Sequel „Beetlejuice Beetlejuice“: Wagnis war gestern
Tim Burton beschwört mit „Beetlejuice Beetlejuice“ noch einmal seinen „Bio-Exorzisten“ herauf. Leider ist es nur konventionelles Blockbusterkino.
Quälend lange soll es gedauert haben, bis der Cast für den heute als Kultfilm geltenden „Beetlejuice“ stand. Tim Burton war noch ein Unbekannter, hatte gerade erst sein Spielfilmdebüt hinter sich. Auch das Drehbuch um ein kleinstädtisches Ehepaar, das nach seinem vorzeitigen Tod im eigenen Haus gefangen ist und es mit der Hilfe des verlotterten Geistes „Beetlejuice“ vor einer versnobten Oberschichtsfamilie aus New York bewahren will, war eine seltsame Erscheinung.
Der junge Alec Baldwin soll sein Mitwirken am Film gar als Gift für seine Karriere bezeichnet haben, auch Michael Keaton lehnte mehrmals ab, ehe er schließlich doch die titelgebende Hauptrolle übernahm.
Kein Wunder, der skurrile Witz im Umgang mit dem Makabren, der humorvolle Bruch mit für sich genommen alptraumhaften Themen, die verspielte Inszenierung von Schauerlichem – all das, was schließlich zu Tim Burtons unverwechselbarer Handschrift werden sollte, besaß noch Neuigkeitswert, war im wahren Wortsinne „komisch“, die Sonderbarkeit ein Wagnis, nicht nur hippe Pose.
Über drei Dekaden später dürfte die Besetzung der Fortsetzung deutlich leichter gefallen sein. Nicht nur, weil sich Tim Burton als Regiegröße etablieren konnte, sondern auch weil er „Beetlejuice“ zu einer Zeit zurück ans Tageslicht bringt, in der die Omnipräsenz von Wiedergängerstoffen zur Normalität geworden ist und sich die Filmlandschaft in lästigem Ausmaß mit Reboots, Remakes, Prequels und Sequels zu bereits Dagewesenem aufhält, anstatt einstigen Erfolgen die verdiente ewige Ruhe zu gönnen.
Viel Herzblut für eigenwillige Projekte
Der Sorge, dass sich auch Tim Burton der Leinwandleichenfledderei verdächtig machen könnte, steht sein Ruf als Filmemacher entgegen, der besonders viel Herzblut in seine eigenwilligen Projekte einfließen lässt, der sich seit jeher außerhalb der Norm am Wohlsten zu fühlen scheint. Darüber hinaus markiert „Beetlejuice Beetlejuice“ nicht das erste Mal, dass Tim Burton vorhandene Stoffe aufgreift.
„Beetlejuice Beetlejuice“. Regie: Tim Burton. Mit Michael Keaton, Winona Ryder u. a. USA 2024, 105 Min.
Doch während Tim Burtons Neuverfilmung von „Dumbo“ dem Disney-Stoff den düster-depressiven Anstrich verlieh, nach dem die bedrückende Geschichte um Ausgrenzung verlangt und sich damit eine nochmalige Auseinandersetzung mit dem Stoff als wertvoll erwies, biedert sich seine Interpretation der Kultfigur „Wednesday“ für die gleichnamige Netflix-Serie bei momentanen Trends an und vereint angesagte „Murder Mystery“ mit „Romantasy“-Elementen.
Aus der stoischen Tochter der „Addams Family“, die mit ihrer trockenen Persönlichkeit und ihrer Faszination für das Morbide nicht nur am Eitel-Sonnenschein-Familienideal rüttelte, sondern mit manchem sarkastischen Spruch die moralische Hybris der USA herausforderte, war eine nur noch leidlich unangepasste Internatsschülerin (Jenna Ortega) geworden, die sich durch typische Coming-of-Age-Szenarien wie die erste Liebe manövrieren muss.
