Snowden-Debatte in Deutschland: Eher ein besorgter Bürger

Der Fall Snowden taugt nicht als Beispiel für die deutsche Debatte über den Schutz von Hinweisgebern. Denn ein klassischer Whistleblower ist Snowden nicht.

„Whistleblower schützen“: Snowden-Sympathisant demonstriert in Berlin. Bild: dpa

FREIBURG taz | „Zuflucht für Edward Snowden – Whistleblower schützen“: fast 150.000 Menschen haben binnen weniger Tage diesen Aufruf des Online-Netzwerks campact unterschrieben. Deutschland soll Ed Snowden einen sicheren Aufenthaltsstatus geben und ein Whistleblower-Gesetz schaffen, das Hinweisgeber wie Snowden auch in Deutschland besser absichern würde.

Doch ist Snowden überhaupt ein klassischer Whistleblower? So werden Menschen bezeichnet, die öffentlich auf Missstände in ihrem eigenen Unternehmen hinweisen, insbesondere auf Straftaten und Gefahren für die Bevölkerung. Whistleblower sollen vor Kündigung und anderen Benachteiligungen im Betrieb geschützt werden.

Die Diskussion über Whistleblower findet bisher vor allem im Arbeitsrecht statt. So hat das deutsche Bundesarbeitsgericht 2003 entschieden, dass eine Strafanzeige gegen den eigenen Arbeitgeber keine Kündigung erlaubt, wenn der Beschäftigte vor dem Gang an die Öffentlichkeit eine interne Klärung versucht hat.

Bei „schwerwiegenden“ Straftaten kann der Beschäftigte auch sofort Presse und Behörden einschalten. SPD und Grüne versuchen, solchen Schutz ausdrücklich gesetzlich zu regeln. Die beiden Gesetzentwürfe aus dem Jahr 2012 konzentrieren sich also auch auf das Arbeits- und Beamtenrecht.

Die britische Zeitung Guardian hat am Montag ein weiteres Fragment ihrer Video-Interviews mit dem US-Informanten Edward Snowden veröffentlicht. Der rund sieben Minuten lange Clip enthält nach den Enthüllungen der vergangenen Wochen keine neuen Informationen, Snowden beschreibt aber ausführlicher seine Motivation.

„Ich will nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich sage, alles was ich mache, der Name jedes Gesprächspartners, jeder Ausdruck von Kreativität, Liebe oder Freundschaft aufgezeichnet wird“, sagt der inzwischen 30-jährige Ex-Geheimdienstler in dem Video. Jeder, der mit einer solchen Welt nicht einverstanden sei, habe die Pflicht, etwas zu tun. Als er vor rund zehn Jahren zum US-Militär stieß und beim Geheimdienst landete, habe er noch an „unsere noblen Absichten“ geglaubt, sagte Snowden.

„Ich habe gewartet und beobachtet, und versucht, meinen Job zu tun.“ Mit der Zeit sei ihm aber immer klarer geworden, dass niemand etwas unternehme, um die Auswüchse der Kontrolle durch die Regierung zu stoppen. Das Interview wurde bereits am 6. Juni in Hongkong aufgezeichnet. (dpa)

Ein ähnliches Gesetz zum Schutz von Whistleblowern gibt es in den USA durchaus. Es nützt Snowden aber nichts. Denn Snowden will nicht seinen Arbeitsplatz verteidigen, sondern fürchtet eine Strafverfolgung in den USA wegen Spionage.

Kein Freibrief für Straftaten

Auch die deutschen Gesetzesentwürfe zum Schutz von Whistleblowern sehen keine Straflosigkeit vor, wenn jemand zum Beispiel einen Einbruch begeht, um einen Missstand aufzudecken. Whistleblower sollen dem Recht zum Durchbruch verhelfen, sie haben dabei aber keinen Freibrief selbst Straftaten zu begehen.

Snowden ist aber auch in anderer Hinsicht kein klassischer Whistleblower. Denn was er aufgedeckt hat, gilt in den USA (und Großbritannien) nicht unbedingt als Missstand. Ein eindeutiger Rechtsbruch des US-Geheimdienstes NSA ist bisher wohl noch nicht belegt. Und der US-Supreme Court würde die zugrunde liegenden US-Überwachungsgesetze wohl auch nicht als verfassungswidrig einstufen.

Snowden ist eher ein besorgter Bürger, dem die sicherheitspolitische Ausrichtung seines Landes grundsätzlich nicht passt. Er versucht die herrschende Politik zu skandalisieren, indem er zeigt, wie umfassend die Überwachung ist, damit sie überhaupt erst als Missstand erkannt wird.

Nach deutschen Recht wäre daher zu fragen, ob ein deutscher Ed Snowden straflos bleiben könnte, weil er von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht hat und mit der Veröffentlichung geheimer Dokumente eine wichtige öffentliche Debatte angestoßen hat. Diese Abwägung kann aber kaum gesetzlich normiert werden, sondern müsste im konkreten Fall von den Gerichten, bis hin zum Bundesverfassungsgericht, vorgenommen werden.

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