicht mal rechts. Und ich lasse mir nicht verbieten meinen Unmut zu äußern. Was die AfD, was Nazis, was irgendwer sagt ist mir da völlig egal, ich habe meine eigene Meinung.

              • @Ruhig Blut:

                Ach ja, zu der moralischen Argumentation: Offenbar fällt Ihnen nicht auf, dass Sie ebenfalls durchgängig moralisch argumentieren. Wie hätten Sie’s denn lieber? Juristisch? Wäre nur ein in Rechtsform gegossener Ausdruck der Moral. Oder ökonomisch? Wir wollen/können uns dies & jenes leisten, bzw. sind aufgrund der wirtschaftlichen Lage zu diesen oder jenen Schandtaten gezwungen; das beinhaltet die moralische Frage gleichermaßen. Eigennutz ist kein Ausdruck von Moralfreiheit, der Moral werden Sie bei dieser Diskussion nicht entkommen.

                • @Ruhig Blut:

                  und eins noch: es ist absolut größenwahnsinnig zu glauben, dass Deutschland die Welt retten könnte und für alles verantwortlich wäre.

                  Ja, man muss helfen. Und man muss sich immer hinterfragen was man falsch gemacht hat und besser machen müsste. Aber Deutschland ist weder für das Elend der Welt verantwortlich, noch kann es dieses verhindern. Nein, wirklich nicht!

                • @Ruhig Blut:

                  Richtig, die Argumentation muss rechtlich, moralisch und realistisch geführt werden. Ich habe nicht den Eindruck, dass es die Rechten sind, die nicht bereit sind über zB. folgende Punkte zu diskutieren:

                   

                  Wofür ist das Asylrecht gedacht, als Individualrecht für politisch Verfolgte, wie Oppositionelle, Aktivisten oder Journalisten, oder zur Massenmigration von Menschen, die durch Hunger, Armut, Krieg, usw. bedroht sind?

                  In welchem Umfang kann man überhaupt, und wenn ja, wen und wie, aufnehmen, wenn man bedenkt, wie winzig und dicht besiedelt Deutschland im Vergleich ist, und wievielen Milliarden! Menschen es schlechter geht als in diesem Land. Was ist zb. alleine mit den 6 Mio Kindern, die laut Unicef jedes Jahr! sterben? Müssten wir die moralisch gesehen nicht auch alle aufnehmen?

                  Wie ist das, wenn sich die Bevölkerung in Afrika in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln wird, und es zwangsläufig Krieg und Elend geben wird, wieviele hundert Millionen können und wollen wir dann aufnehmen? Und wenn wir das nicht können und wollen, wie verhindern wir, dass sie trotzdem zu uns kommen?

                  Wie ist es mit den Bürgerkriegsflüchtlingen, müssen die nach Ende des Krieges wieder zurück und ihr Land aufbauen, so wie es rechtlich vorgesehen ist, oder integrieren wir die hier?

                  Wäre es nicht effektiver und moralischer Kriegsflüchtlinge für einen Bruchteil des Geldes, was ihre Versorgung hier kostet, heimatnah unterzubringen, und dafür zahlenmäßßig mehr versorgen zu können? Und nicht nur die Starken und Gesunden, die es bis zu uns schaffen?

                  Ich sehe keine Diskussion über diese Fragen!!

                  Stattdessen wird von allen Seiten nur um sich geschlagen, und gerade Medien und Politik sind damit ausgelastet die Welt in Gut und Böse einzuteilen.

                  • @karlei:

                    Was es wirklich bedeuten würde, die Fluchtursachen in der Welt zu beseitigen, ist der Punkt, der m. E. kaum thematisiert wird. Ich bin vollkommen Ihrer Meinung, dass wir als BRD die Probleme der Welt nicht durch die Aufnahme von Flüchtlingen lösen können. Dass es nicht unbedingt die Schwächsten und Hilfsbedürftigsten sind, die es lebend bis hierher schaffen, ist mir auch klar. Und dass Migranten keine besseren Menschen sind und die Zuwanderung eine Menge Schwierigkeiten mit sich bringt genauso.

                     

                    In anderen Punkten bin ich überhaupt nicht Ihrer Meinung, das werden wir hier wohl nicht klären können. Die zunehmend irrationale Polarisierung in der gesellschaftlichen Diskussion, die unreflektierte Einteilung in gut und böse, sehe ich aber genau wie Sie und das gefällt mir überhaupt nicht.

                    Deshalb zur Klarstellung: Ich will Ihnen ganz bestimmt nicht Ihr Recht auf Meinungsäußerung absprechen, und wenn ich Ihre Äußerungen kritisiere will ich Sie nicht als Person angreifen. Ich halte Sie auch weder für böswillig, noch für rechts, dumm oder sonstwas.

                    • @Ruhig Blut:

                      Okay, das war eigentlich auch gar nicht so sehr als Vorwurf an Sie gedacht, wie es anscheinend angekommen ist, sondern eher allgemein an den neuen Volkssport adressiert, mit der Nazikeule auf alles einzuschlagen, was anderer Meinung ist.

                      Jedenfalls Danke für Ihre Einschätzung.

                       

                      Die Fluchtursachen werden in Zukunft noch zunehmen, und ich finde wir müssen uns endlich eingestehen, dass es nicht in unserer Macht steht daran wesentlich etwas ändern zu können.

                      Deutschland (und Europa) hat hunderte Jahre gebraucht um eine Bildungskultur, Rechtsstaatlichkeit, Infrastruktur, usw. aufzubauen. Das ist ein Generationenprojekt, und andere Länder müssen das eben erst noch (selbst) leisten.

                      Natürlich können und sollen wir dabei helfen, und haben das in der Vergangenheit ja auch schon versucht.

                      Da werden wir uns vermutlich nicht einig, aber ich sehe zB. Investitionen, das Schaffen von Arbeitsplätzen und Bildungstransfer in unterentwickelte Länder, im Gegensatz zu den meisten Linken, nicht als Ausbeutung, sondern als win-win Situation. In vielen asiatischen Ländern hat es zB sehr gut geklappt und diese haben rasant an Wohlstand zugelgt. Die Voraussetzungen müssen allerdings auch stimmen, und da muss auch an die Eigenverantwortung der betreffenden Länder appelliert werden.

                      • @karlei:

                        Naja, mir fällt die „Nazikeule“ v. a. als Propagandainstrument der Rechtspopulisten auf, bei denen sich ein aggressiver Egoismus regelmäßig mit Selbstmitleid paart. Als ein selbstaufgebauter Popanz, mit dem sich autoritäre Forderungen als widerständig verkaufen lassen. Und dann gibt’s natürlich die, die unbedarft Rassismen verbreiten und sich dann empören, wenn andere das so benennen. Was auch daran liegt, dass sich das gesellschaftliche Bewusstsein dafür geschärft hat, siehe PC-Diskurs etc. Aber wie gesagt, die allgemeine Polarisierung und dogmatische Diskussionsweisen in der politischen Mitte wie auch im linken Lager stören mich bei diesem und anderen Themen ebenfalls.

                         

                        Das mit den Fluchtursachen ist wirklich ein weites Feld; mit ein bißchen EZ und wirtschaftlichen Investitionen ist es nicht getan. Da spielen in der Kolonialzeit geschaffene Gesellschafts- und Machtstrukturen eine Rolle, wirtschaftliche und geopolitische Asymmetrien (kurz Neokolonialismus), vom Westen verursachte Umweltzerstörungen und Klimaveränderungen und vieles mehr. Kurz gesagt müssten sich unsere Lebensweise, Wirtschaft und Politik grundlegend ändern, um die Misere tatsächlich bei der Wurzel zu packen. Eben deshalb, und weil die Dinge so unangenehm komplex sind, verfangen die rechten Vereinfachungen ja so gut.

  • Ansich eine ganz wichtige Erkenntnis. Integration stellt immer die Frage: wohin wird integriert? Das heißt: Wo wollen wir hin? Ich denke, wenn Integration gefordert wird muss auch eine Integration der deutschen in die zukünftige Gesellschaft mitgedacht werden. Integration bedeutet ein aufeinander zugehen und respektieren.

