Sexismus in der Gamerszene: Die Prinzessin rettet den Troll
Die Videospielewelt ist von Sexismus geprägt. Wer darauf hinweist, kann Probleme bekommen. Es sollten mehr Frauen in die Spieleentwicklung.
Noch vor weniger als zehn Jahren meinten selbst Experten, es würde noch lange dauern, bis Frauen wenigstens ein Drittel derer ausmachen würden, die Videospiele spielen. Sie haben sich getäuscht. Heute liegt ihr Anteil bei ziemlich genau der Hälfte; möglicherweise stellen sie bald sogar die Mehrheit.
Wahrscheinlich konnten sich die allesamt männlichen Experten einfach nicht vorstellen, dass mit der Welt der Videospiele auch noch eine der letzten Bastionen unangefochtener Männlichkeit der gesellschaftlichen Realität zum Opfer fällt. Vielleicht hatten sie auch einfach Angst, dass, wenn der Anteil spielender Frauen steigt, es plötzlich nur noch Spiele mit niedlichen Katzen und knuddeligen Hundebabys geben würde, weil Frauen, die Egoshooter oder Rollenspiele spielen, nur schwer mit ihrem Weltbild zu vereinen waren.
Diese Angst war und ist mehr als unbegründet, denn die meisten Frauen spielen die gleichen Spiele wie ihre männlichen Mitspieler. Beim Online-Rollenspiel „World of Warcraft“ etwa liegt ihr Anteil bei rund einem Viertel. Warum auch nicht? Die meisten männlichen Spieler haben mit den hünenhaften Kriegern der Rollenspielwelten ja auch kaum mehr gemeinsam als das Pronomen. Allerdings lässt sich durchaus beobachten, dass Spiele, die eher Grips als schnelles Tastendrücken erfordern, Logik- und Aufbauspiele etwa, tendenziell mehr Frauen anziehen.
Je mehr Frauen spielen, desto wichtiger werden sie auch als Zielgruppe für die Hersteller. Nicht ganz zufällig gilt mit „Die Sims“ ausgerechnet ein Spiel als kommerziell erfolgreichster Titel überhaupt, das besonders häufig von Frauen gespielt wird. Trotzdem sind die Bretter, die es zu bohren gilt, oft einige Meter dick. EA Sports zum Beispiel weigert sich beharrlich und allen Protesten zum Trotz seit Jahren, in seine jährlich erscheinenden Fußballspiele auch Frauenteams aufzunehmen.
Die Welt der Videospiele ist noch immer von Sexismus geprägt, und wer darauf hinweist, kann Probleme bekommen. Prominentestes Beispiel hierfür dürfte die kanadische Bloggerin Anita Sarkeesian sein, die auf ihrem Videoblog „Feminist Frequency“ bereits seit mehreren Jahren immer wieder über dieses Thema berichtet. //www.kickstarter.com/projects/566429325/tropes-vs-women-in-video-games:Eine Crowdfunding-Kampagne brachte ihr 2012 fast 160.000 Dollar ein; mit der gesteigerten Aufmerksamkeit nahmen jedoch auch die Beleidigungen und Drohungen zu. Es kursierte sogar ein Online-Spiel, in dem man sie per Mausklick verprügeln konnte.
Misogyne Trolle laufen Amok
Nach Sarkeesian ist auch „Anita’s Law“ benannt worden, das besagt, dass wenn im Internet über Sexismus und Frauenfeindlichkeit diskutiert wird, es umgehend zu einer Vielzahl von sexistischen und frauenfeindlichen Kommentaren kommen wird. Besonders gut beobachten lässt sich das derzeit anhand der andauernden Diskussion unter dem Hashtag #gamergate, die sich mit Sexismus in der Gaming-Szene befasst und im Rahmen derer misogyne Trolle mal wieder verbal Amok laufen, als gäbe es dafür Fleißkärtchen.
Wenn Videospiele noch deutlicher über das ewige Retten von Prinzessinnen durch starke oder wenigstens clevere, aber immer männliche Helden hinauswachsen würden, wäre allen geholfen. Je besser die Erzählung, desto besser das Spiel, und je weniger Klischees, desto besser die Erzählung.
Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Männer allein es hinkriegen werden, bessere Videospiele zu produzieren. Was es braucht, sind mehr Frauen in der Spieleentwicklung und vor allem auch mehr Frauen in den Chefetagen der Herstellerfirmen. Dann rettet vielleicht endlich die Prinzessin sich selbst und den heldenhaften Krieger gleich mit; und die Trolle haben das Nachsehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut