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Social-Media-Plattform XEU-Kommission will Auskunft über Algorithmen

Die EU-Kommission geht weiter gegen X vor. Damit zeigt sie, dass sie nicht vor Tech-Konzernen einknickt. Die scharen sich aktuell um Trump.

EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen Foto: Johanna Geron/reuters

Brüssel/Berlin dpa/taz | Während Elon Musk weiter gegen demokratische Parteien in Europa ätzt, treibt die EU-Kommission das Verfahren gegen seine Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter) voran und verlangt Zugang zu internen Dokumenten über Algorithmen. Der Konzern werde angewiesen, die Daten dazu einzufrieren und aufzubewahren, teilte die Brüsseler Behörde am Freitag mit.

Ein Sprecher der EU-Kommission führte aus, die Plattform werde aufgefordert, „interne Dokumente über alle kürzlich vorgenommenen Änderungen an Algorithmen zu übermitteln“. Damit zielt die Kommission auf das System, das Use­r*in­nen Inhalte empfiehlt oder anzeigt. Diese Dokumente müssten bis zum 15. Februar an die Kommission übermittelt werden. Zweitens wird die Plattform aufgefordert, der Behörde Zugang zu bestimmten Programmierschnittstellen zu gewähren. Dies werde bei Recherchen helfen. Die Anweisungen erfolgen wegen einer bereits laufenden Untersuchung gegen X.

Die zuständige EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen erklärte, Ziel der Kommission sei es, „dass alle Plattformen in der EU unser Gesetz respektieren, das ein faires, sicheres und demokratisches Online-Umfeld für alle europäischen Bür­ge­r*in­nen schafft.“ Virkkunen ist zuständig für den Bereich Tech-Souveränität, Sicherheit und Demokratie. Die Kommission betonte, dass diese Schritte notwendig seien, um systemische Risiken der Plattform zu bewerten.

Welche Strafen drin wären

Die EU beobachtet Musks Aktivitäten seit einiger Zeit. Gegen X laufen mehrere Verfahren wegen mutmaßlicher Verstöße gegen den Digital Services Act (DSA). Der DSA verpflichtet Social-Media-Plattformen dazu, gegen Desinformation und Hetze vorzugehen. Ziel der Verfahren gegen X ist es, zu prüfen, ob die Plattform die Vorschriften zur Eindämmung von Hassrede und Desinformation einhält. Im Fokus der öffentlichen Diskussion über X steht momentan immer wieder, ob genügend unternommen wird gegen rechte Inhalte oder ob diese sogar algorithmisch bevorzugt würden.

Der DSA gilt als scharfes Schwert gegen den Einfluss großer Plattformen. Halten sich die Plattformen nicht daran, drohen empfindliche Strafen – darunter Geldbußen in Höhe von 6 Prozent des gesamten weltweiten Jahresumsatzes. Die EU-Kommission kann auch tägliche Strafzahlungen verhängen, bis die Probleme behoben sind. Große Dienste wie Facebook, Instagram, Tiktok oder X unterliegen dabei strengeren Regeln als kleinere Plattformen.

Beobachter blicken auch mit Sorge auf den möglichen Einfluss Musks auf die Bundestagswahl im Februar sowie auf weitere Wahlen in Europa, etwa in Polen und Tschechien im Laufe des Jahres. Diese Befürchtungen wurden durch Musks jüngste Aktivitäten bestärkt.

Dazu zählt ein Live-Gespräch mit der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel auf X, in dem Musk die AfD unterstützte und erklärte, nur sie könne Deutschlands Probleme lösen. Bereits in den Wochen davor hatte er die AfD in Beiträgen auf seiner Plattform unterstützt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete diese Einmischung am Freitag nach einem Treffen mit dem schwedischen Regieerungschef Ulf Kristersson gegenüber Jour­na­lis­t*in­nen als „völlig inakzeptabel“. Sie gefährde „die demokratische Entwicklung Europas“.

Scholz gehört zu jenen führenden Politiker*innen, die Musk bereits in einer Serie von X-Posts wiederholt angegriffen hat, ebenso wie der britische Premierminister Keir Starmer und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Die Tech-Bosse vor Trump

Musk ist nicht alleine mit seiner Abkehr von demokratischen Akteuren hin zu rechteren. Auch Mark Zuckerberg nähert sich mit seinem Konzern Meta seit Monaten Trump an. Zu seinem Medienimperium gehören unter anderem Facebook, Instagram, Whatsapp und Threads, das einer der vielen X-Nachfolger wurde, als dieses wegen Musk von vielen demokratischen Nut­ze­r*in­nen verlassen wurde.

Inzwischen hat Zuckerberg Trump für seine Amtseinführung eine Spende von einer Millionen US-Dollar zugesagt und wird auch einen Empfang für ihn ausrichten. Zudem kündigte er Anfang Januar grundlegende Änderungen für Meta in den USA an. Unter anderem stellt Meta die Zusammenarbeit mit Faktencheckern ein, will mehr Kommentare zulassen, auch wenn sich diese hasserfüllt gegen queere Menschen und von Rassismus betroffene Menschen richten, und strebt einen Umzug des Moderationsteams von Kalifornien ins konservative Texas an, bei dem sicherlich einige Angestellte nicht mitziehen werden.