     

    Aber bitte, liebe TAZ:

    Biodeutsche??? Warum nicht gleich Arier? Schon wieder ein Völkischer Diskurs, der in der Taz den Ausgang nimmt! Das Wort Biodeutsche sagt: Egal ob du einen Pass hast oder nicht, echter deutscher wirst du nie, Ali! Auch nicht nach 2,3,100 Generationen!

     

    Grüße

  • Ich bin sprachlos.

    Das übertrifft alles was ich für möglich hielt.

  • Ich habe schon blödere Vorschläge zum Thema Zusammenleben in einem Einwanderungsland gelesen. Dieser Ansatz sollte bei allen Gruppen zum Tragen kommen. Und nein, ich bin nicht so naiv, das für ein Allheilmittel zu halten. Aber besser als die gängigen Diskurse ist er allemal.

  • Man kann weite Teile der Ossis nicht in ein modernes weltoffenes Deutschland integieren. Das Ganze ist also zwecklos.

    • @Kaboom:

      Ach... ihr Rassisten und Extremisten seid euch doch viel ähnlicher als ihr immer denkt.

      Man tausche in Ihrem Satz einfach "Ossis" durch "Moslems" aus, oder besser noch eine ähnliche Schmähform, wie zb. "Muselmänner", und schon haben wir einen Leserkommentar auf der Jungen Freiheit.

      Das ist 1:1 identisch, nur der Anstrich ist anders.

      • 6G
        628 (Profil gelöscht)
        @karlei:

        Da muss man Ihnen leider zustimmen.

      • @karlei:

        Ach wissen Sie, hätten Muslime in diesem Land ähnlich viele Schandtaten auf dem Kerbholz wie Ossis, angefangen von Rostock-Lichtenhagen über Hoyerswerda bis hin zu Freital, Bautzen etc. pp., hätte man die vermutlich in Gänze schon vor Jahren ausgewiesen. Insofern: Gääääähn ...

        • @Kaboom:

          Über 99% der "Ossis" waren nicht an diesen Schandtaten beteiligt. Wissen Sie sicher, aber hält Sie trotzdem nicht von pauschaler Hetze ab.

           

          Wer ist denn dieser "man", der angeblich die Muslime "in Gänze ausweisen" würde?

          Ich glaube Sie sehen sich wirklich von Nazis umzingelt. So wie andere sich von Islamisten umzingelt sehen. Wie gesagt, immer die selbe Geschichte, nur mit anderem Anstrich...

          • @karlei:

            Sorry, ich sehe hier tatsächlich jeden Tag ganz offensichtliche Nazis in der Straßenbahn und auf der Straße.

             

            Und die "99% der Ossis", die es sonst anscheinend noch gibt, kriegen meist auch die Klappe nur auf, wenn es darum geht, andere anzuschnautzen und zurecht zu weisen (Lehrer, Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, Mitarbeiterinnen in Arztpraxen etc.)

             

            Zivilcourage? "Damit" haben diese meist nach eigenen Angaben nichts mit zu tun, weshalb sollten sie sich denn "einmischen"?

          • @karlei:

            "Über 99% ..."

             

            Als in Salzhemmendorf (Nds) 3 Rechte versuchten, eine Flüchtlingsunterkunft abzufackeln, gab es am nächsten Tag eine spontane, nicht organsisierte Demo. Der ganz normalen Bewohner Salzhemmendorfes. Nicht irgendwelche Jusos, Grüne, oder sonstwer hatte das organisiert, da ging die Zivilgesellschaft auf die Straße. Und tat ihren Unmut über den braunen Abschaum kund.

             

            Und sie nennen mir jetzt mal EINEN entsprechenden Vorgang von den hunderten Gewalttaten in den NBL, der eine ähnliche Reaktion auslöste. Bessser sind die Ossis allerdings in der Disziplin "Solidarität mit Faschisten". bei den regelmäßigenm von der NPD, rechten Kameradschaften u.ä. organisierten Demos in Freital und anderswo war die Beteiligung der dort ansässigen Bevölkerung sehr. Wie soll man das nun anders deuten, als Zustimmung

             

            Achja: Sie nennen das Hetze? Ich nenne das die unbequeme Wahrheit. Rechtsradikales Gedankengut ist äusserst weit verbreitet im Osten des Landes. Das zeigen alle Studien in diesem Kontext.

