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Shorts als MännermodeMacht mal halblang!

Kurze Hosen sind mehr als ein modisches Statement. Unser Autor wünscht sich Gleichberechtigung – und erlaubt sich selbst mehr Freiheit.

Männer wollen im Sommer auch mal ihre Beine zeigen Foto: Yay images/imago

Wenn warme Sonnenstrahlen haarige Männerbeine berühren und winterdepressive Waden streicheln, wenn sich das Vitamin D auf der Haut mit einem Gefühl der Leichtigkeit verbindet, ja, dann ist endlich so richtig Sommer. Ob Sweatshorts, Bermudas oder Hotpants – was Karl Lagerfeld noch als „erniedrigend“ oder für „dumme Jungs“ abgetan hat, verliert immer mehr an Stigmatisierung. Shorts sei Dank!

Als ich als kleiner Junge im Sommer in der Türkei war, rannte ich in meinen kurzen Hosen gern zum Teehaus am Dorfplatz, wo mein Großvater saß. Im Schatten der Bäume spielten die Herrschaften Tavla, tranken Çay und unterhielten sich. Und sie trugen selbstverständlich lange Hosen, auch bei horrenden Temperaturen.

Das muss allerdings nicht heißen, dass man Shorts mit zunehmendem Alter entwächst. Sie können nämlich durchaus elegant sein, das hat zuletzt der US-Schauspieler Pedro Pascal bei der Met-Gala im Mai bewiesen – die übrigens, tja, zu Ehren Karl Lagerfelds stattfand. Pascals wunderbar muskulöse Beine erschienen in einem Traum aus schwarzer, kurzer Hose, umhüllt von einem leuchtenden roten Mantel, seine Füße steckten in derben schwarz glänzenden Stiefeln. Und der Musiker Pharrell Williams, der schon vor Jahren in kurzer Hose über den roten Teppich lief, schickte in seiner neuen Rolle als Krea­tiv­chef von Louis Vuitton zur Auftaktshow Ende Juni sein erstes Model in knielanger Anzughose über den Laufsteg, kombiniert mit Sakko, Hemd, Krawatte und Gummistiefeln.

Bermudas im Büro? Für Knigge kein Problem

Klar sind rote Teppiche und Laufstege etwas anderes als die Fußgängerzone einer mittelgroßen deutschen Stadt. Die wenigsten Männer werden sich in Shorts und Gummistiefeln zur Arbeit trauen, es sei denn, sie sind Gärtner. Deshalb sieht man die halben Hosen hierzulande immer noch eher in der Freizeit, kombiniert mit risikoarmen weißen Socken und Sneakern oder Birkenstocks. Im Büro gilt bedauerlicherweise auch 2023 bei vielen Männern: besser keine halben Sachen.

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Sicher macht es auch einen Unterschied, ob jemand in einem jungen Start-up arbeitet oder in einem alteingesessenen Unternehmen. Aber mittlerweile erlaubte selbst die stellvertretende Vorsitzende der deutschen Knigge-Gesellschaft Bermudas im Büro – allerdings entweder ohne Socken oder mit Kniestrümpfen. Ob das dem Klimawandel geschuldet ist? Schöner wäre, es läge am Wandel der Gesellschaft.

Die Bigotterie zwischen weiblicher und männlicher sommerlicher Bürokleidung machte bereits vor sechs Jahren ein Mann in England zum Thema. „Wenn Frauen Röcke und Kleider bei der Arbeit tragen können, kann ich dann diese schicken Shorts anziehen?“, twitterte der junge Brite. Nein, fand sein Arbeitgeber und schickte ihn samt schicker Shorts bei 30 Grad nach Hause. Daraufhin kam er protestierend zurück – in einem kurzen, schwarz-pinken Kleid. Und hatte Erfolg: Die Firma erlaubte kurze Hosen in der Belegschaft.

Kevin Kühnert macht's vor

Doch auch 2018 wurden nackte Männerbeine bei der Arbeit immer noch skeptisch beäugt. Wie etwa die von Ijad Madisch, CEO des wissenschaftlichen Netzwerks ResearchGate, der auf einem Foto neben Angela Merkel mit kurzer Hose und Basecap posierte. Das Foto sorgte für hitzige Diskussionen in den sozialen Medien – darf man das, in kurzen Hosen neben der Kanzlerin stehen? 2020 machte Kevin Kühnert dann mit knapper Beinbekleidung Wahlkampf. Geschadet hat es ihm nicht: Heute ist er Generalsekretär der SPD.

Es gibt also Hoffnung, dass er noch kommt, der Siegeszug der kurzen Männerhosen. Zumal sie auch politisches Statement sein können. In Iran solidarisieren sich Männer seit dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini mit protestierenden Frauen, indem sie zu Shorts und pinker Farbe greifen, obwohl beides von der iranischen Sittenpolizei verboten ist.

Ich selbst muss gestehen: Ins Büro habe auch ich mich erst vor wenigen Tagen mit bloßen Beinen getraut – in einer dunkelgrünen Chino-Shorts der Extraklasse. Bis dahin fühlte ich mich mit mehr Stoff einfach sicherer. Doch nun schwebten wir, die Hose und ich, über dem Schweißgeruch des Teppichbodens den Flur entlang, vorbei an schwitzenden Kol­le­g:i­nnen. Zu meiner Überraschung gab es keinen Kommentar, keine seltsamen Blicke. Also: Männer, macht mal halblang!

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4 Kommentare

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  • Wenn es eines gibt, bei dem Frauen es viel, viel besser haben als Männer, dann ist es Bürokleidung im Sommer. Frauen können problemlos luftige Kleider aus kühlen Stoffen mit Spaghettiträgern und dazu Sandalen anziehen. Männer müssen im Zweifelsfall auch bei 35 Grad lange Hose, Jacket und Krawatte (=Schal) tragen.

  • Ihr verlinkt auf eine Artikel der "Welt"? Da hab ich mich aber richtig erschrocken!

  • Also, persönlich sind kurze Hosen nicht mein Fall. Aber keine Frage, Eser Aktay überzeugt mit seinem Plädoyer zur Hosenmode: Männer, macht mal halblang. Schnell wird klar, dass es dazu mehr braucht als die kurze Hose allein. Geschmackssicherheit ist unbedingt erforderlich, wenn es gilt die dezent dunkelgrünen Chino-Shorts mit der übrigen Kleidung zu einem ansprechend „Gesamtkunstwerk des Alltags“ zu kombinieren. Hawaii-Hemd ginge da z. B. gar nicht. Denk ich jedenfalls. Und wenn es eine Base-Cap sein sollte; bitte keine mit Aufschrift und/oder Emblem. Ich laufe jedenfalls nicht für „craft-beer“ Reklame. Wer will DAS wirklich sehen?



    Sofort habe ich ein Problem. Denn ich trage „sie“ und will darüber nicht einkniggen: Die Herrentasche des Grauens. Arno Frank kennt da überhaupt kein Pardon, wenn er mir in der Taz seine WAHRHEIT über diesen „Dummbeutel“ sagt, diesem „Pfropf an der Silhouette des modernen Mannes“. Schnell wird mir klar, dass ich mich hier entscheiden muss. Ich bin nur eine winzige Singularität in der grauen Masse der Multitude. Und ob ich überhaupt so etwas wie „singulär“ bin steht sowieso in Frage. Jedenfalls muss ich mich entscheiden. Entweder „halblang“ oder „Herrentasche“. Mann stelle sich vor: Ich kombiniere etwas, das so tut als sei es eine dezent dunkelgrüne Chino-Shorts mit einem Hawaii-Hemd, Jesus-Latschen u. Socken sowie einer „Craft-Beer-Base-Cap“. Und dann dazu „sie“, die unaussprechliche. Ich bin mir nicht sicher, ob ich damit in der Öffentlichkeit eine „Überlebenschance“ hätte. Das geht zu weit! Wegsperren!



    Im Ernst. Ich habe den Artikel gern gelesen. Er ist beschwingt und inhaltsreich, auch mit seinen Links. Und zeigt doch, wie bitter ernst es in Sachen Kleidung für viel zu viele Menschen plötzlich werden kann, wo das für uns hier zuletzt nur ein Sommervergnügen zu sein braucht. Weil es hier zuletzt heißen kann: Jeder, wie er mag.

  • Seit einem Sommer mach ich's (57) ... das Alter lässt die Etikette tiefer hängen und Hosen kürzer werden ... echter Gewinn an Lebensqualität!!