Shitstorm gegen den MDR-Sachsen: Die große sprachliche Verunsicherung
Der MDR hat eine Sendung über „Political Correctness“ mit einem rassistischen Tweet angekündigt. Das Problem beginnt schon deutlich früher.
I ch bin ständig verunsichert. Ich frage mich, ob mein Körper meinen und den gesellschaftlichen Maßstäben genügt. Oder ob ich der richtigen Arbeit nachgehe. In meinen Filterblasen macht sich außerdem immer häufiger sprachliche Verunsicherung breit: wird jetzt mit Sternchen oder Unterstrich gegendert, wie lautet die aktuelle Selbstbezeichnung von Menschen of Color, und was bringen diese sich ständig verändernden Be- und Kennzeichnungen bestimmter Personengruppen eigentlich? Will heißen: Verunsicherung ist normal und menschlich. Aber …
Der MDR-Sachsen hatte diese Woche für sein Format „Dienstags direkt“ eine Sendung geplant, deren Ankündigung auf Twitter für einen Shitstorm sorgte. Die eigentlich schon längst in der blau-braunen Versenkung verschwundene Frauke Petry, die Linken-Sprecherin im sächsischen Landtag Kerstin Köditz, der Journalist und Verteidiger der Schnitzelrechte auf rassistische Bezeichnungen Peter Hahne und der Politikwissenschaftler Robert Feustel von der Uni Leipzig sollten sich im Radio über die Zulässigkeit des N-Wortes und „Politische Korrektheit“ streiten.
Nach dem Shitstorm sagten Köditz und Feustel ihre Teilnahme an der Sendung ab, der Beitrag fiel aus. Beide waren nach eigenen Angaben zunächst nur zum Thema „politische Korrektheit“ angefragt worden, einem „Kampfbegriff der Rechten“, den sie nicht unwidersprochen lassen wollten. Im Gespräch wies Robert Feustel außerdem darauf hin, dass in der ursprünglichen Konzeption der Sendung die Genderthematik den Schwerpunkt darstellen sollte.
Eigentlich wollte sich der MDR-Sachsen also einem wichtigen Thema zuwenden: Welche Macht hat Sprache, was macht sie mit uns, wieso sorgt die Debatte um „Political Correctness“ für so viele emotionale Ausbrüche, was dürfen wir (wie) sagen – und was eben nicht? Über diese Fragen darf und muss gestritten werden, wichtig ist dabei aber wer zu Wort kommt und wem eine Bühne zur Profilierung von Interessen gegeben wird.
Betroffene kommen nicht zu Wort
Das Problem des MDR-Vorfalls fängt demnach deutlich früher an. Auf der Website des MDR-Sachsen finden sich zum Thema bereits zwei Interviews mit Frauke Petry und Kerstin Köditz sowie ein Link zum Nachrichtenportal des MDR. Dort schreibt Matthias Winkelmann von „MDR aktuell“ über die Herkunft des N-Worts und befragt den Sprachwissenschaftler Albrecht Plewnia dazu, wie beleidigend der Begriff eigentlich sei. Aber wie soll dieser weiße Wissenschaftler beantworten können, wie beleidigend, verletzend und diskriminierend das N-Wort aus Sicht von Betroffenen ist?
Die Programmverantwortlichen beim MDR haben eine Sendung zum Thema „Politische Korrektheit“ konzipiert, in die keine einzige von diskriminierender Sprache betroffene Person eingeladen war. Durch die Einladung von Frauke Petry und Peter Hahne wäre dafür erneut dem rechten Rand viel zu viel Raum in einer Debatte geboten worden, die immer wieder von genau dort für hetzerische Zwecke missbraucht wird.
Es ist nicht verboten, über diskriminierende Sprache und unsere allgemeine und persönliche Verunsicherung zu sprechen. Aber das hätte der MDR mit seinem exklusiven Konzept auch nicht gekonnt.
Rassismus gehört beschissenerweise immer noch zu diesem Deutschland. Das manifestiert sich im deutschen Alltag, in unserer Gesellschaftsstruktur, in den Medien, die lieber rechte C-Prominenz zu Wort kommen lassen, als Betroffene – und nicht zuletzt in unseren Köpfen.
Um das zu ändern, reicht keine halbgare Entschuldigung, wie der MDR sie als Reaktion auf den Shitstorm vorschob. Die Programmverantwortlichen müssen ihr gesamtes thematisches Konzept in Frage stellen. Verunsicherung (auch meine; hallo, da bist du wieder!) geht nicht dadurch weg, dass man möglichst laut brüllt oder leise klein beigibt. Rassismus auch nicht.
Wir sensibilisieren uns nicht automatisch für die Positionen diskriminierter Gruppen, nur weil wir unseren Sprachgebrauch anpassen. Das passiert nur, wenn wir unsere erlernte Wortwahl und Denkmuster hinterfragen, marginalisierten Stimmen zuhören und endlich, endlich empfänglich für Selbstkritik werden.
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