Solidarität nach rassistischer Email: Stadtwerke gegen Rechts
Eine Mitarbeiterin der Stadtwerke Osnabrück wurde durch einen Kunden rassistisch beleidigt. Das Unternehmen geht dagegen in die Offensive.
Am 15. August ist das Foto in einer Anzeige der Stadtwerke Osnabrück auf Seite 5 der Osnabrücker Nachrichten zu sehen. Was am Tag danach geschieht, ist empörend. Ein Kunde der Stadtwerke schreibt eine Mail an seinen Energieversorger: Die Anzeige widere ihn an. „Wenn Sie meinen, mit exotischen Personen Reklame machen zu können, ist dies eine Sache, die ich bei einem Regionalanbieter nicht nachvollziehen kann noch will.“ Gleichzeitig storniert er seinen Gasvertrag, sein zweiwöchiges Widerrufsrecht läuft noch.
Was der Kunde nicht weiß: Die Fotografierte ist kein Model, extern für das Shooting gebucht. Die junge Frau, 29, seit mehr als zehn Jahren Mitglied der Stadtwerke-Belegschaft, ist die Assistentin von Jan-Peter Bruns, der den Bereich „Markt & Kunde“ verantwortet. Und sie selbst ist es, die die Mail öffnet. Es ist für sie ein Schock. Es macht sie fassungslos, sprachlos.
„Das ist purer Rassismus!“, sagt Sebastian Philipp, Sprecher der Stadtwerke. „Und es ist schlimm, dass eine Kollegin von uns etwas Derartiges erleben muss!“ Man merkt ihm seine Bewegtheit an. „Das geht mir schon ziemlich nahe“, sagt er. „Uns allen!“
Die Bestärkung, die die 29-Jährige von ihrem Arbeitgeber erfährt, ist vorbildlich. Auch auf Facebook zeigt der klare Kante: „Intoleranz und Rassismus – das ist für uns ein absolutes No-Go!“, heißt es da. „Wir sagen STOP – und sind stolz auf die Vielfalt unseres Unternehmens, wir stehen für Diversität und Offenheit und hinter unserer Kollegin. Jetzt und in Zukunft!“ Das brachte über 100 gereckte Daumen. Ein ähnlicher Post auf Instagram brachte über 150 Herzen.
Viele Mut machende Anrufe gingen in der Unternehmenszentrale ein, viele Mails, aus Osnabrück und dem Umland. Kein einziges Mal hatte der rassistische Gas-Kunde in ihnen Fürsprecher. „Besonders berührend war der Anruf einer älteren Dame“, erzählt Philipp. „Sie sagte zu uns: 'Wir sind nicht alle so in Osnabrück!’“ Auch im Intranet der Stadtwerke war die Resonanz groß – und der Zusammenhalt.
Wie offensiv die Stadtwerke die Sache angegangen sind, zeigt nicht nur ihr Schritt an die Medien. Auch ihr juristischer Weg ist ein deutliches Zeichen: „Wir prüfen derzeit“, sagt Philipp, „ob sich dieser Übergriff strafrechtlich verfolgen lässt“. Seine Kollegin, temporär auf eigenen Wunsch vom Dienst freigestellt und mit der taz schriftlich in Kontakt, möchte sich derzeit nicht direkt äußern. „Sie will jetzt erst einmal zur Ruhe kommen“, sagt Philipp. Und dann ergänzt er: „Die Rassisten sind laut. Aber sie sind nicht die Mehrheit!“
So sieht das auch Tahir Della, Sprecher der Berliner Initiative Schwarze Menschen in Deutschland. „Rassismus ist ein strukturelles, ein systemisches Problem“, sagt er. „Aber dass er jetzt verstärkt auftritt, bestätigt zugleich, dass wir uns gesamtgesellschaftlich in die richtige Richtung entwickeln, weg von Diskriminierung und Marginalisierung, hin zu mehr Diversität. Je weiter wir da kommen, desto stärker wird der Widerstand. Aber das sind Rückzugsgefechte.“
Der Stadtwerke-Mitarbeiterin rät er, Kontakt zu schwarzen Selbstorganisationen zu suchen, sich politisch gegen Rassismus organisieren. Die Reaktion ihres Umfelds lobt er: „Solidarisierung wirkt unheimlich bestärkend. Gut auch, dass da nichts kleingeredet wird.“
Auch Filiz Polat, Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Bramsche bei Osnabrück, zeigt sich solidarisch: „Es ist wirklich erschütternd, dass es diese rassistischen Ausfälle aufgrund von Hautfarben noch immer gibt. Und es gibt sie leider viel zu oft.“ Hier sei die Gesellschaft gefragt. „Ich bin selbst immer wieder Ziel rassistischer Anfeindungen und kann daher sehr gut nachempfinden, was das mit einem macht und wie man sich fühlt. Wichtig ist, dass diese Angriffe juristisch konsequent verfolgt werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren