Sexuelle Belästigung: Zweiter Fall beim WDR
Erneut soll ein TV-Journalist Frauen belästigt haben. Dem Sender ist der Fall bekannt. Bei der ARD-Hauptversammlung spielt das keine Rolle.
Der Stern und das Recherchekollektiv Correctiv bringen den Westdeutschen Rundfunk (WDR) erneut in Erklärungsnot. Wieder geht es um einen „bekannten TV-Journalisten“, von dem sich Frauen belästigt fühlten. Mehrere Kolleginnen sollen sich deshalb 2010 an einen anderen männlichen Kollegen gewandt haben, der daraufhin die damalige Programmchefin Verena Kulenkampff informiert haben soll.
Diese gab den Hinweis, dass sich die Frauen an eine Personalrätin wenden sollten, der Kulenkampff vertraute. Am Ende soll es auch eine Ermahnung gegeben haben. Aber: „Die disziplinarische Maßnahme traf ausgerechnet jenen WDR-Mitarbeiter, der auf die Vorwürfe der Frauen aufmerksam gemacht (…) hatte.“
Das Fazit des Stern: „Der Sender statuierte an ihm offenbar ein Exempel. Er bestrafte den Hinweisgeber.“ Der WDR bestätigt die Hinweise auf mögliches Fehlverhalten. Betont aber: „Anschließend ergab die damalige Prüfung, dass die Vorwürfe nicht aufgeklärt werden konnten.“
Eine Woche zuvor hatten Stern und Correctiv bereits über den Fall eines WDR-Korrespondenten berichtet, der unter anderem einer Praktikantin in seinem Hotelzimmer Pornos gezeigt haben soll. Konsequenzen habe es damals – bis auf einen Eintrag in die Personalakte – keine gegeben. Erst nach der Veröffentlichung soll der Mitarbeiter freigestellt worden sein.
Personalratschefin trat aus Protest zurück
Nach den Veröffentlichungen war die Chefin des WDR-Personalrats, Christiane Seitz, aus dem sogenannten Interventionsteam, in dem Vorwürfe von sexuellem Missbrauch geprüft und arbeitsrechtliche Konsequenzen vorgeschlagen werden, zurückgetreten.
Sie hatte dies in einer internen Mail damit begründet, dass der Personalrat immer wieder vergeblich gefordert habe, „im absolut hierarchisch geprägtem WDR eine wirklich umfassende, strukturelle Kontrolle und Ahndung von Machtmissbrauch und Herabwürdigung gegenüber Schwächeren und Abhängigen zu gewährleisten.“ Doch die Vorschläge „wurden teils ins Lächerliche gezogen“.
Seitz scheint also ein strukturelles Problem zu sehen. Dennoch ist das Thema keines für die ARD-Hauptversammlung, zu der sich die ARD-IntendantInnen am Montag und Dienstag in Bremen treffen. „Ein eigener Tagesordnungspunkt ist das Thema nicht“, sagte der ARD-Sprecher Ralf Borchard der taz. Er fügte allerdings hinzu, dass sich die Intendanten bei ihren Sitzungen „in der Regel“ aber über aktuelle Themen austauschten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Münchner Sicherheitskonferenz
Selenskyjs letzter Strohhalm