Sinkende Pegel am Panamakanal: Er sinkt bedrohlich
Eine monatelange Dürre gefährdet eine der wichtigsten Wasserstraßen für den Welthandel. Der Pegelstand im Panamakanal ist stark gesunken.
Die Regierung in Panama-Stadt hat bereits am 30. Mai den Klimanotstand ausgerufen und die Kanalbehörde denkt darüber nach, die Zahl der Schiffe zu senken, die die Wasserstraße täglich passieren dürfen. „Derzeit sind es zwischen 36 und 38, aber vielleicht müssen wir die Zahl auf 28–32 absenken“, erklärte Ricaurte Vásquez Morales auf einer Pressekonferenz am Dienstag. Der Kanal bringt der Betreibergesellschaft jährliche Umsätze von 2,5 Milliarden US-Dollar ein.
Doch rund um den Kanal sinkt der Pegelstand: Sowohl am Gatún- als auch am Alajuelasee. Fischerboote, die auf dem trocknen liegen, prägen das Ambiente rund um den Alajuelasee und es gibt keine Aussichten auf Besserung. Der Mai ist der trockenste seit 1950, so berichtet die Kanalbehörde. Die Dürre und der Regenmangel seien Folge des Klimawandels und zugleich die Vorboten des Wetterphänomens El Niño.
Das tritt alle fünf bis sieben Jahre in der Region auf und sorgt in Mittelamerika im Gegensatz zu Südamerika für weniger Niederschläge. Das bestätigt auch das meteorologische Institut des Landes. Es rechnet damit, dass auch in der zweiten Jahreshälfte weniger Regen fallen wird als normal. Für die Kanalbehörde und für die rund zwei Millionen Menschen im Großraum von Panama-Stadt ist das eine verheerende Nachricht.
Containergiganten dürfen nur teilbeladen durch den Kanal
Der Kanal braucht Unmengen an Süßwasser, weil Schiffe in den 12 Schleusen um knapp 26 Meter über den Meeresspiegel gehoben werden müssen. Für jedes Schiff, das die Wasserstraße passiert, werden 202.000 Kubikmeter Wasser benötigt und diese Unmengen an Wasser stehen derzeit kaum mehr zur Verfügung. Für die großen Reedereien eine schlechte Nachricht, denn schon jetzt dürfen die bis zu 366 Meter langen und 49 Meter breiten Containergiganten nur teilbeladen den Kanal passieren. Die Waren müssen also verteilt werden: auf mehrere Schiffe mit steigenden Kosten.
Das hat Folgen für die Abläufe in der Lieferkette. Schon jetzt ist klar, dass weitaus weniger Schiffe als die 14.239 im Jahr 2022 den Kanal passieren werden. Auch das Gütervolumen von rund 520 Millionen Tonnen wird sinken und das hat Folgen für die Verfügbarkeit von Produkten aus Lateinamerika für den europäischen Markt, zum Beispiel Kaffee oder Bananen. In Ecuador, dem größten Bananenexporteur der Welt, wird die Entwicklung von Jorge Acosta, Gewerkschaftskoordinator genauso beobachtet wie vom Verband der Bananenexporteure.
Ähnlich liegt der Fall in Südkorea. Das Land ordert Gas en Gros in Texas, aber auch in Mexiko und die modernen LNG-Tanker sind auf die Wasserstraße zwischen Nord- und Südamerika angewiesen. Die 13.000 Kilometer lange Ehrenrunde rund um Lateinamerika ist zu teuer und kostet zu viel Zeit.
Fünf bis sechs Prozent des weltweiten Schiffsfrachtverkehrs läuft über den 1914 eröffneten Kanal, der als Wunderwerk der Ingenieurskunst gilt. Für die Versorgung Europas ist der Kanal nicht ganz so wichtig: „Der Effekt für die Lieferkette ist nicht ganz so gravierend wie der Suez-Kanal“, argumentiert Nils Haupt von Hapag-Lloyd in Hamburg. Teurer wird die Route über den Panamakanal aber in jedem Fall aufgrund der ergriffenen Maßnahmen der Kanalbehörde werden. „Mehr Schiffe mit weniger Ladung heißt das in der Realität“, sagt Haupt, Kommunikationsleiter bei der fünftgrößten Reederei der Welt.
Niederschlagsmuster massiv verändert
Offen ist, wie es mittelfristig mit dem Kanal im Klimastress weitergeht. Steven Paton, Klimaexperte des Smithsonian Tropeninstituts in Panama, konstatiert, dass sich die Niederschlagsmuster massiv verändert haben. Regenmenge und auch der Zeitpunkt der Niederschläge variieren deutlich stärker, als das früher der Fall gewesen sei, schreibt Paton. Das sind schlechte Nachrichten für die Kanalbehörde, die Menschen vor Ort und den Welthandel.
An Konzepten, wie der Kanal mit weniger Wasser auskommen kann, wie das Wasser mehrfach genutzt werden kann und wie ein Wassermanagementsystem aussehen kann, wird nach den beiden Dürrejahren 2015 und 2019 gearbeitet. Doch ein finanzierbares Gesamtkonzept gibt es noch nicht. Für die Reedereien heißt das, weniger große und mehr kleine Containerschiffe einsetzen. Kunden müssen mit steigenden Kosten rechnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin