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Sofortkonzept für den KlimaschutzCrashkurs zum Klimaziel

Umweltverbände fordern einen CO2-Preis, einen schnellen Ausstieg aus der Kohleenergie und weniger umweltschädliche Subventionen.

Fridays For Future auf dem Weg zur Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in Berlin Foto: dpa

Berlin taz | Mit einem Sofortkonzept haben sich am Freitag die deutschen Umweltverbände in die Debatte über ein Klimaschutzgesetz eingeschaltet. Nach ihren Vorstellungen soll die Bundesregierung in einem umfassenden Gesamtpaket unter anderem schnell die Einführung eines CO2-Preises beschließen, früher als geplant Kohlekraftwerke stilllegen, die erneuerbaren Energien energischer ausbauen und umweltschädliche Subventionen streichen.

„Die Versäumnisse der Vergangenheit führen dazu, dass zukünftige Maßnahmen schnell wirksam und sehr ambitioniert sein müssen“, heißt es in der Erklärung von zehn Verbänden, darunter WWF, Nabu, Greenpeace, BUND, DUH und Campact.

Während Greta Thunberg über den Atlantik segelt und die AktivistInnen von Fridays for Future sich in Berlin auf den Weg zum Lobbyverband Ini­tiative Neue Soziale Marktwirtschaft machten, zielen die Verbände auf die Große Koalition. Diese berät derzeit hinter den Kulissen über die Details eines Klimaschutzgesetzes, das am 20. September im „Klimakabinett“ verabschiedet werden soll. Auch im Koalitionsausschuss am Sonntag werde das Thema zur Sprache kommen, heißt es aus der Regierung.

Das reicht den Ökoverbänden nicht aus. Die bislang präsentierten Vorschläge zum Klimaschutz vor allem aus den Ressorts Verkehr, Bauen und Landwirtschaft „sind sehr teuer, sind nicht wirksam genug und schließen nur die Hälfte der Lücke im Klimaschutz“, sagte Kai Niebert vom Deutschen Naturschutzring (DNR). „Damit sind wir zurück bei Pillepalle“, spielte er darauf an, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel „Schluss mit Pillepalle“ in der Klimapolitik gefordert haben soll.

Die Verbände haben sehr konkrete Forderungen, vor allem an die Energiewirtschaft, „den einzigen Sektor, der schnell Klimaschutz liefern kann“, sagte Martin Kaiser von Greenpeace. Er fordert die Stilllegung von 3,1 Gigawatt Braunkohlekapazität bis 2020, bis 2020 die Stilllegung weiterer 7,5 Gigawatt Steinkohlekapazität und einen CO2-Mindestpreis im Emissionshandel von 40 Euro bis 2025. Begrenzungen und Ausschreibungen für Ökostrom sollen ­entfallen, alle Dächer von Neubauten Solaranlagen bekommen.

Für den Verkehr solle das Ende des Verbrennungsmotors sofort beschlossen, ein 365-Euro-Jahresticket für den öffentlichen Nahverkehr eingeführt, der Bundesverkehrswegeplan ­klimagerecht überarbeitet und ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen eingeführt werden. Für die Bahn sollen Investitionen verdreifacht werden, in der Landwirtschaft mehr Gelder für Öko-Anreize umgeschichtet werden, und Gebäude sollen so saniert werden, dass sie bis 2040 nur noch halb so viel Energie verbrauchen wie heute.

Ein Investitionsprogramm Klimaschutz solle die Industrie auf die Zukunft ausrichten und aus dem Abbau der 50 Milliarden Euro umweltschädlicher Subventionen finanziert werden.

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13 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Mich interessiert, wieviel CO2 die Deutschen wirklich produzieren, wenn man die Importe und externen Dienstleistungen berücksichtigt. Die meisten Klamotten kommen z.B. aus Bangladesh o.ä. Staaten und werden auf Schiffen, die unter der Flagge irgendeines Steuerparadieses fahren, über die Weltmeere geschippert. Der Konsum der Deutschen für die Emissionen verantwortlich. Die Ideen nationaler Verantwortlichkeit und nationaler Souveränität greifen hier kaum.



    So gilt Schweden als Vorreiter in Sachen Umweltschutz, obwohl die schwedische Bevölkerung mit den größten ökologischen Fußabdruck der Welt hat. Das Problem ist viel weniger, wer wieviel CO2 produziert, sondern wer es verkonsumiert. Es nützt ja nichts, wenn in der EU CO2 eingespart wird und die Menschen dafür mit einer Flulinie aus Quatar in die Südsee fliegen und die europäischen Kühe Soja aus Brasilien fressen, für das der Regenwald gerodet wird.

