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Seenotrettung vor Libyens KüsteEU setzt „Sophia“-Einsatz aus

Bis heute gibt es keine Einigung, wie die aus Seenot geretteten Menschen auf EU-Länder verteilt werden könnten. Italien stellt sich quer – mit Folgen.

Flüchtende vor Libyens Küste Foto: ap

Brüssel dpa | Die EU will die Rettungsaktion für Migranten vor der Küste Libyens vorerst beenden. Weil sich die Mitgliedstaaten nicht auf ein neues System zur Verteilung von aus Seenot geretteten Menschen einigen konnten, sollen die Aktivitäten von Schleusernetzwerken im Rahmen der Operation Sophia bis auf Weiteres nur noch aus der Luft beobachtet werden, wie die Deutsche Presse-Agentur am Dienstagabend aus EU-Kreisen erfuhr. Die Ausbildung libyscher Küstenschützer soll jedoch fortgesetzt werden. Am Mittwoch bestätigte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini eine entsprechende Einigung der Mitgliedstaaten.

Eine weitere Verlängerung des Einsatzes von Schiffen scheiterte am Veto Italiens. Seit die populistische Regierung in Rom im Amt ist, hat Italien einen scharfen Anti-Migrations-Kurs eingeschlagen. Mehrfach wurden Schiffe mit geretteten Menschen im Mittelmeer blockiert.

Die Entscheidung für den Rettungsstopp wurde den Angaben zufolge am Dienstagabend nach stundenlangen Verhandlungen im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee getroffen. Sie soll für zunächst sechs Monate gelten. Das aktuelle Mandat wäre am 31. März, also kommenden Sonntag, ausgelaufen.

Die Regierung in Rom forderte seit Monaten eine Änderung der Einsatzregeln, die vorsehen, dass bei der Operation aus Seenot gerettete Migranten ausschließlich nach Italien gebracht werden. Der von Rom angestrebten Änderung stand jedoch entgegen, dass sich Länder wie Ungarn oder Polen weigern, einem festen Umverteilungsmechanismus zuzustimmen.

Die Fortsetzung der Operation Sophia

Verschärft wurde der Streit zuletzt durch die deutsche Ankündigung, vorerst kein Schiff mehr für den Einsatz vor der libyschen Küste zur Verfügung zu stellen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) begründete dies mit dem Verhalten der italienischen Einsatzführung, die die deutsche Marine in den vergangenen Monaten nicht mehr in die Nähe von Fluchtrouten geschickt hatte – offensichtlich um auszuschließen, dass Migranten gerettet werden, die dann nach Italien gebracht würden.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte die EU-Staaten in den vergangenen Monaten mehrfach eindringlich dazu aufgerufen, eine Fortsetzung der Operation Sophia zu ermöglichen. Sie verwies darauf, dass die Zahl der illegal in Europa ankommenden Migranten im Verlauf des Einsatzes um mehr als 80 Prozent gesunken sei – unter anderem durch die Ausbildung der libyschen Küstenwache.

Seit Beginn der europäischen Marinepräsenz vor der Küste Libyens im Jahr 2015 wurden allerdings auch schon knapp 50.000 Migranten nach Italien gebracht – mehr als 22.500 von ihnen nach der Rettung durch die deutsche Marine.

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9 Kommentare

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  • EInes der großen Probleme ist das Dubliner Übereinkommen - weg damit. Es nutzt nur den reicheren EU-Staaten des Nordens, welche sich in Verantwortungs- und Zuständigkeitsfragen auf Grundlage dieses Übereinkommens fein raushalten können.

    • @R. R.:

      Habe im übrigen mal mit einem libyschen Geflüchteten gesprochen, der hatte bei der sog. Marine dort gearbeitet. Die Menschen dort arbeiten für einen Hungerlohn (oder auch mal wochenlang gar keinen Lohn), nur damit ein paar Zehntel Prozent weniger Menschen in der EU anlanden. Traumatisierung inbegriffen.

  • 9G
    93649 (Profil gelöscht)

    "Die Regierung in Rom forderte seit Monaten eine Änderung der Einsatzregeln, die vorsehen, dass bei der Operation aus Seenot gerettete Migranten ausschließlich nach Italien gebracht werden."



    Nicht Italien stellt sich quer, sondern die übrigen EU-Länder, weil sie offensichtlich kein Interesse daran haben, selbst Flüchtlinge bei sich aufzunehmen.

  • Einsatzzweck der Mission Sophia war die Unterbindung der Schleuserkriminalität. Das Gegenteil dürfte der Fall gewesen sein, da unter anderem auch durch diese Mission mit höchster Wahrscheinlichkeit die Schleusersaktivitäten zugenommen haben. Insoweit war die Einstellung dr Mission längst überfällig.

  • Als ob Flüchtlinge nach Polen oder Ungarn wollen. Wenn man sie dorthin verteilt, würden die ganz schnell den Weg nach Westeuropa antreten. Diese Diskussion um "eine faire Verteilung" der Migranten finde ich immer unnötig und am Kern des Problems vorbei.

    Es braucht eine Grundsatzdiskussion, wie Europa zukünftig mit der weiter anhaltenden Migrationsbewegung vor allem aus Afrika umgehen will. Darüber werden wir auch noch in 20 Jahren reden. Abschotten. Aufnehmen (in Westeuropa). Fluchtkorridore. Kontingente. Usw.

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @gyakusou:

      Juncker hatte vor 3 Jahren den Vorschlag gemacht, einfach die Länder finanziell zu entschädigen für die Aufnahme von Geflüchteten, und das Geld den anderen abzuziehen. Er konnte sich wegen der Fehlkonstruktion der EU nicht durchsetzen. Polen und Ungarn können einfach machen, was sie wollen. Super Einrichtung.

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Da sieht man mal, wie es sich auswirkt, daß Europa mit 'Christlichkeit' absolut nichts am Hut hat. Für die Europäer gilt keines der christlichen Gebote oder gar Menschlichkeit. Das Zentrum des katholischen Christentums, der Vatikan, liegt auf dem Nordpol. Die deutschen Parteien DU/SU haben bereits das 'C' aus ihrem Parteinamen gestrichen. Der Mensch, der Abschaum der Schöpfung.

  • Die Sophia-Mission war nie eine "Rettungsaktion für Migranten vor der Küste Libyens". Mit dieser Mission sollten Schleuser bekämpft werden. Mit mäßigem Erfolg natürlich, da die ja die meisten Zeit außerhalb europäischen Gebierts operieren. Die Rettung von Migranten lief halt so nebenbei.

  • So ekelhaft und zynisch die Politik der aktuellen italienischen Regierung auch ist, das wesentliche Versagen liegt eindeutig bei der EU. Es ist nichts weniger als ein Offenbarungseid wenn man sich nicht in der Lage sieht Ungarn und Polen zu zwingen Flüchtlinge aufzunehmen. Und ganz vorneweg ist es Deutschlands Faulheit und Feigheit die jetzt noch mehr Menschen ersaufen lässt.