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Situation der Kurden30 Millionen Menschen suchen Platz

Deutschland muss auf die Kurd*innen in Rojava setzen. Denn sie sind es, die im Nahen Osten für die Werte des Westens kämpfen.

Flyer der YPG in einer aufgegebenen Stellung in Tal Abjad, Syrien Foto: Juma Mohammad/imago

D ie Geschichte der Kurden (circa 30 Millionen Menschen) wird meistens von anderen entschieden. Jedes Mal aufs Neue werden sie von wirtschaftlichen, politischen, ökologischen Fragen im Nahen Osten ausgeschlossen. 30 Millionen Menschen haben keinen Platz auf der Landkarte. Ihre Stimmen zählen nicht einmal in den Ländern, denen sie untergeordnet sind: Iran, Irak, Syrien, Türkei.

Europa unternimmt immer noch nichts Adäquates gegen den völkerrechtswidrigen Einmarsch der Türkei in Rojava. Auch Deutschland nicht. Man sieht zu, wie türkische Phosphorbomben laut der kurdischen Nachrichtenagentur ANF Kinder töten und IS-Flaggen wieder gehisst werden.

Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) meldete sich in einem Brief an Donald Trump und die US-Bevölkerung zu Wort: „Seit Jahren hatte das kurdische Volk […] einzig und allein um die demokratischen Grundrechte gebeten, die sie in den USA jeden Tag genießen: das Recht zu existieren, ihre eigene Sprache zu sprechen, ihre eigene Kultur zu praktizieren, als freie und gleichberechtigte Bürger an der Politik teilzunehmen.“

Die PKK (von Deutschland als Terrororganisation eingestuft, die Hisbollah übrigens nicht) ist ein Ergebnis türkischer Unterdrückung. Sie hat die Genfer Konvention unterzeichnet und bei verschiedenen Gelegenheiten Friedensverhandlungen gefordert. Sie haben „dies im Bewusstsein getan, dass der Krieg in dem Moment enden könnte, in dem die Kurden ihre Rechte bekommen. Diese Bemühungen wurden jedoch ignoriert.“

Ausgebürgert, enteignet, umgesiedelt

Auch im Syrien-Konflikt werden die Kurd*innen aus Verhandlungen ausgeschlossen. Sie sitzen nicht mit am Tisch, wenn in Brüssel, Sotschi oder Istanbul über ihre Zukunft diskutiert wird. Dabei sind sie es, die im Nahen Osten für die Werte des Westen kämpfen, nicht Europa oder Deutschland.

Um einem Genozid durch die türkische Armee und ihre islamistischen Söldner zu entgehen, gehen die Kurd*innen mit Assad einen Deal ein, der sie politisch vernichten wird. Für die Geschichtsschreibung bedeutet das: Für die einen wird Assad der Retter der Kurd*innen sein, für die anderen werden die Kurd*innen zu Verrätern. Beides ist falsch.

In der Syrischen Arabischen Republik, regiert von Assad und der Baath-Partei, war für die Kurden nie Platz. Sie sind Menschen zweiter Klasse, die oft nicht studieren, nicht heiraten durften, keine Grundnahrungsmittel und medizinische Versorgung erhielten. Sie wurden ausgebürgert, enteignet, umgesiedelt und arabisiert.

Rojava, die von Kurd*innen 2016 ausgerufene Selbstverwaltungszone, ist Assad und Erdoğan ein Dorn im Auge. Ein kleines Kurdistan im eigenen Land oder direkt an der Grenze akzeptieren sie nicht. Annegret Kramp-Karrenbauers Vorschlag, eine internationale Sicherheitszone zu errichten, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn Deutschland und Europa nicht auf Rojava setzen, werden auch sie am Ende als Verlierer hervorgehen.

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Ronya Othmann
Kolumnistin
Kolumnistin, Autorin, Lyrikerin und Journalistin. Schreibt zusammen mit Cemile Sahin die Kolumne OrientExpress
Cemile Sahin
Künstlerin
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18 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""30 Millionen Kurden suchen Ihren Platz""



    ==



    Weltweit sind derzeit nach UN Angaben 70 Millionen Flüchtlinge unterwegs.

    Nach Angaben der zurückgedrängten teilautonomen Kurden im Nordirak erreichen dort täglich ca. 1000 Kurden aus Nordsyrien das Gebiet der nordirakischen Kurden. (Kurdistan Region of Iraq (abgekürzr KRI).

    Wobei das Assad-Regime mit Unterstützung Russlands letzte Woche die gesamte Grenzregion zwischen Manbij und Kobane beschlagnahmt hat - als auch die östliche Grenzregion in Hasaka/Qamishly bis zur nordirakischen Grenze - dort sind übrigens auch iranische Milizen stationiert.

    Die Türkei patroulliert nur im mittleren Abschnitt der syrischen Grenzregion - ca. zwischen Tall Abyad und Tell Halaf.

    Putin steht nun also Erdogan -- und Erdogan steht mehr Putin gegenüber --- als das sich die Türkei von den nordsyrischen Kurden abgrenzt.

    Die gesamte Grenze ist ca. 900 km lang - Fakt ist das ca. (geschätzt) 600 km wieder vom Massenmörder Assad mit Unterstützung aus der russischen Förderation kontrolliert werden - wobei sich hinter der mittleren türkisch kontrollierten syrischen Grenzzone Assadtruppen mit russischen Truppen - Verbänden formiert haben und sich anschliessen.

    Fazit: Das Schicksal der historischen Kurdengebiete (Kobani) liegt nun vollständig in den Händen von Assad / Russland - wie der längste oder größte Teil des syrisch - türkischen Grenzgebietes.

    Was ist nun Propaganda - Theorie - und Realität?



    ==============================



    Wenn nun defacto russische - und Assadverbände die türkisch - syrische Grenze beherrschen - was sagt das über Erdogans Politik aus - und was sagt das aus über die Bemühungen Putins - die Kurden zum Spielball geopolitischer Vorstellungen der Russischen Förderation zu machen?

  • "Ein kleines Kurdistan im eigenen Land oder direkt an der Grenze akzeptieren sie nicht."

    Sind das alternative Fakten oder leben in der "Autonomen Region Kurdistan" im Nordirak etwa keine Kurden? Die Türkei unterhält dort in Erbil sogar eine diplomatische Vertretung!



    Ach, ich vergaß - nur militante Sozialisten sind richtige Kurden...

    • @Filburt:

      Das sind aber konservative Kurden. Keine Linken Kurden.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Richtig erkannt. Es geht nicht um Ethnien, sondern im Ideologien. Der IS hatte auch nichts gegen "Kurden". Es gibt sogar eine kurdische radikalislamische Hisbollah

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Filburt:

      Wenn sie sich schon gegen alternative Fakten wenden - sollten sie selber vermeiden in den Geruch zu kommen selbige zumindest unterschwellig zu verwenden.""



      ==



      Das bislang letzte Kapitel der nicht so sehr autonomen Region Kurdistan wurde im Juni 2017 geschrieben - die kurdische Regionalregierung kündigte eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit vom irakischen Zentralstaat an -- und das Resultat ergab im September 2017 ein überragendes Votum für eine Unabhängigkeit.

      Mitte Oktober rückte die irakische Armee und Milizverbände in die nach dem Kampf gegen den IS durch die Peschmerga besetzten Gebiete ein. Dabei kam es zu Kämpfen und Toten.

      Die Autonome Region Kurdistan wurde faktisch auf ein Territorium von vor 2003 zurückgedrängt - trotzdem auch hier weite Gebiete durch Kurden vom IS in äußerst verlustreichen Kämpfen befreit wurden - und das oberste irakische Verfassungsgericht erklärte dann im November 2017 das Referendum für verfassungswidrig.

      Das war es dann - vorerst - mit der kurdischen Autonomie im Nordirak.

      US Präsident Woodrow Wilson war es, den Kurden das Selbst-bestimmungsrecht im Jahr 1920 gewährte - doch wurde dieses Recht 1923 zugunsten der Türkei revidiert.

      Was dann folgte ist nachlesbar - eine Kette von Aufständen und feindlichen Übergriffen mit Tausenden von Toten - bis zur Vergasung von Kurden im Iraq durch Saddam Hussein.

      Was jetzt folgt im Oktober 2019:



      Einkreisung der Kurden, Vertreibung aus ihren angestammten Wohngebieten in Nordsyrien - und Entrechtung - das ist die Politik die ultra-nationalistische pseudoreligiöse Diktatoren wie Erdogan und Khamenei in dieser Region betreiben.

      Putin nutzt die Kurden als Spielball - die russische Förderation besteht aus über 100 unterdrückten Ethnien - außer seinen Versuchen Großmacht zu spielen und Latakia als militärisches Bollwerk am Mittelmeer auszubauen - viel mehr ist von Putin nicht zu erwarten.

  • Rojava (oder wie auch immer) hat sich durch die aktuellen Entwicklungen doch unlängst erledigt (wahrscheinlich schon vor der Veröffentlichung des Artikels). Das alles passiert in Asien und hat mit Deutschland respektive der EU nichts zu tun. Die westlichen Werte werden ganz sicher nicht am Euphrat verteidigt und vor allem nicht von den Kurden.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ein zwiespältiger Kommentar.

