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Sicherheit im FußballstadionÜbertriebene Maßnahmen

Erik Peter

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Erik Peter

KI-gestützte Gesichtskontrollen und Stadionverbote sollen mehr Sicherheit für die Fans bringen. Tatsächlich droht gar keine Gefahr in den Stadien.

Fußballfans aus der ganzen Bundesrepublik protestieren im November in Leipzig gegen strengere Sicherheits-maßnahmen bei Spielen Foto: Jan Woitas/dpa

D eutsche Fußballstadien sind so sicher wie nie. Vergangene Saison besuchten 25,3 Millionen Menschen die Spiele der ersten drei Ligen, mehr als jemals zuvor. Laut der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze wurden dabei 1.107 Fans und Po­li­zis­t:in­nen verletzt – ein deutlicher Rückgang zur Vorsaison. Die Gefahrenquote für Be­su­che­r:in­nen liegt bei 0,0044 Prozent, gerundet 0,0 Prozent, und das bei einer Reduzierung der polizeilichen Einsatzstunden um zehn Prozent.

Man könnte sich kollektiv auf die Schulter zu klopfen: Vereine, Verbände, Politik und Polizei, nicht zuletzt die Fans selbst haben ganze Arbeit geleistet. Die Zeiten, in denen sich Hooligans Schlachten in den Stadien lieferten, sind lange vorbei. Ausgefeilte Sicherheitskonzepte, Fantrennung, der Wandel der Fankultur und sozialpädagogische Arbeit haben dafür gesorgt, dass die gefährlichsten Bilder heutzutage Ultras mit Bengalos sind.

Doch in die Logik von In­nen­mi­nis­te­r:in­nen passt der nüchterne Blick auf die Fakten nicht. Auf ihrer am Mittwoch in Bremen beginnenden Konferenz wollen sie ein Maßrahmenpaket beschließen, das die Sicherheit in den Stadien erhöhen soll, tatsächlich aber ein Repressionskatalog ist: KI-gestützte Gesichtserkennungssoftware, zentral verfügte Stadionverbote schon auf Verdacht, striktes Vorgehen gegen Pyrotechnik und die Einführung personalisierter Tickets. Dabei sind weder Ausweiskontrollen am Stadiontor logistisch zu bewältigen, noch helfen Kameras oder Strafen gegen den Einsatz von Pyros.

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Die mit Stimmungsboykotten, Demos und Bannern protestierenden Fanszenen kritisieren zu Recht den „Populismus“ der Innenpolitiker:innen, die sich nicht nur ahnungslos über Fakten, sondern auch über die gewachsene Strukturen zwischen Fans, Fanprojekten und Vereinen hinwegsetzen wollen. Es sind wie so oft Fußballfans, an denen autoritäre Kontrollfantasien zuerst erprobt werden sollen. Das aber ist ein Sicherheitsrisiko für alle, die mit einem zunehmend autoritären Staat in Berührung kommen.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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