„Beetlejuice Beetlejuice“ setzt diese jüngste Tendenz in Tim Burtons Schaffen, sich auf alter Magie auszuruhen, anstatt die damalige Einzigartigkeit des Kultstoffs neu zu interpretieren und mit seinem früherem Einfallsreichtum zu füllen, bedauerlicherweise fort.
Kein konzentrierter Plot
Schon eine mitreißende Idee dafür, wie sich die Geschichte um den titelgebenden „Bio-Exorzisten“ sinnhaft fortspinnen ließe, scheint zu fehlen. „Das Jenseits wirkt so willkürlich“, sagt die jugendliche Astrid Deetz (Jenna Ortega) frustriert zur Mitte des Films – und man möchte ihr mit Blick auf die Ereignisse in „Beetlejuice Beetlejuice“ schlicht zustimmen. Statt eines konzentrierten Plots, mit dem noch der Originalfilm bestach, tischt Tim Burton einen wahren Wust an beliebig wirkenden Handlungssträngen auf, die sich niemals recht zu einer einzigen Erzählung zusammensetzen wollen.
Ausgangspunkt ist der Tod von Charles, des spröden Familienvaters, der im ersten Teil des Films zum Leidwesen seiner exzentrischen Künstlergattin Delia und seiner Goth-Tochter Lydia das Geisterhaus kaufte, in dem bald nicht nur die Vorbesitzer ihr Unwesen trieben, sondern auch Beetlejuice. Anlässlich seiner Beerdigung kommen die mittlerweile erwachsene Lydia (erneut gespielt von Winona Ryder), die nun eine Fernsehsendung über übernatürliche Phänomene moderiert, ihre weiterhin von sich und ihrer Kunst eingenommene Stiefmutter (erneut Catherine O’Hara) sowie ihre Tochter, besagte Astrid, zusammen.
Während im Diesseits daraufhin oberflächlich dysfunktionale Mutter-Tochter-Beziehungen verhandelt werden – Astrid ist von der Bekanntheit ihrer Mutter genervt, mehr noch von ihrem neuen schmierigen Partner und Produzenten Rory (Justin Theroux) – wird Beetlejuice (erneut Michael Keaton) im Reich der Toten von seiner nach Rache sinnenden Ex-Frau Delores verfolgt.
Erzählstränge verlaufen im Nichts
Die von Monica Bellucci gespielte, wenig originell an Morticia Addams erinnernde Figur wirkt ebenso wie der von Willem Dafoe verkörperte Unterwelt-Detektiv und einstige Action-Star, der ihr auf den Fersen ist, wie bloße Staffage, um weitere namhafte Schauspielgrößen im Projekt unterzubringen. Ihre Erzählstränge jedenfalls verlaufen im Nichts.
Empfohlener externer Inhalt
Durch einen verhängnisvollen Flirt zwischen Astrid und einem harmlos wirkenden Jungen aus der Nachbarschaft (Arthur Conti) werden beide Welten schließlich miteinander verwoben – und Beetlejuice kehrt zurück an die Erdoberfläche, anmaßend und abgefeimt wie eh und je. Vor allem Michael Keatons anarchischer Darstellung ist es zu verdanken, dass „Beetlejuice Beetlejuice“ trotz seines ziellosen Erzählwirrwarrs immerhin für ein paar Lacher sorgt.
Von dem Herzblut, das Tim Burton einst als leidenschaftlichen Erzähler abseitiger Geschichten auszeichnete, ist in dieser routinierten Fortsetzung kaum etwas übriggeblieben. „Beetlejuice Beetlejuice“ steht vielmehr dafür, dass selbst ein origineller Filmemacher wie Burton in einer Mainstreamkinolandschaft, die die ständige Repetition zu belohnen scheint, nicht davor gefeit ist, seine einstige Kreativität zugunsten der mechanischen Wiederholung alter Erfolge einzubüßen – und in die Konvention abzugleiten, die er einst mit Freude herausforderte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren