Belästigungsvorwürfe beim WDR: Ist ein Aktenvermerk genug?
Nach Vorwürfen wegen sexueller Belästigung wird ein WDR-Korrespondent beurlaubt. Das bisherige Vorgehen des Senders stößt auf Kritik.
Am Wochenende hat nun WDR-Intendant Tom Buhrow den Korrespondenten mit sofortiger Wirkung beurlaubt, wie die Bild-Zeitung am Sonntag aus Senderkreisen berichtete. Demnach hätten sich in den letzten Tagen weitere Betroffene beim Sender gemeldet. Der WDR bestätigte die Beurlaubung.
Der Artikel von Correctiv und Stern berichtet von insgesamt drei betroffenen Frauen. So soll besagter Korrespondent etwa eine ehemalige Praktikantin 2012 auf einer Dienstreise belästigt haben. Die damals 22-Jährige sagt, er habe sie auf sein Hotelzimmer eingeladen, ihr Champagner eingeschenkt und ihr einen Porno auf dem Laptop gezeigt. Im zweiten Fall geht es um eine feste Mitarbeiterin des WDR. Sie habe von dem Korrespondenten mehrere E-Mails erhalten, in denen er ihr sexuelle Avancen machte. Er habe unter anderem geschrieben: „Ich kriege (boah, ist das arrogant) immer, was ich will.“ Correctiv und Stern erwähnen außerdem eine dritte bekannte WDR-Journalistin, die ebenfalls Vorwürfe erhoben haben soll.
Der Bild-Zeitung zufolge waren erste Vorwürfe dem Sender bereits seit 1991 bekannt. Damals habe es womöglich auch einen Eintrag in die Personalakte gegeben, der jedoch auf Intervention des Korrespondenten einige Jahre später gelöscht worden sei.
Gremien müssen gestärkt werden
Seit 2015 gibt es bei dem Sender ein sogenanntes Interventionsteam bestehend unter anderem aus Vertreter*innen des Personalrats, Betriebsrat, dem Justiziariat – auch WDR-Chefredakteurin Sonja Mikich ist Mitglied dieses Gremiums. Dieses führte Anfang 2017 eine interne Untersuchung mehrerer Fälle durch. Am Ende folgte ein Eintrag in die Personalakte, jedoch keine Abmahnung. Im Interview mit Spiegel Online verteidigte Mikich das Vorgehen des WDR. Es habe durchaus spürbare Folgen für den Korrespondenten gegeben, er dürfe zum Beispiel kein Auslandsstudio leiten.
Senderintern stößt das Verhalten des WDR auf viel Kritik: Christiane Seitz, Vorsitzende des WDR-Personalrats, ist aus Protest aus dem WDR-Interventionsausschuss ausgetreten. Sie warf den Senderverantwortlichen Untätigkeit vor.
Auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) sieht große Versäumnisse beim WDR: „Ein Vermerk in der Personalakte reicht in diesem Fall sicher nicht aus. Die ganze Geschichte ist höchst irritierend“, sagt Anna-Maria Wagner, Referentin für Chancengleicheit und Diversity des DJV.
„Die Causa WDR zeigt: Gremien wie Betriebs- und Personalräte und Gleichstellungsbeauftragte müssen offenbar weiter gestärkt werden, um die Interessen der Beschäftigen auch und gerade bei Fällen von sexueller Belästigung effizient vertreten zu können“, sagt Wagner vom DJV.
Berichtigung, 12.31 Uhr: Die Referentin des DJV, Anna-Maria Wagner, wurde in einer früheren Version dieses Artikels mit einem falschen Vornamen erwähnt. Wir haben den Fehler korrigiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen