Skandal um rechte Chats in Hessen: Polizist warnte vor Ermittlungen
Die Sondersitzung im hessischen Landtag deckt auf, dass Vorgesetzte der Polizei zum Löschen problematischer Chats rieten. Die Opposition ist entsetzt.
Immerhin zieht der Skandal um neue rechte Chats bei der Frankfurter Polizei weite Kreise. Drei Vorgesetzte sind suspendiert, weil sie zur Vertuschung und Strafvereitelung im Amt beigetragen haben sollen. Insgesamt sind mittlerweile fünf Polizeibeamte suspendiert worden. Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt ermitteln. Er vertrete den Minister, weil der „mit einem privaten Thema beschäftigt“ sei, sagte Innenstaatssekretär Stefan Sauer, ebenfalls CDU, und arbeitete vor dem Ausschuss die zahlreichen Fragen der Abgeordneten ab. Danach stellen sich die Fakten wie folgt dar.
In diesem neuerlichen Verfahren wegen rechter Chatinhalte bei der hessischen Polizei wurden bereits am 22. Mai dieses Jahres erste verdeckte Ermittlungen gegen einen Polizeibeamten des Frankfurter Polizeipräsidiums aufgenommen. Anlass war eine Anzeige beim Ansprechpartner der Polizei im Ministerium: Ein Vollzugsbeamter hatte den Hinweis gegeben, dass ein Kollege in einer Chatgruppe in den Jahren 2017 und 2018 Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen geteilt habe, also Hakenkreuze und andere NS-Symbole.
Alle Brandmauern haben nicht gehalten
Zwei Monate später, im Juli dieses Jahres, erfuhren der Leiter einer Fahndungsgruppe und ein Dienststellenleiter im Frankfurter Polizeipräsidium von dem Vorgang. Statt die verdeckten Ermittlungen geheim zu halten und gegebenenfalls zu unterstützen, warnten die beiden Vorgesetzten ihre Untergebenen vor den Ermittlungen mit der Aufforderung, ihre Handys zu säubern und problematische alte Chats umgehend zu löschen. Wie viele KollegInnen sie gewarnt haben, ist nicht bekannt.
Tippgeber der beiden Vorgesetzten war ausgerechnet der für Amtsdelikte zuständige Amtsleiter, der eigentlich Verantwortung für korrekte interne Ermittlungen trägt. Wie der von dem Vorgang erfahren hatte, ist bislang nicht bekannt. Frankfurts Polizeipräsident Stefan Müller sprach vor dem Innenausschuss denn auch von einem „sehr ernsten Vorgang“, der ihn betroffen mache. Bei den beschuldigten Vorgesetzten habe es offensichtlich eine Schieflage gegeben, zwischen der professionellen Distanz und der persönlichen Nähe und Verbundenheit zwischen KollegInnen. Müller versicherte, dass die erneuten Vorgänge ernst genommen würden und bereits zu Konsequenzen in dem von ihm geleiteten Präsidium geführt hätten.
Der Abgeordnete der Linkspartei im Landtag, Torsten Felstehausen, stellte fest, quer durch das Frankfurter Polizeipräsidium hätten offenbar alle Brandmauern, die gezielt gesetzt worden seien, nicht gehalten. Er erneuerte seine Forderung nach einem unabhängigen Ansprechpartner für Polizeibedienstete und ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern. Der FDP-Abgeordnete Stefan Müller sprach von einer neuen Dimension der Probleme in der hessischen Polizei. Er regte eine komplette Überprüfung der Strukturen für interne Ermittlungen in der Polizei an; möglicherweise müsse externe Unterstützung hinzugezogen werden, so der Liberale.
Die Landtagsopposition beklagt, dass die Forderung nach einer vom Apparat unabhängigen Anlaufstelle für Polizeibeamte seit Jahren nicht realisiert werde. Die schwarz-grüne Regierungskoalition hatte beschlossen, für diese Aufgabe ein neues Amt zu schaffen. Ein Bürger- und Polizeibeauftragter soll künftig in Hessen kritischen Hinweisen aus Amtsstuben und aus der Bevölkerung nachgehen, doch die Regierungsparteien tun sich schwer mit der Besetzung der Stelle.
Im Sommer nominierten sie den Hamburger Polizeiwissenschaftler Rafael Behr für die neue Position. Im Oktober sagte er wegen gesundheitlicher Probleme ab. Das Amt ist nach wie vor unbesetzt.
Korrigiert am 10.08.2022 um 9:25 Uhr. Der beschuldigte Vollzugsbeamte soll Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in den Jahren 2017 und 2018 geteilt haben, nicht 2007 und 2008 wie es im Text zuletzt fälschlich hieß. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. d. R.
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