Bei der Ansprache, in der er die Änderungen ankündigte, bediente er sich pressefeindlicher Framings und Bilder, die vor allem unter Verschwörungsgläubigen verbreitet werden, etwa das Bild der von Eliten unterdrückten Meinungsfreiheit und der „Zensur“ durch Regierungen. Dabei stellt er reale Zensur wie die in China gleich mit der DSA der Europäischen Union. Das ganze läuft also – abgekupfert bei Musk – unter dem Vorwand der Redefreiheit. Später war Zuckerberg in einem Podcast bei Trump-Fan Joe Rogan zu Gast.

Auch andere Tech-Giganten wie Apple und Meta zeigen aktuell Nähe zu Trump und den Republikaner*innen. Ein Grund könnte sein, dass sie sich vielleicht erhoffen, dass die USA Druck ausüben auf die EU, damit diese weniger strikt gegen die Konzerne vorgeht.

Tiktok in den USA

Zeitgleich wendet sich vermutlich das Blatt für die Plattform Tiktok in den USA. Ein Gesetz hatte dem chinesischen Mutterkonzern Bytedance eine 270-Tage-Frist gesetzt, sein US-Geschäft zu verkaufen. Diese läuft bis Sonntag ab. Ist das US-Geschäft von Tiktok bis dahin nicht verkauft, müsste die App in den USA gesperrt werden, wäre also vorerst nicht mehr in den US-amerikanischen App-Stores und würde so mit der Zeit unbrauchbar.

Bereits Mitte der Woche wurde bekannt, dass Trump mehr Zeit für einen Deal mit Tiktok haben möchte, also die Sonntags-Frist um mehrere Monate verlängern will. Am Freitag signalisierte dann auch der aktuelle Präsident Joe Biden, unter dem das Gesetz verabschiedet wurde, dass er es nicht am Sonntag, seinem letzten Amtstag, umsetzen will.

Angriffspunkt hierfür ist aber nicht das Gesetz an sich: Ebenfalls am Freitag urteilte das Oberste Gericht in dieser Sache gegen Tiktok. Die Plattform hatte gegen das Gesetz geklagt, um nicht verkaufen zu müssen und führte dabei das von der Verfassung garantierte Recht auf Redefreiheit an. Laut dem Obersten Gericht wird die Redefreiheit allerdings nicht durch das Gesetz verletzt.

Wie wichtig dieses Urteil mit Blick auf Trumps plötzliche Milde gegenüber Tiktok überhaupt ist, ist unklar. Die kommt nicht von ungefähr. Zwar hatte er in seiner ersten Amtszeit selbst versucht, ein Gesetz durchzubringen, welches Tiktok einschränkt, und ist damit gescheitert. Doch in den letzten Jahren konnte Trump auf Tiktok viele junge Menschen erreichen. Laut Medienberichten soll Tiktok-Chef Shou Chew am Montag ebenfalls bei der Amtseinführung von Trump anwesend sein. Auf der Tribüne. Gemeinsam mit Mark Zuckerberg und Elon Musk.

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3 Kommentare

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  • Schade, dass nicht erwaehnt wird, auf welcher Gesetzesgrundlage das ganze geschieht. Mal abwarten was ein Gericht dazu sagt.

  • der X-Algorithmus braucht definitiv ein



    x-ray!



    Die Platform benutzt massiv shadow-banning um gewisse Meinungen einzuschränken und unbequeme Mitglieder quasi einzusperren.



    Willkommen im Twitterknast.



    Meinungsfreiheit?



    Das war mal.

  • Algorithmen stehen als Synonym für den Programmcode, also Herz und Kernstück von Digitalunternehmen. Die wollen ihre Betriebsgeheimnisse ebenso gut behüten, wie Autohersteller ihre Manipulationen bei der Abgasreinigung. Unternehmen außerhalb der EU können deren Datenschützer ohnehin nicht zwingen, alle Details offenzulegen. Selbst wenn Digitalunternehmen Teile ihrer Programmcodes teilen würden, hätten Experten Schwierigkeiten festzustellen, wie diese Algorithmen wirken. Im Umgang mit Medien sollte man immer zwei Aspekte mitbedenken:



    1. Mediale Informationen geben Wirklichkeit immer nur vielfach gefiltert wieder. Mediale Wirklichkeit ist nie die Wirklichkeit, wenn es überhaupt die eine Wirklichkeit gibt.



    2. Soziale Medien sind ebenso wenig wie Zeitung, Fernsehen oder Radio ein rein technisches Medium der Kommunikation. Bereits die Technik und Operationen der Medien nehmen Einfluss darauf, was wie übermittelt wird (1.). Wer Kontrolle über diese Techniken und Operationen hat, beeinflusst unausweichlich, was wie an Inhalten übermittelt wird.



    Man sollte auch sog. Leitmedien, auch der taz, stets ein gesundes Misstrauen entgegenbringen. Man sollte auch dem eigenen Denken misstrauen.