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Senat will eine MagnetschwebebahnMit dem Kopf durch die Wand

Erst Olympia, jetzt das. Um das Auto zu schonen, greift Schwarz-Rot tief in die Mottenkiste. Dabei ist die M-Bahn in Berlin schon mal gescheitert.

Die taz titelte: „Geschafft: Technologischer Durchbruch“ Foto: Sabine Sauer

Berlin taz | Auf der Suche nach sinnstiftenden Großprojekten greift Schwarz-Rot schon wieder in die Mottenkiste. Nach Olympia wollen CDU und SPD nun auch der Magnetschwebebahn eine zweite Chance geben. Wie berichtet, will der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Stettner eine fünf bis sieben Kilometer lange Versuchsstrecke für 85 Millionen Euro aus dem Klimasondervermögen finanzieren.

Die erste Chance hat der schwarz-gelbe Senat unter Eberhard Diepgen (CDU) versemmelt. Auf der Versuchstrasse durchbrach die M-Bahn, wie sie damals hieß, am 19. Dezember 1988 den Endbahnhof Kemperplatz nahe der Philharmonie.

Es war ein eindrückliches Bild des Scheiterns. Der Triebwagenkopf ragte aus dem Bahnhof wie beim berühmtem Eisenbahnunfall am Pariser Gare Montparnasse 1895, nur dass der Berliner Zug nicht hinabgestürzt war. Die taz titelte: „Geschafft: Technologischer Durchbruch“.

Aber auch der Senat zog seine Konsequenzen aus dem Scheitern. Nachdem CDU und FDP der M-Bahn noch im Frühjahr 1989 eine Geldspritze von 13,5 Millionen D-Mark zuschusterten, zog der rot-grüne Senat, der nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 29. Januar 1989 gebildet wurde, die Reißleine. Verkehrssenator Horst Wagner, ein SPD-Politiker, erklärte, er wolle den „für die öffentliche Hand kostengünstigsten und umweltverträglichsten Abschluss“ des umstrittenen Projektes erreichen.

Damals lagen SPD und CDU in Verkehrsfragen noch weit auseinander. Heute gehen sie im Versuch, alles zu tun, um bloß nicht in den Autoverkehr einzugreifen, Hand in Hand. So jedenfalls sieht Andreas Knie den Versuch, die Magnetschwebebahn aus der Versenkung zu holen. „Offenbar ist CDU und SPD alles recht, um nicht an die Straßen ranzumüssen“, sagt der Verkehrsexperte des Wissenschaftszentrums Berlin der taz.

„Für Berlin nicht geeignet“

Die Technologie einer Magnetschwebebahn sieht Knie als nicht geeignet für Berlin. „In den zwanziger Jahren mag das noch eine Utopie gewesen sein“, sagt er. „In der dicht bebauten Stadt von heute ist das völlig sinnlos.“ Weltweit, weiß er, fährt eine Magnetschwebebahn bislang nur in Schanghai.

Denn auch planungsrechtlich ist der Bau einer aufgeständerten Hochbahn kompliziert. Von einer mehrjährigen Planung spricht die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Oda Hassepaß. „In der Innenstadt kann man die Pfeiler ja nicht irgendwohin stellen“, sagt Hassepaß der taz. „Da verlaufen unterirdische Leitungen und Infrastruktur.“ CDU-Mann Stettner dagegen glaubt, eine M-Bahn ließe sich womöglich sogar schneller bauen als eine Tramstrecke. „Die Anbieter sagen, sie bauen das in zwei Jahren.“

Vielleicht sollte Stettner mal seinem Parteifreund Eberhard Diepgen einen Besuch abstatten. Beim Pilotprojekt in den achtziger Jahren hatte sich der schwarz-gelbe Senat eine 1,7 Kilometer lange Teststrecke ausgesucht, die nicht durch die bebaute Stadt, sondern dicht an der Berliner Mauer entlang führte.

Die M-Bahn führte vom Gleisdreieck zunächst bis zum heutigen Bahnhof Mendelssohn-Bartholdy-Park. Für den zweiten Bauabschnitt bis zum Kemperplatz musste allerdings ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden, da es sich um einen Neubau handelte. Betrieben wurde die Versuchsstrecke durch ein Tochterunternehmen der AEG.

Das Ende auf Raten kam dann nach dem Mauerfall. Zwar hatte die AEG den Verlust der 13,5 Millionen Mark an öffentlichen Mitteln noch kompensieren können. Im Juli 1991 begann nach der förmlichen Zulassung sogar der reguläre Fahrgastbetrieb zum BVG-Tarif.

Doch der Fall der Mauer hatte eine intensive Diskussion darüber ausgelöst, wie beide Halbstädte wieder miteinander verbunden werden können. Das Ergebnis: Die M-Bahn musste 1992 weichen. Auf Teilen ihrer Trasse verkehrt heute die U2 über den Alexanderplatz zum Potsdamer Platz und weiter bis zum Zoologischen Garten.

Wo genau die neue Teststrecke verlaufen soll, weiß die CDU noch nicht. Aber in der Innenstadt wird sie ihren Geschwindigkeitsvorteil kaum ausspielen können. Und der BER, das sagte schon Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), ist bestens angebunden. Da hat sie ausnahmsweise recht.

Was wird als Nächstes aus der Mottenkiste geholt? Oder kommt zur Abwechslung mal was ganz Neues? Der Ausbau der A100 zur Formel-1-Strecke zum Beispiel. Als Berliner Pendant zum Lausitzring?

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7 Kommentare

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  • Doch der Fall der Mauer hatte eine intensive Diskussion darüber ausgelöst, wie beide Halbstädte wieder miteinander verbunden werden können. Das Ergebnis: Die M-Bahn musste 1992 weichen.

    Da musste nicht diskutiert werden: Bereits in den Verträgen vor dem Bau der M-Bahn wurde vereinbart, dass im Falle der Wiedervereinigung Berlins die M-Bahn rückgebaut werden muss, da die als Trasse auf der Hochbahnstrecke verlief, die dann für die U-Bahn benötigt wird.

    Da damit in den 80er Jahren niemand gerechnet hat, hatte sowohl der Senat als auch AEG kein Problem, dies zu unterschreiben. Die Kosten dafür sollte der Betreiber tragen.

    Ansonsten: M-Bahnen gibt es noch in Südkorea, Japan und den USA, sagt Wikipedia.

  • es ist verständlich immer wieder an Ansätze zu denken, die Visionäres und Technologisches mit dem Metropolengedanken von Fortschritt und Attraktivität verbinden - wer will das nicht an Großstädter:in...

    profan könnte man die ca. 80 Millionen (also 150 Mill) exakt dafür nutzen, um nachhaltige Signale setzen für Projekte die bisher nicht ressortübergreifend und interdisziplinär gedacht wurden:



    1 Gesamptkonzept "Görltzer Park" (20 Mill)



    2 Stadtentwicklung/ Quartiersentwicklung "Friedrichstraße/Mitte" 15 Mill)



    3 Gesamtkonzept/ Investitionsanschub "ICC 2030) (20 Mill)



    4 Integrationskonzepte Wachstum Berlin (Ausbildung, Schule, Weiterbildung, Unis, 20 Mill)



    5 ein oder zwei weitere staädtebauliche Konzepte, die seit Jahren immer nur mit "Alobikosten" unter einer Million "unfertig" bleiben mussten..



    6 potenziertes Ausbauen des Berliner Busspursystems (Mobilitätspush)



    7 verschiedene Investments in "Lebensqualität", wie Redesign vieler Parkanlagen innerhalb und ausserhalb des S-Bahnrings



    etc.



    (eine Magnetschwebebahn ist auch ein wenig Mobilität früherer Identifikationsbilder Berlins...)

  • @FVADERNO

    Tja. Stoibi und das Unternehmen (Max Bögl) dürften ganz dicke Amigos sein, ja.

  • Wenn Berlin unbedingt Geld für ein Verkehrspolitisches Vorzeigeprojekt in die Hand nehmen möchte..reicht der Blick nach Holland oder Kopenhagen. Dort gibt es wirklich tolle Prestigeprojekte für Radfahrende, wie z.B. grazile Brücken hochoben, Fahrradparkhäuser, uvm.

    Eine Magnetschwebebahn ist dagegen auf Kurzstrecke ein sinnloser, teurer, mit der bestehenden Infrastruktur inkompatibler und damit völlig nutzloser Unsinn..

    Die Zukunft sind definitiv Städte für Radfahrende und Fußgänger - Menschen also..

    ..aber der Berliner CDU/SPD Senat möchte halt lieber zurück zur ausgeträumten automobilen "Freiheit" und in die Motten Kiste vergangener Großprojekte..

  • Ob da der Stoibi dahinter steckt? Könnte ja sein, dass er wieder eine Rede halten will.

    'Wenn sie vom Hauptbahnhof in Berlin ... mit 10 Minuten ... ohne dass sie am Flughafen noch einchecken müssen .....

    Wenn sie dann am Hauptbahnhof in Berlin einchecken und das Flugzeug startet dann gleich von dort, dann wird das ja was! Und in Zeiten, wo die Staatskasse unserer Republik so überzeugend gefüllt ist, ist das eine sehr kreative Idee.

  • Liebe CDU (und SPD), da ist doch noch Luft nach oben: Über der Magnetbahn wird eine Fahrradbahn gebaut und darüber ein Gehweg - der dann am Boden zugunsten breiterer Straßen wegfallen kann. Alles leicht zu erreichen über Treppen, dauerdefekte Rolltreppen (leider kein Geld für die Wartung) und nicht funktionierende Aufzüge. Die Autos können dann im Vollschatten fahren (was sich mit der Mentalität mancher Autofahrer*innen deckt) und der ganze Kram mit dem Klimawandel ist ja seit den zugegebenermaßen unsäglichen Posts von Greta Thunberg von Teilen der Publizistik und Politik als antisemitische Ideologie entlarvt worden. Ganz am Rande: Das soll ja wieder ein Projekt für den Bereich innerhalb des S-Bahn-Rings werden. Angeblich wollte der Senat doch die Außenbezirke stärken. Aber das läuft wohl über die Olympiabewerbung, das Olympiastadion liegt ja bekanntlich außerhalb des S-Bahn-Rings ;)

  • Ein weiterer Beitrag zum unsachlichen Diskurs beim Thema Magnetschwebebahn. Darüber mal vernünftig zu sprechen scheint unmöglich zu sein.

    Vorneweg, der "Experte" erzählt Unsinn: "Weltweit, weiß er, fährt eine Magnetschwebebahn bislang nur in Schanghai". Das stimmt nicht. Es gibt in China gleich mehrere Magnetschwebebahnen, auch außerhalb von Shanghai. Und selbst außerhalb von China gibt es welche, die auch fahren (z.B. Japan baut gerade an einer sehr großen).

    Nun mein Anteil an einer sachlichen Diskussion:

    Zunächst einmal ist festzustellen, dass Magnetschwebebahnen nach fast allen objektiven Gesichtspunkten allen herkömmlichen Fortbewegungsmitteln (ausgenommen Fahrrad und die eigenen Beine) überlegen sind, also tatsächlich Teil progressiver Politik sein sollten.

    Um nur mal zwei Beispiele zu nennen: Magnetschwebebahnen sind deutlich leiser als alles, was wir heute kennen und emittieren nahezu keinen Feinstaub.

    Die grundsätzliche Kritik von Umweltverbänden (allen voran der BUND) und Grünen bzw. Linken an der Technik an und für sich war immer falsch ist es auch heute noch. Diese sollten ihre Argumente überdenken.

    Auf der anderen Seite sind die konkreten Bauprojekte, häufig aus der Hand der Union, fast immer absurd. Der Transrapid in München war von der Ursprungsidee her genauso ein Schwachsinn, wie jetzt in Berlin eine sehr kurze Inselbahn zu errichten.

    Eine der wenigen Ausnahmen war die Magnetbahn Hamburg-Berlin, die leider im Jahr 2000 von Rot-Grün gekippt wurde.

    Auch nutzen Konservative gerne diese Technologien, um den notwenigen Ausbau des ÖPNV an anderer Stelle auszubremsen, oder den Verkehrsraum des Autos zu schützen.

    Weiter ist es auch Quatsch, einfach 80 Mio. planlos zu reservieren. Noch Unkonkreter als das heute Vorgestellte geht es ja kaum.

    Aber: Damit diese Technologie überhaupt mal ihre Stärken zeigen kann, bin ich dafür, dass endlich mal eine Anwendungsstrecke in Berlin realisiert wird. Hoffentlich wird es auch eine halbwegs sinnvolle Strecke...