      • 8G
        889 (Profil gelöscht)
        @karlei:

        Nein, denn die Variante mit den "Muselmännern" wird mit kulturrassistischen Vorstellungen von abgeschlossenen, inkompatiblen "Kulturkreisen" hinterfüttert.

        • @889 (Profil gelöscht):

          interessant, was bezeugt der Satz: "Man kann weite Teile der Ossis nicht in ein modernes weltoffenes Deutschland integieren." denn anderes als "kulturrassistische Vorstellungen von abgeschlossenen, inkompatiblen "Kulturkreisen"" ?

  • Man sieht die DDR war nicht für alle schlecht.

    Volkserzieher wie Annette Treibel hätten dort Karriere machen können.

     

    Man muss den Leuten wieder erklären (mit sanftem Zwang), was sie zu denken haben.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Du gute Güte. Ich bin weder Pegida Demonstrant noch AfD Wähler und mit den Flüchtlingen habe ich auch kein Problem aber dennoch macht mich dieser Vorschlag wütend. Garnicht mal wegen des Inhalts sondern wegen der dahinter stehenden Idee.

    Da stellt sich eine Person hin und ist der Meinung sie müsste Umerziehungskurse für die gesamte Bevölkerung initiieren. Das ist nicht in Ordnung, ganz egal was einem dort beigebracht werden soll. Das ist vermutlich die autoritärste Idee die mir seit Jahren untergekommen ist. Dagegen sind die Grünen mit ihrem Veggie Day Amateure.

     

    Man fühlt sich unangenehm an Dinge wie "Consent Workshops" in Camebridge erfühlt, wo hardcore Feministinnin die Schulleitung davon überzeugt haben man müsse allen Männlichen Studenten erklären was Einvenehmlichkeit bedeutet, damit diese nicht ausversehen zu Vergewaltigern werden. (https://goo.gl/7nV6zz)

     

    Dahinter steht, wie bei der Vorratsdatenspeicherung, die Idee das jeder verdächtig ist. Das ganze ist nicht weniger als die Umkehr der Beweislast und im Gegensatz zur Vorragsdatenspeicherung ist das was vermutet wird noch nichtmal strafbar.

     

    "Die VerfasserInnen dieser Mails – übrigens zu 95 Prozent männlich – oder hartgesottene RassistInnen kann ich mir in einem Integrationskurs nicht vorstellen."

    Das ist eine besondere Frechheit. Das die Verfasser Männlich sind nehme ich mal so zur Kenntnis. Wundert mich nicht wirklich. Frauen sind i.d.R. nur so lala an Politik interessiert (https://goo.gl/UwBfgJ) und machen nur 1/3 der Parteimitglieder aus. (https://goo.gl/wfbOn4) Ausserdem verhalten sich auch heute noch viele Frauen passiver.

    Die Frechheit an der Sache ist das man die Kritiker dieser Idee, dreist über Gruppendenken abkanzelt und diese dann auch noch in die rassistische Ecke drängt. Jeder der Werte des klassischen Liberalismus schätzt sollte ein Problem mit diesem Vorschlag haben. Dazu muss man kein Rassist sein.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      „Da stellt sich eine Person hin und ist der Meinung sie müsste Umerziehungskurse für die gesamte Bevölkerung initiieren. Das ist nicht in Ordnung, ganz egal was einem dort beigebracht werden soll. Das ist vermutlich die autoritärste Idee die mir seit Jahren untergekommen ist.“

       

      Äh nein, oben steht:

       

      „Zunächst mal soll der Kurs ein Vorschlag zur Wissensvermittlung und kein Sanktionsinstrument sein. Ich würde die sogenannten IntegrationsverweigererInnen ohne Migrationshintergrund einladen und ermuntern, nicht aber verdonnern.“

       

      Und:

       

      „HauptadressatInnen der Kurse sind alle, die Informationsbedarf verspüren. Ich will niemanden bevormunden, sondern aufklären und dazu einladen, sich gemeinsam das veränderte Deutschland anzuschauen.“

       

      Kurse für Interessierte anzubieten, womöglich kostenlos, halten sie für „Umerziehung“ und „autoritär“? Haben Sie das Interview überhaupt gelesen?

      Falls ja: Diese empörte Verdreherei entspricht hundertprozentig der rechtspopulistischen Vorgehensweise von AfD und Co., von denen Sie sich oben abgegrenzt haben.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @Ruhig Blut:

        Doch da möchte jemand eben solche Kurse für die gesamte Bevölkerung initiieren. Das es keinen Teilnahmezwang geben soll heißt ja nicht das sie sich nicht an alle richten. Und das es keinen Teilnahmezwang geben soll heißt nicht das die ganze Maßnahme nicht eine bodenlose Frechheit ist, da sie im Grunde eine Beleidigung impliziert für jeden dem die Teilnahme angeboten wird.

        Das ist inetwa so wie wenn evangelikale Extremisten den Eltern von Homosexuellen Umerziehungskurse anbieten. Ist ja nicht verpflichtend,... aber eine ziemlich deutliche Botschaft.

         

        Und natürlich ist das Umerziehung. Es geht dabei ja nicht um juristisch relevante Belange, es geht darum eine bestimmte Weltsicht zu bewerben. Die gute Frau ist sich nicht zu schade in einem Satz festzulegen was ein "Guter Deutscher" (WTF?!) ist und diese möchte sie scheinbar gerne durch ihre Kurse hervorbdingen. Was soll das denn sein wenn es keine Umerziehung ist?

         

        Der einzige Grund aus dem man sagen könnte das ganze sei nicht autoritär ist weil die Dame nicht die Macht hat die Umsetzung zu erzwingen. Nach dieser Definition sind aber auch die Vorstellungen der NPD nicht autoritär, weil sie ja nicht in der Lage ist diese zu erzwingen. Das wäre bizarr aber nicht unbedingt neu, das gleiche wird ja gemacht um behaupten zu können Minderheiten könnten nicht rassistisch sein.

        • @33523 (Profil gelöscht):

          Nochmals nein. Treibel hat Kursangebote angeregt, um Leuten zu ermöglichen, andere Leute kennenzulernen. Wie solche Kurse aussehen könnten, hat sie dargelegt. Keine Spur von Autoritarismus oder Umerziehung.

          Es steht tatsächlich eine politische Weltsicht dahinter. Nämlich der Wunsch nach Zusammenhalt der Gesellschaft angesichts der Zuwanderung. Was ihr zufolge auch bedeutet, dass „es in Ordnung ist, wenn man nebeneinanderher lebt“. Hat sie ebenfalls dargelegt. Das als „gut deutsch“ zu bezeichnen halte ich allerdings für recht eigenwillig.

          Wer Treibels Wunsch nicht teilt und keinen gesellschaftlichen Zusammenhalt möchte, müsste auch nicht teilnehmen und liefe nicht Gefahr, versehentlich umerzogen zu werden.

           

          „Integration“, als Bezeichnung für den Zweck der Kurse, hielte ich, gemäß dem politisch üblichen Sprachgebrauch, für unglücklich gewählt. Treibel ist aber keine Berufspolitikerin sondern Wissenschaftlerin und hat den Begriff für ihren Vorschlag sinnvoll definiert.

        • @33523 (Profil gelöscht):

          Also ihre Vergleiche sind schon ein bisschen arg an den Haaren herbeigezogen. Wo ist denn bitte das Äquivalent zu Eltern bei freiwillig angebotenen Workshops? Wo ist das Äquivalent zu einer kaum veränderbaren sexuellen Orientierung? Oder spielen Sie nur einfach gerne den Verfolgten, notfalls über Landesgrenzen hinweg im Namen von Männern, die zum Teil erschreckende Vorstellungen von Konsenz (vgl https://www.theguardian.com/us-news/2016/jun/06/father-stanford-university-student-brock-turner-sexual-assault-statement) haben?

           

          Tatsache ist doch, dass sich viele Menschen einfach fragen, wie sie einigermaßen höflich auf Andere zugehen können. Dahinter stehen sicherlich oft genug schlichter Professionalismus (Reibungen kosten Zeit & Nerven) oder noch basaler finanzielle Interessen, aber mehr Zwang sehe ich da nicht.