    Was die Kurden angeht: d'accord. Sie haben all meine Achtung und meinen Respekt.

    Anders die "Werte des Westens": hier würde ein genauerer Blick nicht schaden. Um welche Werte handelt es sich genau? Und welche davon sind unterstützenswert?

    Vor allem: was nutzen die "besten Werte", wenn sie von der Realität konterkariert werden.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Die Ideologie Öcalans grenzt sich eindeutig vom westlichen Liberalismus ab.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @El-ahrairah:

        Was möchte mir der Mensch dieser Worte damit sagen?

        • @76530 (Profil gelöscht):

          Dass die YPG andere Vorstellungen von Demokratie ect. hat, als der Westen. Das bedeutet aber definitiv nicht, dass die Vorstellungen der YPG schlechter sind. Sie sind nur anders.

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @warum_denkt_keiner_nach?:

            Falls er das so gemeint hat, kann ich ihm nur zustimmen.

            Danke für die Vermittlung. ;-)

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Setzen und was machen? Truppen schicken, Krieg mit Türkei und Russland? Dafür gibt es leider einfach keine Mehrheiten noch das Budget. Die Kurden werden im Stich gelassen weil es politisch so gewollt ist und weil man nicht bereit ist einen Preis für sie zu bezahlen.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""30 Millionen Menschen haben keinen Platz auf der Landkarte. Ihre Stimmen zählen nicht einmal in den Ländern, denen sie untergeordnet sind: Iran, Irak, Syrien, Türkei.""



    ==



    Dieses Verhältnis der Unterdrückung von ethnischen Minderheiten in den angesprochenen Ländern - die sich zusammen gezählt als Mehrheit entpuppt - wurde spätestens mit dem Sykes-Picot-Abkommen von 1916 und der später folgenden Erweiterung zementiert.

    Die berechtigte Kritik der Linken war immer, unabhängig von der Ungerechtigkeit, das die Grenzen von Sykes - Picot Siedlungsgebiete von Minoritäten durchschneiden, das ein Gebiet für Kurden nicht vorgesehen war.

    Es ist auch schlichtweg der Unfähigkeit der Linken zu Realpolitik zu verdanken das die Kurden nun nahezu chancenlos dastehen. Ein Rückblick auf das Jahr 2013 zeigt



    wie Linke den Traum von Autonomie und Demokratie im Nahen Osten durchlöchert haben.

    Der Einfluss Europas in Syrien und im Iran tendiert nahezu gegen Null - dort hat nun Putin die Vorherrschaft übernommen und folgt den ultra-nationalistischen und religiös eingefärbten Trends des dort kommunal herrschenden Möchtegerndiktator Erdogan und dem religiösen Regime in Teheran: Chancen der Aussicht auf Autonomie der Kurden in Syrien und Iran : Weniger als Null. Assad spielt nur noch als Massenmörder und als Wärter syrischer Konzentrationslager wie Sednaya eine Rolle - staatliche Souveränität hat er schon längst an Putin und Khamenei abgegeben.

    Was Europa bleibt ist der Einfluss auf die Türkei. Diesen Einfluss sollte Europa nicht verspielen - das ist fast der einzige Hebel der Europa bleibt im Nahen Osten auf die dortigen Entwicklungen Einfluss zu nehmen.

  • Unsinn. Die Werte des Westens, zumindest der dominante Liberalismus, sind Nicht-Werte von Zerfall, Egoismus und Nihilismus.

    Öcalans Kommunalismus grenzt sich explizit vom westlichen Liberalismus ab und strebt eine bottom-up-Gesellschaft aus selbstorganisierten Kommunen an. Das isolierte, vereinsamte und hysterisch nach Aufmerksamkeit schreiende Individuum des sterbenden Westens ist ein Auslaufmodell.

  • So Leid es mir tut. Aber Rojava ist mit den "Werten" des Westens unvereinbar. Viel zu "Links". Bei einer gut lackierten Diktatur würde das anders aussehen.

  • Vieles ist richtig. Aber die Wortwahl macht die Musik: Sie sollen unterstützt werden, weil sie "... für die Werte des Westens kämpfen...". Dürfen wir uns erlauben, diese Werte über alles zu stellen? Das ist doch sehr egoistisch. Jedenfalls solange die Werte nicht übergreifend, zB als Menschenrechte definiert werden.

  • Eine Miliz, die systematisch Menschenrechtsverletzungen begeht, verteidigt jetzt also die "Werte des Westens"?

    • @Zven:

      Ist alles relativ. Gegen den Rest der Region sind die Kurden Heilige. Außerdem gehören Menschenrechtsverletzungen zu den "Werten" des Westens.