Sexuelle Gewalt gegen Minderjährige: Streit über Gesetz in der Türkei
Sexualstraftäter sollen bei Heirat ihrer Opfer rückwirkend straffrei ausgehen. Justizminister Bekir Bozdag wirft der Opposition „absichtliche Verdrehung“ der Tatsachen vor.
Der Abgeordnete Özgür Özel von der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) schrieb auf Twitter, die regierende islamisch-konservative Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) habe einen Text durchgebracht, der Vergewaltiger von Kindern straffrei stelle. In den sozialen Medien fanden sich ähnliche Kommentare. Ruhat Sena Aksener von Amnesty International Türkei, schrieb empört: „Sexuelle Aggression ohne Zwang“ gebe es nicht.
Justizminister Bekir Bozdag warf der Opposition „absichtliche Verdrehung“ der Tatsachen vor. Bei den Tätern handele es sich nicht um Vergewaltiger, und bei dem Gesetz gehe es vielmehr um den „Schutz von Kindern“. Ehen mit Minderjährigen seien leider eine „Realität“. Wenn daraus ein Kind hervorgehe, informiere der Arzt den Staatsanwalt, der Mann lande im Gefängnis und seine Familie gerate in Schwierigkeiten. Derzeit gebe es etwa 3000 solche Familien.
Auch der Regierungschef Binali Yildirim sprach von „völlig falschen Beschuldigungen. Das geplante Gesetz gelte einmalig und gelte rückwirkend für Taten, die vor dem 11. November 2016 verübt wurden. Er erinnerte daran, dass unter der jetzigen Regierung die Strafen für Vergewaltigungen verschärft worden seien. Die Opposition versuche lediglich, aus der Diskussion um den Gesetzentwurf politisches Kapital zu schlagen. Damit das Gesetz in Kraft treten kann, müssen die Abgeordneten der Vorlage in den kommenden Tagen noch in zweiter Lesung zustimmen.
Das Mindestalter für legales Heiraten liegt in der Türkei bei 17 Jahren – mit Zustimmung der Eltern. Besonders im Osten des Landes wird dieses Alter bei Mädchen noch immer häufig unterschritten. In einigen besonderen Ausnahmefällen dürfen Mädchen mit richterlicher Genehmigung auch mit 16 Jahren heiraten.
Das türkische Verfassungsgericht hatte im Juli nach einer Petition eines untergeordneten Gerichts ein Gesetz aufgehoben, das sexuelle Handlungen mit Kindern unter 15 Jahren als „sexuellen Missbrauch“ wertet. Das Gericht wies das Parlament an, binnen sechs Monaten ein neues Gesetz auszuarbeiten. Es monierte insbesondere, dass in dem bisherigen Gesetz nicht zwischen Jugendlichen und Kleinkindern unterschieden wurde.
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