          • 3G
            33523 (Profil gelöscht)
            @Lieschen:

            Es geht mir in den Beispielen nicht um den Konkreten nutzen der angebotenen Kurse sondern um den Mechanismus. Hier sollen Menschen wegen ihrer Haltung oder vielmehr wegen einer _vermuteten_ Haltung dazu gebracht werden sich belehren zu lassen.

             

            Das Beispiel das Sie bringen ist einfach untauglich. Derjenige der dort Stellung nimmt ist der Vater des Angeklagten. Das dieser seinen Sohn verteidigt ist völlig natürlich, auch wenn es moralisch falsch ist. Da geht es um Emotionen und ich wage mal ganz stark daran zu zweifeln das der Vater des Jungen vor diesem Prozess etwas ähnliches gesagt hätte.

  • Liebe taz,

    Der Titel ist leider falsch oder war das Absicht?

    Nach dem interview zu urteilen, fordert Frau Treiben ausdrücklich keine Integrationskurse für _ALLE_ Deutschen, sondern für nur Integrationskurse AUCH für alteingesessene Deutsche.

    Formal vielleicht nicht falsch, aber zu 99% irreführend.

  • "Eine gute Deutsche wäre eine Person, die realisiert hat, dass wir längst ein Einwanderungsland sind."

     

    Darüber ist ja nie demokratisch abgestimmt worden. Es muss schon eine ganz offene Debatte darüber geben, mit allen gesellschaftlichen Kreisen, ob die Leute das überhaupt wollen. Sonst freaken die Leute irgendwann aus und fühlen sich von der Politik beschissen. Gastarbeiter zum Beispiel hatten den Sozialvertrag mit der deutschen Bevölkerung 2-3 Jahre im Land zu bleiben. Nachdem viele dann geblieben sind, die Familie nachgeholt haben und Teil unseres Landes wurden, hat man verpasst einen neuen Sozialvertrag zu bauen. Den gibt es bis heute nicht.

    • @Ansgar Reb:

      Die sogenannten "Anwerbeabkommen" der fünfziger und sechziger Jahre wurden zwischen der bundesdeutschen Regierung und den Regierungen einiger Mittelmeeranrainerstaaten geschlossen. Die deutschen Kabinette unter Adenauer und Erhardt waren gewählt, insofern ist die Behauptung, es hätte "keinen demokratischen Einfluss" gegeben, schlicht wahrheitswidrig.

       

      Im Zuge des Aufbaues eines europäischen Binnenmarktes wurden die meisten dieser Abkommen hinfällig, da die Staatsbürger der EU-Mitgliedsstaaten Freizügigkeit innerhalb der EU geniessen, was die WAhl des Wohn- und des Arbeitsortes anbetrifft. Diese Verträge haben allen Europäern unglaubliche Vorteile und Chancen verschafft, ein Rückfall in die europäische "Kleinstaaterei" ist weder wirtschaftlich noch sozial leistbar oder auch nur in irgendeiner Form wünschenswert. Im übrigen haben fast 90% der "Gastarbeiter" Deutschland nach dem Ende ihrer Arbeitsverträge wieder verlassen und sind in ihr "Heimatland" zurückgekehrt, nur etwa 10% haben hier eine neue Heimat gefunden.

       

      Wer sich hier von "der Politik beschissen" fühlt, der sucht in der Regel nur eine billige Ausrede, um vom eigenen Versagen ablenken zu können. Dabei geht es den meisten hier einfach noch viel zu gut, gemessen an dem, was ihm eigentlich zustünde und was er in anderen EU-Mitgliedsländern zu erwarten hätte.

       

      Die ewige Jammerei einiger "biodeutscher" Landsleute und ihre Suche nach Sündenböcken ist doch nur noch erbärmlich und anwidernd.

      • @cursed with a brain:

        Was ich meine ist, wenn wir ein Einwanderungsland sein wollen, dann brauchen wir vorher den Konsens der Bevölkerung dafür. Einen Gesellschaftsvertrag. Das kann man nicht als Elitenprojekt oder als "oops, jetzt sind wir ein Einwanderungsland, findet Euch damit ab" machen, weil es sonst Abstossungsreaktionen gibt.