  • Wie immer alles schön hinter verschlossenen Türen, schön heimlich ohne Umweltverbände und schön gewinnträchtig für die Besitzenden.



    Also alles wie immer.



    Wenn uns die Erde nur nicht unter den Füßen wegbrennen würde…



    Mal sehen, ob die Naturschutz-Verbände "erhört" werden…



    Wohl eher nicht, weil die Besitzenden ihre Pfründe nicht hergeben wollen, die ihnen ja eigentlich UND uneigentlich noch nie gehört haben…

  • Fehlt nur die deutsche Aussenpolitik. Mit Brasilien ist sie schonmal total gescheitert. Und wie versucht mal den USA und China klarzumachen, dass sie die grössten Verschmutzer sind? Selbst die globale Schiffahrt verschmutzt mehr als die gesamte BRD.

  • Sehr gut. Konkrete Vorschläge, die umgesetzt werden müssen. Ich glaube keinem Politiker ein Wort, wie wichtig ihm/ihr das Klima ist, bevor tatsächlich etwas passiert. Da kann Herr Söder noch so viele Bäume umarmen.

    • @Der eindimensionale Mensch:

      Die Vorschläge sind nicht neu, klingen in Teilen sinnvoll, in Teilen nicht zu Ende gedacht. Wer ein 365-Euro-ÖPNV-Ticket einführen will, muss sicherstellen, dass der ÖPNV die angestrebte und sinnvolle Nutzungsvervielfachung auch aufnehmen kann. Angesichts der jetzt bereits am Limit arbeitenden Planer und Ausführenden von Tiefbauarbeiten usw. ist das alles nicht kurzfristig zu haben. Können auf bestehenden Strecken die Taktungen überhaupt erhöht werden, wenn Fahrzeuge und Personal nicht im erwünschten Umfang zur Verfügung stehen (ländlicher Raum...).



      Was passiert mit den vorgeschlagenen Solaranlagen auf sämtlichen Neubaudächern, nachdem sie 15-20 Jahre später abgeschrieben und schrottreif sind? Wie sehen die Entsorgungsmodelle dafür aus? Eine vorausschauende Klimapolitik muss solche Szenarien berücksichtigen, ansonsten ist es wirklich nur wieder "Pillepalle".

      • @Edward:

        Dein statement hier könnte gut von einer Arbeitsgruppe aus einem Ministerium unser glorreichen Regierung kommen: erst einmal wird festgestellt was alles nicht geht, was zu wenig ist und wo noch geforscht werden muss. und in genau dieser Zeit verschärfen sich die Probleme weil nichts getan wird und "Profis" (Lindner) sich noch erst damit beschäftigen müssen um den grossen Wurf zu machen.



        Genau deswegen sind die Vorschläge der Verbände gut und wichtig.

      • @Edward:

        Solardächer einem Realitätycheck unterzogen ergeben folgendes Bild: Stromkosten sind doppelt so teuer, als von Solarpark. Es gibt eine Gesamtkapazität aller Dächer in Deutschland von 200 GWp - wir benötigen mindestens 1000 GWp alleine für den Stromsektor. Darum sind Dächer höchstens für den Eigenstromverbrauch als Hobby des Hausbesitzers vertretbar. Ausserdem geht das Niederspannungsnetz auf dem Zahnfleisch, wenn jeder so ein Dach hat um andere mit Strom zu versorgen. Dachanlagen sind also keinesfalls einen notwendig gut Idee...

        • @Ralf Schnitzler:

          Dein statement hier könnte gut von einer Arbeitsgruppe aus einem Ministerium unser glorreichen Regierung kommen: erst einmal wird festgestellt was alles nicht geht, was zu wenig ist und wo noch geforscht werden muss. und in genau dieser Zeit verschärfen sich die Probleme weil nichts getan wird und "Profis" (Lindner) sich noch erst damit beschäftigen müssen um den grossen Wurf zu machen.



          Genau deswegen sind die Vorschläge der Verbände gut und wichtig.

        • @Ralf Schnitzler:

          Bei Neubaugebieten kann das Netz gleich etwas stärker ausgelegt werden, und bei gelegentlichen Neubauten in bestehenden Wohngebieten kann das Netz den Strom der Solaranlagen in der Regel aufnehmen, auch wenn es für Neubauten zur Pflicht wird. Mit Ausbau der E-Mobilität kann der Strom dann auch gleich zeit- und ortsnah zum laden verwendet werden, belastet also nur auf ein paar hundert Metern die Stromnetze.

        • @Ralf Schnitzler:

          Ihre Zahlen in ehren, aber ganz richtig werden sie wohl nicht sein, da mein Dach z.B. in der von Ihnen genannten Potentialeinschätzung als nicht besonders ertragsfähig eingestuft wurde. Komisch nur das unser Haus damit zu 80 % mit Wärme und demnächst zu 120 % mit Strom versorgt wird.



          Jedes Dach sollte eine solare Versorgung haben, schon allein um die Auslastung der kostenintensiven Nord-Süd-Trasse zu sichern. Dezentral erzeugter Strom ist immer noch der günstigste, da z.B. die Durchleitungskosten entfallen. Die unbezahlbare Unabhängigkeit von den Stromversorger nicht zu vergessen.



          Wer jedes Jahr nur noch Stromkosten in Höhe einer Monatsbrechnung hat weis welcher Wert dezentrale Strom- und Wärmeerzeugung hat. Das gilt auch für Mieter in Mehrfamilienhäusern, siehe Jenni Mehrfamilienhaus in der Schweiz.



          Die geschätzten 1000 GWp allein für den Stromsektor können durch PV Anlagen im Öffentlichen Bereich gedeckt werden; Gehwege, Strassenlaternen, Schallschutzwände von Autobahnen, Brücken, Öffentliche Gebäude, etc.



          Ihrem Argument zur Überlastung des Niederspannungsnetzes wird durch den Einbau und Nachrüstung von Batterieanlagen und Wasserstofferzeugungsanlagen von Privatnutzern und Stromversorgern gerade der "Boden" entzogen.

      • @Edward:

        hallo, hallo, abgeschrieben solare Stromerzeugungsanlagen sind nach 25 Jahren noch lange nicht schrottreif. Nur weil die Module einen Wirkungsgradverlust von schlimmstenfalls 5 % erfahren sollte man diese Anlagen nicht abbauen und verschrotten. Zumal die solaren Errichterfirmen im Wiederverkauf (ohne Entsorgung) damit gutes Geld verdienen.



        Die Forderung "jedes Dach eines Neubaus soll eine Solaranlage erhalten" ist vollkommen gerechtfertigt und schon seit Jahrzehnten richtig.



        Jede PV-Anlage erwirtschaftet auch heute nach spätestens 10 Jahren kostenfreien CO2-neutralen Strom, und das enkeltauglich. Das gilt auch für solare Thermieanlagen.



        Sie sind wohl noch ein Mensch aus der postfossilen Welt. Ihr nächster Schritt sollte zukunftsgerichtet sein.



        Wir benötigen noch vielmehr dezentralen PV-Strom, auch auf Bestandsgebäuden, um die alten Heizungsanlagen gegen Anlagen von HPS aus Berlin tauschen zu können.

        Regenerativ ist mehr möglich, als die Regierung und Industrie uns vormachen. Ich lebe selbst seit zehn Jahren in einem zu 80% durch Sonnen versorgtem Haus und beginne in den nächsten Wochen die monetäre Ernte einzufahren. Und das noch dazu umweltfreundlich.



        Je früher jeder einzelne wechselt, um so früher beginnt die Freiheit, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit zu wirken.

        • 8G
          80198 (Profil gelöscht)
          @Sonnenhaus:

          Leider lohnt sich solarstrom nur bei uns, nicht in Sinnenreizen Gegenden der EU 1-stromvergleich.c...mpreise-in-europa/

      • @Edward:

        Ja, da haben Sie wohl recht. Der Gedanke von Solaranlagen ist tatsächlich kritisch zu sehen, insbesondere wegen der Recyclingprobleme. Zusätzlich würde ich mir den Ausbau sowohl der Gewinnung von Wasserstoff durch Elektrolyse in Zeiten des Energieüberschusses als auch der Wasserstofftankstellen wünschen. ÖPNV ist an vielen Orten noch ausbaufähig, ohne in Probleme zu kommen - gerade auf dem Land. Falls Personalmangel ein Problem sein sollte, muss der Job eben besser bezahlt werden