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Skandal um Pressefreiheit bei G20-GipfelBeweismittel vernichtet

Das BKA löscht Daten im Skandal um die Presseakkreditierungen beim G20-Gipfel. Eine Rekonstruktion wird so erschwert.

Graffiti vernichten ist okee. Daten im laufenden Verfahren: Nee Foto: Imago/Waldmüller

Berlin taz | Der Berliner Fotograf Po-Ming Cheung ist einer der 32 Journalist*innen, denen beim G20-Gipfel in Hamburg die Akkreditierung entzogen werden sollte. Doch wie sein Name auf die Liste des Bundeskriminalamts (BKA) gelangt ist, wird sich wohl nicht mehr rekonstruieren lassen: Bis vor wenigen Tagen wusste Cheung nicht einmal, was gegen ihn vorliegt. Und nun hat das Landeskriminalamt (LKA) Berlin die Datensätze gelöscht, wie die ARD berichtet.

Nach dem G20-Gipfel habe er Auskunftsersuchen ans BKA, LKA und ans Landesamt für Verfassungsschutz gestellt, sagte Cheung. Gleichzeitig erhoben er und acht andere Journalist*innen Klage gegen die Bundesregierung. Auch die Datenschutzbeauftragen von Bund und Ländern haben eine Prüfung der gespeicherten Datensätze eingeleitet.

„Der Staat darf keine Beweise unterdrücken, die der Bürger braucht, um eine rechtswidrige Datenspeicherung nachzuweisen. Das ist eindeutig rechtswidrig“, sagte der frühere Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix der ARD. Das LKA hatte Cheung auf seine Anfrage hin über drei angebliche Delikte informiert; eines davon „besonders schwerer Landfriedensbruch“, begangen angeblich bei einer Demonstration in Berlin im Jahr 2011. Cheung war damals als Fotograf vor Ort. Mit der Polizei hatte er weder während noch nach der Demonstration Kontakt, die offensichtlich falschen Anschuldigungen waren seitdem bei der Berliner Polizei gespeichert.

Man habe die Daten nun gelöscht, teilte das LKA Cheung mit, „da ihre weitere Speicherung für unsere Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist“. Das findet Cheung „ziemlich dreist“. Denn vermutlich war ebenjener Landfriedensbrucheintrag ursächlich dafür, dass Cheung vom Verfassungsschutz beobachtet wurde – und damit letztendlich der Grund für den Entzug der Akkreditierung.

In einem laufenden Prüfungsverfahren hätten die Daten eigentlich eingefroren werden müssen. So wie es laut ARD-Recherchen etwa im Fall eines anderen betroffenen Journalisten bei den Behörden in Hannover geschehen ist. Dadurch diskreditieren die Daten den Betroffenen nicht mehr. Es kann aber noch überprüft werden, wie es zu solchen falschen Einträgen überhaupt kommen konnte. Im Fall von Po-Ming Cheung ist das wohl nicht mehr möglich.

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13 Kommentare

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  • Hannibal ante error. Der Opa war Offizier bei den bewaffneten Organen der Deutschen Demokratischen Republik. Für die Mitarbeiter des ehem. Ministeriums für Staatssicherheit galten militärische Ränge.

     

    Der Opa wird nicht viel mehr erzählen können, als dass er "operative Vorgänge" verarbeitet hat. Ferner gab es auch noch ganz andere Abteilungen mit vielfältigen Aufgaben, die gar nicht in erster Linie der "Bespitzelung" dienten. Eher eine Spielwiese für Bürokraten.

     

    Was die BRD-Behörden veranstalten dient eigentlich nur der Vertuschung einer grandiosen Stümperei. Leider richten sie damit einen nicht behebbaren Schaden im Rechtstaat an. Man denke nur an den grenzdebilen Herren Röver vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz. Undenkbar, dass der Operettenstaatsminister des MfS Erich Mielke barfuß im Büro herum gelaufen wäre, in der Normannenstraße auf den Fluren Fahrrad gefahren oder bei karnevalistischen Umzügen in einer Ludendorff-Uniform herumgelatscht wäre.

     

    Solche Kaspertruppen kann man nicht ernst nehmen, aber sie sind dennoch ungemein schädlich.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @achterhoeker:

      Sie wissen ja viel über meinen Opa. Ohne Kriminalistikstudium hätte er auch in der Stasi keinen Mord untersuchen dürfen.

       

      Außerdem war das auch eher polemisch gemeint, in Referenz auf die Vertrauenswürdigkeit der Geheimdienste und Exekutivorgane - in jedem Staat. Das kam vielleicht nicht rüber. Als Tatsachenbehauptung möchte ich das nicht verstanden wissen.

       

      Wen meinen Sie eigntlich mit Kaspertruppen? LKA, BKA, VS? BND oder vielleicht NSA?

      Gegen letztere war die Stasi ja wirklich nicht mehr als eine Kaspertruppe, was die Professionalisierung, technische Ausstattung und das Budget angeht.

      Zur Zeit der Stasi war die NSA noch "no such agency", also ein Geheimdienst, der den Namen wirklich verdient hat. Diesen Status haben heute sicherlich andere Dienste übernommen.

       

      Mit Vertuscherei hat das was Roewer in Thüringen gemacht hat nichts zu tun. Das war professionelle Arbeit. Heute schreibt er für die "Junge Freiheit" und andere neofaschistische Medien, hält Referate vor Rechtsradikalen in Burschenschaften und berät neben bei noch den Veldenheimer Kreis vom so genannten Dresdener Hannah Arendt-Institut für Totalitarismusforschung.

