Sonne, Sommer, Polizeigewalt: Vor Hitze katholisch geworden

Menschens Werk und Gottes Sohn vereinen sich aufs heißeste. Zuckerberg als kalifornischer Gegenpapst und Recht vor Gnade.

Hund im Wasser

Hundstage, gottgewollt Foto: Frank Hammerschmidt/dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: US-Streubomben für die Ukraine.

Und was wird besser in dieser?

Es hat gedauert, aber – endlich mal eine Waffe, die die Grünen nicht gut finden.

Der Bundestag konnte sich beim Thema Sterbehilfe nicht einigen. Wo stehen Sie in der Debatte?

Wer den Freitod wählt, „springt aus dem brennenden Haus“. Niemand weiß, wohin. Die gegenwärtige Qual wird als unerträglicher empfunden als alles, auch das Ungewisse. Das schürt die Sorge, dass Menschen „springen“, bevor wirklich final ausgelotet ist. Also ist kluge Beratung nötig, ein neu­tra­ler Blick auf die Lage. Wer an der Selbsttötung verdient, scheidet als Berater aus. Hier hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil pro „geschäftsmäßige Sterbehilfe“ Recht vor Gnade ergehen lassen. Gibt es dann tatsächlich keinen Ausweg mehr, kommen Pflegende und ÄrztInnen in Not, weil ihnen das Strafrecht droht. Also: zwingende Beratungen, raus aus dem Strafrecht, kein Kommerz und das letzte Medikament in die Hände derer, die schon heute insgeheim viel auf ihr Gewissen nehmen.

Deutsche Haushalte mit einem Einkommen von 150.000 Euro sollen kein Elterngeld mehr bekommen. Halten Sie die Befürchtung für berechtigt, dass dies fatal für die Emanzipation in der Erziehung wäre?

Wenn es wirklich um Sozialpolitik und Kinderarmut ginge, würden wir diskutieren, warum Empfänger von Bürgergeld, formerly known as Hartz, weder Kinder- noch Elterngeld bekommen. Warum Alleinerziehende nach 14 Monaten kein Elterngeld mehr bekommen. Bei Spitzenverdienern dagegen – Paaren, die zusammen über 12.000 Euro im Monat kassieren – darf man schon fragen, ob ­monatlich 1.800 Euro Elterngeld bei denen große Lenkungswirkung entfalten. Männer, die so viel Kohle haben und sie nicht dazu nutzen, Zeit mit ihrem Kind zu verbringen, gehören bestraft. Was jetzt mustergültig erfüllt ist.

Für den französischen Polizisten, der den 17-jährigen ­Nahel M. erschossen hat, sind über eineinhalb Millionen Euro gesammelt worden. Die Spendenaktion für Nahels Familie hat weniger als 500.000 Euro eingebracht. Regiert Geld halt die Welt, oder steckt da Beunruhigenderes drin?

Was machen die mit der Kohle, wenn der Polizist straffrei davonkommt? Anzahlung auf den nächsten Schuss? In Frankreich sind Spendensammlungen für Straftäter verboten. Deshalb gelten beide Sammlungen formal den Familien von Täter und Opfer. Vor vier Jahren verprügelte ein Ex-Boxprofi als Gelbweste Polizisten, eine Spendensammlung für Anwaltskosten wurde unterbunden. Damals echauffierten sich ­Regierungsmitglieder: „Scheinbar zahlt es sich aus, Polizisten zu schlagen.“ Diesmal schimpfen Linkspolitiker: „Tötet einen Araber, und ihr werdet Millionär.“

Bis zur Frauen-WM sind Fußballfans auf Entzug gesetzt. Substituieren Sie eher mit Wimbledon oder mit der Tour de France?

Selber mal den Arsch bewegen. Im südmünsterländischen Selm – so weit bin ich mit dem Rad gekommen – gibt es einen schicken neuen ebenerdigen Flächenbrunnen. Rund 30 Düsen schießen aus dem Erdboden unberechenbar Wasser: ein Slalom der Freude.

Der vergangene Montag war der heißeste Tag seit Beginn der Aufzeichnungen. Greift der liebe Gott jetzt zur Brechstange?

Gott ist in der Tat verdächtig, weil sich des Menschen Werk und Gottes Sohn – El Niño, „der Knabe“ – aufs Heißeste vereinen. Es ist also das, was früher mal ein sehr heißer Sommer war, plus das, was heute ein sehr heißer Sommer ist.

Die Anzahl lesbarer Tweets wird eingeschränkt, Meta startet die Konkurrenz-App ­Threads – war’s das mit Twitter?

Ich habe nie die Leute verstanden, die an der katholischen Kirche zerbrechen und trotzdem immer noch Reformen fordern und drinbleiben. Wenn das doch mal jemandem zu blöd wird, kann er zu Twitter wechseln und sich da wegschmoren. Rom käme mit der Kohle davon, Musk mit den Daten. Zuckerberg als Gegenpapst macht mir keine Hoffnung; eher schreit das alles nach Demokratisierung. Sonst bleibt doch da und verschimmelt, bis Woelki den Laden kauft. Also einen von beiden.

Und was machen die Borussen?

Man kann begrüßen, dass der Wolfsburger Nmecha nach homophoben Tweets beim BVB „eine zweite Chance“ bekommt. Denen, die das hasserfüllt gegen die Toleranzfraktion feiern, gönnt man nicht mal eine.

Fragen: Valérie Catil, waam

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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