Serienkolumne „Die Couchreporter“: Verteidigung des Spoilerns

Achtung! Im folgenden Text geht es nicht nur um Spoiler- und Triggerwarnungen vor Online-Artikeln. Es wird auch gespoilert.

eine Kegelrobbe mit Ohrschützern

Ohren und Augen zu! Spoiler und Trigger verderben die Lust am medialen Eskapismus Foto: dpa

Letzten Freitagabend saß ich mit Freund_innen in einer Bar und hielt mir die Ohren zu. Denn ich sollte nicht hören, dass Elsie vermutlich doch das Massaker während der Übernahme des Vergnügungsparks überlebt hat. Ich weiß zwar gar nicht, wer Elsie ist, gucke kein „Westworld“ und habe es auch nicht vor. Doch die Sorge meiner Freund_innen, mir etwas zu verraten und den Spaß an der Serie zu verderben, falls ich sie doch angucken möchte, war groß. Auch sie möchten es nicht brechen – das letzte Tabu der westlich geprägten Welt: Spoilern.

Spoilern ist keine neue Erfindung, es gibt das Wort schon so lange, wie fiktive Geschichten erzählt werden. Vor zehn Jahren hörte ich zum ersten Mal, dass der Begriff im Deutschen verwendet wurde. Anlass war die Veröffentlichung des sechsten „Harry Potter“-Bandes. Schnellstmöglich musste ich es lesen, damit mir niemand vorher verraten konnte, dass Snape Dumbledore tötet.

Jemandem absichtlich das Lese-, Film- oder Serienvergnügen zu verderben, indem man die wichtigsten Inhalte verrät, ist gemein. Doch seitdem die Lieblingsbeschäftigung vieler „Netflix and Chill“ ist, jede Woche neue Serien an den Start gehen und diese immer dramatischer und gewaltvoller werden, übertreiben es viele mit der Angst vor Spoilern.

Bei der Arbeit werden Raucherpausen so geplant, dass nur Raucher_innen dabei sind, die schon auf dem aktuellen Stand bei „Game of Thrones“ sind (Queen Margaery stirbt!). Freund_innen gründen WhatsApp-Gruppen ohne mich, um ungestört über die neue Staffel „Gilmore Girls“ zu sprechen (Rory ist schwanger! Von Logan!). Wenn ich die Folgen nur schnell genug angucke, darf auch ich in die Gesprächsgruppe eintreten. Der Druck, auf dem aktuellen Stand zu sein, wird immer größer.

Spoiler, Trigger und Hasstrolle

Eine Spoilerwarnung über einer Rezension ist mittlerweile keine Seltenheit mehr. Für Rezensent_innen der Filmdatenbank IMDb ist sie sogar verpflichtend. Steht keine Warnung über dem Text, können wir uns sicher sein, dass höchstens der Inhalt der ersten Episoden wiedergegeben und nichts Elementares vorweggenommen wird.

Schön, dass wir im Internet mittlerweile so viel Rücksicht aufeinander nehmen und uns gegenseitig vor Spoilern warnen. Steht über einem Text allerdings eine Triggerwarnung, hört das Verständnis für viele auf. Die Warnhinweise, die vorrangig in Selbsthilfeforen benutzt werden, sollen Menschen auf Inhalte, die Angst oder Panik bei ihnen auslösen können, aufmerksam machen.

Vor Kurzem hat Twitter eine neue Funktion eingeführt, die User_innen vor Hasstrollen beschützen soll. Indem bestimmte Worte „gemutet“ werden, sind Tweets, die dieses Worte enthalten, nicht mehr für die User_in sichtbar. Auf diese Weise kann man sich davor schützen, Mord- oder Vergewaltigungsdrohungen lesen zu müssen. Ende November nutzten viele die Mute-Funktion für den Begriff „Gilmore Girls“, so versuchten sie, sich vor Spoilern zu schützen. Wirklich, Leute?

Dabei kann Spoilern einem so manche langweilige Stunde ersparen. „How To Get Away With Murder“, die mit jeder Staffel schlechter wird, müsst ihr in Zukunft nicht mehr weitergucken. Denn ich verrate euch: die Leiche aus dem Halbfinale der dritten Staffel ist Wes.

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Ressortleitern bei taz zwei - dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Schreibt hauptsächlich über intersektionalen Feminismus, (digitale) Gewalt gegen Frauen und Popphänomene. Studium der Literatur- und Kulturwisseschaften in Dresden und Berlin. Seit 2017 bei der taz.

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