      In Dresden sitzt auch der jetztige Chef des sächsichen VS, Mayer-Plath, der ist auch Burschenschaftler. Nicht erwähnenswert, dass Burschenschaften in Sachsen vom VS nicht mal aus der Ferne extremismusverdächtig sind, dafür aber Sitzblockaden gegen Nazidemos als linksextremistische Straftat verfolgt werden.

       

      Da werden von der CDU seit der Wende konsequent die Böcke zu Gärtnern gemacht.

       

      In einem Rechtsstaat müsste nach meinem Verständnis Roewer sich für sein Handeln strafrechtlich verantworten. Rechtsfreie Räume machen die Innenminister immer wieder in meinem Stadtteil aus, aber der Verfassungsschutz ist ein einziger großer rechtsfreier Raum. Oder nein, sooo, kann man das auch nicht sagen: r e c h t s freier Raum, das waren ja Rechtsradikale.

      Der Stasivergleich ist da fast schon verharmlosend. Wenn die AfD loslegt, werden andere Seiten aufgezogen.

  • Also echt jetzt. Erhebt man illegal Daten, wird gemeckert. Speichert man illegal Daten wird gemeckert. Löscht man illegal Daten wird gemeckert. Kann man denn als Polizei heutzutage GAR nichts Illegales mehr machen, ohne das gleiche jemand jammert?

    • @Frank N. Stein:

      Haben Sie den Text erfasst?

    • @Frank N. Stein:

      Hallo? Wenn sich die Polizei nicht mehr auf dem Boden der Gesetze bewegt, warum sollten andere es dann noch tun?

  • Wen wundert die Datenlöscherei? Beim NSU-Prozess sind sie ja auch straflos davon gekommen. Das hat System. Schlimm nur, dass es sich dabei um diejenigen handelt, die die Bürger und das Gesetz schützen sollten.

    Rechtsstaat?

    Nicht die Bundesrepublik Deutschland.

    Schlimm!

  • Verbrechen und Vergehen staatlicher Stellen werden leider in Deutschland so gut wie nicht verfolgt. Die Polizeibehörden vertuschen im Zweifelsfall alles.

     

    Und da die Staatsanwaltschaften nicht unabhängig sind, sondern weisungsgebunden, gilt das auch für wesentlich schlimmere Fälle. Gegen Scharping wurde auch nie wegen Führung eines Angriffskriegs ermittelt, gegen amerikanische Stellen (Ramstein-Drohnenkrieg) auich nicht, obwohl der Anfangsverdacht offensichtlich ist.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Das LKA erfindet Straftaten.

    Der Verfassungschutz beschattet Journalisten.

    Das BKA verbietet Journalisten.

    Das LKA/BKA vernichtet Beweismitel. In der Überschrift steht BKA im Text LKA?

     

    Mein Opa war Kriminalkommissar bei der Stasi, der kann mir bestimmt aus erster Hand erzählen, wie so etwas gemacht wird.

     

    Das ist eine gegen Linke gerichtete Exekutive außer Kontrolle. Das hat auch der NSU-Prozess klar gezeigt.

    Nazistrukturen wurden vom VS mit aufgebaut, unter der Ägide Roewer, der jetzt für die "Junge Freiheit" u.a. schreibt und in Burschenschften und im Veldenheimer Kreis Referate hält.

     

    Der derzeitige sächsische VS-Präsi ist übrigens Burschenschaftler. Der Bock zum Gärtner gemacht.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Die Linken und sozial Engagierte oder auch nur neutrale Berichterstatter werden pauschal kriminalisiert, während die Rechten verharmlost werden. Für die Menschen sind gerade Letztere die größte Gefahr. Der Innenminister scheint dies nicht sehen zu wollen und bläst sich seinen Etat mit der Dringlichkeit von Maßnahmen auf, die überflüssig wären, würde der braunen Soße in all ihren verheerenden Auswüchsen endlich wirksam Einhalt geboten. Mir scheint, er hat entweder keine oder die falschen Berater. Mit dem Bagatellisieren rechter Untaten fördert er gewaltsame Auswüchse und selbsternannte Legitimierte allenthalb auf den Straßen und vor so vielen Flüchtlingsunterkünften landauf - landab, die uns letztendlich auch die derzeitigen Wahlergebnisse beschert haben. Wann und wo hat er diesen denn in seiner Amtszeit Einhalt geboten?

  • Da war die NSU Untersuchung bis jetzt ja doch für etwas gut. Eins ist sicher, unsere Behörden wissen wie man Akten vernichtet!

  • Nix Neues.

    Es ist seit Jahren absolut übliche Praxis der Polizeien aller Bundesländer, unliebsame AktivistInnen, kackfrech und dummdreist mit frei erfundenen oder grotesk verzerrt dargestellten Straftatvorwürfen zu belasten.

    Recht hübsche Sammlung von derlei Dingen findet Mensch z.b. bei der Kletteraktivistin Cecile Lecomte aka "Eichhörnchen" http://blog.eichhoernchen.fr/post/Politisch-Motivierte-Polizeikriminalitaet

    • @Wagenbär:

      Am Ende hat sich Erdogan sein Vorgehen hier bei uns abgeschaut und nur noch um die Nuance 'zeitlich unbegrenzte Inhaftierung der grundlos Verdächtigten' verbessert.

  • NA, DANN MAN TOW...

    löschungen im nsu-verfahren, löschungen im g20-verfahren - der staat räumt auf mit den verfassungsrechten. alsdann strafanzeige gegen de misère und den zuständigen landesinnenminister als dienstherr und aufsicht wegen urkundenunterdrückung und beweismittelvernichtung. die besten verfassungsfeinde sitzen in der regierung - die afd schleckt sich das maul. wo ist der journalist, der solche "demokraten" aus dem amt schreibt. der spiegel konnte so was - früher, aber das ist schon eine ewigkeit her.