Serie „Too Old To Die Young“: Wilde Jagd im E-Auto
Nicolas Winding Refn geht es in seiner Krimi-Serie auf Amazon Prime ganz langsam an. Der Strom geht trotzdem irgendwann aus.
Verfolgungsjagden. Wann sind die eigentlich so aus der Mode gekommen? In den 1980er Jahren kam von „Magnum“ bis „Miami Vice“ keine Serie ohne sie aus. In „Ein Colt für alle Fälle“ bestand schon der Vorspann im Wesentlichen aus einem Zusammenschnitt rasanter Verfolgungsjagden – aus anderen Filmen. Unglaublich, wie sich da einer gerade noch an der Kufe eines Helikopters festklammern kann, wenn das Auto unter ihm in den Abgrund stürzt.
Der Typ war ein Stuntman, wie der Held der Serie. Aber vielleicht ist das der Grund. Dass es im analogen Zeitalter noch lebensgefährlich war, solche Szenen herzustellen. Bei den Dreharbeiten zu Steve McQueens „Le Mans“ – so ein Autorennen ist ja im Grunde auch nichts anderes als eine einzige große Verfolgungsjagd, Subgenre quasi – verlor der Rennfahrer Derek Bell ein Bein.
Ach, Steve McQueen. Die Verfolgungsjagd in „Bullitt“, er in seinem grünen 1968er Ford Mustang gegen den schwarzen (eigentlich viel stärker motorisierten) Dodge Charger gilt ja als eine der besten der Filmgeschichte. Neben der in „The French Connection“, unter der New Yorker Hochbahn durch. Regisseur William Friedkin soll mit im Auto gesessen haben, als Gene Hackman ungeplant das Auto eines gerade aus seiner Grundstückseinfahrt kommenden Anwohners gerammt hat, aber …
Das war 1971, vor bald einem halben Jahrhundert. Heute, 2019, geht eine Verfolgungsjagd wahrscheinlich nur noch so wie bei Nicolas Winding Refn. Auf seinen Erfolg mit „Drive“ – der süße Ryan Gosling als Stuntman [sic!] und Nebenerwerbsfluchtwagenfahrer – hat er ge…pfiffen und danach einfach wieder die gleichen unzugänglichen, publikumsverschreckenden Kunstfilme gemacht wie zuvor.
Sprechen wie auf Drogen
Unglaublich, dass Amazon ihm tatsächlich Carte blanche gegeben hat für eine ganze Serie: „Too Old to Die Young“ – um einen Cop und Nebenerwerbsprofikiller und all jene, denen er als solcher in L. A. begegnet. Auf die Idee wird nie wieder ein Streamingdienst (oder gar TV-Sender) kommen. Winding Refn zelebriert die Langsamkeit, jede Einstellung ein Gemälde, so lang und bar jeder Action, die Figuren bewegen sich (soweit sie nicht nur rumstehen) wie in Zeitlupe und sprechen wie auf Drogen. Fast möchte man meinen, mit dem Stream stimmt was nicht. Fast.
Entsprechendes gilt für die Verfolgungsjagd. Schon in „Drive“ war das nicht wirklich genregemäß, wenn Gosling einfach rechts in eine Parklücke fährt, Licht und Motor aus, wartet bis die Polizei vorbei ist. Aber jetzt das: eine Verfolgungsjagd mit dem Elektroauto. Die minimalen Rollgeräusche des politisch korrekten Kleinwagens gegen das Röhren eines Muscle-Cars, eines Ford, wie einst bei McQueen. Der Cop/Killer (Miles Teller) fährt den Verbrennungsmotor. Er hatte in der Folge zuvor einen politisch korrekten Auftragskiller kennengelernt – einen, der nur Kinderschänder killt.
So was wollte er auch und hat sich also von seinem Auftraggeber nach Albuquerque schicken lassen, um zwei Snuff-Porno-Brüder zu meucheln. Einen hat er erwischt – der andere ist nun in dem Elektroauto hinter ihm her. Es geht aus der Stadt in die Wüste, die Nacht wird zu Tag. Erst aus dem Autoradio, dann in voller Lautstärke aus dem Off tönt die Barry-Manilow-Schmonzette „Mandy“. Am Ende entscheidet die Reichweite. Bleibt das Elektroauto stehen in der Wüste. Sagt der Kinderschänder: „What I’d give for a tank of gasoline right now.“
Ob Nicolas Winding Refn in einem der zwei Autos saß und, wenn ja, in welchem, ließ sich nicht recherchieren.
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