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Semsrotts ParteiaustrittSchluss mit „lustig“

Nico Semsrott kritisiert Martin Sonneborns Umgang mit Rassismusvorwürfen und zieht Konsequenzen. Er verlässt Die Partei.

Veröffentlichte am Mittwoch eine „humorlose Erklärung“ zu seinem Partei-Austritt: Nico Semsrott Foto: Müller-Stauffenberg/imago

Sie wollen lieber Späßchen statt ernsthafte Politik machen. „Inhalte überwinden“, so lautet der Leitspruch der Satirepartei Die Partei. Gelungen ist ihnen das nicht durchgehend – zum Glück. Mit verschiedenen Aktionen hat die Partei sich regelmäßig klar gegen die AfD, gegen Orbán oder Erdoğan positioniert, hat den EU-Abgeordneten den Spiegel vorgehalten und immer wieder den Finger in die Wunde gelegt.

Doch aufgefallen ist die Partei in ihrer fast 17-jährigen Geschichte nicht nur mit antifaschistischem Engagement, sondern immer wieder auch mit rassistischem und sexistischem Verhalten.

Das ist auch der Grund, wieso der EU-Abgeordnete Nico Semsrott am Mittwochabend seinen Austritt aus der Partei bekannt gab. Zuvor hatte Parteichef Martin Sonneborn einen Witz, in dem er sich über das ver­meintliche sprachliche Defizit asiatischer Menschen lustig machte, bei Twitter gepostet. Nach vermehrter Kritik an dem von ihm reproduzierten Ras­sismus löschte Sonneborn zwar seinen Tweet, reagierte jedoch nur pampig auf die Kritiker:innen.

Umgang mit Kritik

Klar ist: Eine Partei, in der keine diskriminierenden Denkmuster reproduziert werden, gibt es in Deutschland nicht. Doch es geht auch darum, wie man mit den Vorwürfen umgeht. Und bei Sonneborn war der Umgang mit Kritik nie konstruktiv, ob es nun um Vorwürfe der Machokultur oder um Blackfacing auf Wahlplakaten ging.

Semsrott hätte jetzt auch die drölfzigste Debatte über „Was darf Satire“ eröffnen können. Stattdessen zog er mit seinem Parteiaustritt den konsequenteren Schluss und kommentierte: „Ich finde seine (Sonneborns) Reaktion auf die Kritik falsch und inakzeptabel.“ Mit seinem Rücktritt hält er der eigenen Partei den Spiegel vor. Denn die Aktionen der Partei verdeutlichen noch einmal: Nicht überall, wo „Fuck Nazis“ draufsteht, steckt auch eine Reflexion der eigenen diskriminierenden Denkstrukturen dahinter.

Sonneborn reagierte nach Semsrotts Parteiaustritt doch mit einer Entschuldigung. Bei Twitter erklärt er die Absicht hinter seinem Tweet und entschuldigt sich dafür, wenn er jemand mit seinem „misslungenen Witz“ verletzt habe. Ein Schritt in die richtige Richtung. Doch dass es bei der Kritik um mehr geht als um einen einzelnen schlechten Witz, scheint Sonneborn nicht verstanden zu haben.

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9 Kommentare

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  • Hmm, mehr als um einen schlechten Witz.



    Ich finde Semrotts Aktion okay, da es um das Verhalten im Umgang mit Kritik geht. (Mehr ahne ich auch, Strukturen betreffend.)



    Ja, vermutlich gibts hier mangelnde Selbstreflektion. Ist jetzt allerdings kein Alleinstellungsmerkmal.

    Adererseits, verstehe ich Sonneborns Weigerung, sich nicht auf woke Debatten einzulassen. Oft führt das zu de-railing. Damit will ich nicht sagen, dass das Thema Befindlichkeit unwichtig ist, wir müssen hier noch einen gemeinsamen Umgang finden. Alle nochmal die Welle lesen?

    Nicht überall, wo Rassismus draufgeschrieben wird, ist Rassismus drin. Der Spruch des Anstoßes selbst, bemüht ein Stereotyp, hat aber als Grundbotschaft einen antirassistischen Inhalt (das wird in der Berichterstattung und Empörung nie erwähnt).



    Es gibt etliche sehr gute Witze über deutsche Gründlichkeit - ist das rassistisch? Natürlich nicht! Stereotype haben erstmal nichts mit veralteten Lehren um Ethnien zu tun.



    Ich mag folgende Witze:



    Belin ist eine Leise welt, wie die Asiaten sagen.



    In Deutschland findet die Revolution nicht statt; Betreten des Rasens verboten.



    Nenn mir einen Satz mit Angola! Angola gönnt ich mir dodsaufn.



    Stereotype.



    Is ne Typfrage, ob es verletzt, und ne Typfrage, wie du als Verletzender damit umgehst, aber kein Rassismus.



    Im Falle des aktuellen Spruches nicht witzig und Altherrenstyle - geschenkt.

    Was die Sache aber so traurig macht, ist dass es imho keine andere Partei gibt, die so antirassistsch aufgetreten ist, wie die PARTEI. Mit Abstand niemand, der im EU-Prlament deutlicher und ehrlicher für die Toten im Mittelmeer sprach.



    Oder, das ist schon länger her: Als in der Stadt und vor dem jüdischen Museum rechte Wahlwerbung mit "Gas geben" geklebt war. Die etablieren Parteien: Lipenbekenntnisse, Anzeige. Sorry, das ist mir zu wenig! Wer hat die Plakate überklebt und wer nicht, weil das ja verboten ist?

    Vielleicht sollten die meisten, die jetzt gerade "Rassismus!" brüllen, lieber etwas leiser sein.

  • die FAZ trifft es ganz gut:



    „„Was ist der rassistische Witz? Ein Bild, auf dem sich Sonneborn in einem T-Shirt mit dem Aufdruck „Au Wiedelsehern, Amlerika! Habem Sie Guter FrLug runtel! Plinted in China. Fü Die PALTEI“ zeigt? Das sollte – dies als Erklärung für notorische Satiremissversteher – ein Abschiedsgruß an den amerikanischen Horrorpräsidenten Donald Trump und ein Verweis darauf sein, dass dieser zwar immerzu vor China warnt, die Merchandising-Artikel des Trump-Zirkus aber aus eben jenem Land der Verdammnis stammen.

    Seinen Witz hat Sonneborn sehr ausführlich erklärt: Es sei darum gegangen, „die zunehmend gegenstandsloser werdende weltpolitische Überheblichkeit der USA zu karikieren, ihre Forcierung einer wirtschaftlichen Konfrontation mit China, ihre an Widersinnigkeit schwer zu übertreffenden Ideologien & Feindbildkonstruktionen, und vor allem: die wiederholten sinophoben Ausfälle und Polemiken ihres Präsidenten (,China-Virus!‘)“.

    Privilegierter alter weißer Mann

    So ist es zu lesen auf Twitter bei Sonneborn, der sich für den Witz zugleich entschuldigt: Die Wirkung besagten Shirts habe er unterschätzt. Er sei so überzeugt davon gewesen, „dass die Stoßrichtung des Aufdrucks klar“ sei, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, „dass sich jemand davon rassistisch diskriminiert fühlen könnte“. Führe ein Witz zu „rassistischer Verletzung“, sei es ein misslungener Witz. Es tue ihm „leid, dass Menschen durch die Reproduktion dieser Stereotype verletzt wurden“.““

  • Dieses Nichtverstehen wollen und können ist ein Mechanismus der bei vielen einsetzt wenn sie Angst haben sie müßten aus ihrer Komfortzone heraus und etwas an ihrer Einstellung ändern.

    Rassismus ist für sie ein Problem der Anderen, aber nicht ihres. Glauben sie. Hoffen sie. "Aber der ist doch kein Rassist?". So die Argumentation. Sie denken keine Sekunde darüber nach, ob er einer sein könnte und ab wann man Rassist ist. Dabei ist es der eigene Rassismus der ihnen das Verstehen vernagelt. Denn man sieht sich in der Deutungshoheit und diese Anderen als nicht würdig so etwas zu entscheiden. Was, ich soll mich wegen denen ändern? Wie kommen ich dazu. Wer sind die denn? Ich bin doch wichtiger.

    Anstelle dessen stellt man sich als missverstandenes Opfer da der ja eigentlich gelobt werden müsste. Täter Opfer Umkehr. Und fragt gespielt gelangweilt ob es nichts wichtigeres gäbe.

    Ein Top Move vom Semsrott. Stark.

    • @Julz:

      Sie sind sehr schnell darin, bei anderen Menschen Rassismus zu sehen. Und hier wurde ein Witz auf Kosten von Trump gemacht. Vielleicht ist dieses Nichtverstehen auch einfach Ergebnis von Nachdenken, dass es zwei Paar Stiefel sind, ob jemand sich verletzt fühlt (es wird ja auch der bayrische Akzent oft veralbert) oder ob etwas rassistisch ist.



      Dass vielleicht manche Menschen einen objektiven Rassismusbegriff haben und nicht "Wenn irgendwer sich beschwert, dann ist es rassistisch".

      • 9G
        90564 (Profil gelöscht)
        @Kartöfellchen:

        ja, dieser schlimme "anti-bayrische rassismus" .... da fängt das nichtverstehenwollen schon an, diesen "rassismus" gibt es nicht, der ist eine einbildung, ich empfehle, sich mit der thematik "rassismus, was ist das eigentlich" einfach mal zu beschäftigen, anstatt sich hier als rassismus-entscheidungs-instanz darzustellen

  • Und tschüss!

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Hat er nicht vorher schon mit den Grünen geliebäugelt? Und jetzt hat er einen gesichtzswahrenden Grund gefunden. Glück gehabt!

  • Ich versuche zu verstehen, warum man glaubt, dass das, was Sonneborn sagt, rassistisch gemeint ist. Will man Martin Sonneborn eigentlich ernsthaft als Rassist bezeichnen?



    Falls ja, was sind dann all die anderen?



    Man sollte ihm dankbar für die Berichterstattung aus Brüssel sein und versuchen trotz aller Empörungsenergie auf dem Boden zu bleiben. Er hat sich entschuldigt und erklärt. Es gibt wirklich substanziellere Zustände, die auf Kritik warten.

    Und man sollte Twitter einfach abschalten, damit Ruhe einkehrt und die Twitterer sinnvolle Dinge tun.

  • Leider ist Politik wirklich ernst. Alte Autoritäten zu veralbern war mal, jetzt geht es um zentrale Weichenstellungen, für die die richtigen Parteien eine Mehrheit brauchen.



    Zeit, die "Partei" zu begraben (und die andere Spaßpartei, die von "Patrick" Lindner).



    Schlaue Leute in die Parteien, damit sich endlich etwas ändert und wir unseren Planeten doch noch human hinbekommen. Semsrott sollte zu den EU-Grünen wechseln.