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Seenotrettung im MittelmeerGeschacher um Gerettete

Deutschland hat die EU gebeten, einen Hafen für 64 aus dem Mittelmeer Gerettete zu finden. Die Regierung ist bereit, einige von ihnen aufzunehmen.

Das Rettungsschiff der Sea Watch darf bald in einen sicheren Hafen einlaufen Foto: ap

Berlin taz | Für 64 auf dem Mittelmeer gerettete Menschen, die sich an Bord eines Rettungsschiffes der deutschen Organisation Sea Eye befinden, zeichnete sich am Freitag eine Lösung ab. Die Bundesregierung erklärte, sie wolle sich dafür einsetzen, dass die Menschen an Land gebracht würden. Der Sprecher des Innenministeriums, Stefan Ruwwe-Glösenkamp, sagte, die deutsche Regierung habe die EU-Kommission gebeten, darauf hinzuwirken, dass das Schiff möglichst schnell in einen sicheren Hafen einlaufen könne. Deutschland sei bereit, einige der 64 Flüchtlinge aufzunehmen, erwarte aber auch, dass europäische Partner einen Beitrag leisteten.

Das Rettungsschiff „Alan Kurdi“ hatte die Menschen am Mittwoch aus Seenot gerettet. Dabei befand es sich in internationalen Gewässern vor der italienischen Insel Lampedusa. Malta und die italienische Regierung verweigerten dem Schiff jedoch, in einen ihrer Häfen einzulaufen.

Der italienische Innenminister Matteo Salvini hat die Besatzung Medienberichten zufolge gewarnt, in italienische Hoheitsgewässer zu fahren. Für das unter deutscher Flagge fahrende Schiff sei Deutschland verantwortlich, erklärte Salvini. Die „Alan Kurdi“ solle nach Hamburg fahren.

Sea-Eye-Sprecherin Carlotta Weibl sagte, diese Reise würde drei bis vier Wochen dauern. Dafür reichten die Vorräte auf dem Schiff nicht. Sea Eye bat das Auswärtige Amt um eine Lösung, auch weil am Freitag ein Sturm in dem Seegebiet aufzog. Die NGO erklärte, das Schiff werde sich nicht ohne Erlaubnis der italienischen Behörden Lampedusa nähern.

Konzept für „regionale Ausschiffungsplattformen“

Seit Italien im vergangenen Sommer die Häfen des Landes für Rettungsschiffe geschlossen hat, müssen diese teils wochenlang mit Geretteten auf dem Meer warten, bevor die Menschen an Land ­gehen können. Das Bundesinnenministerium erklärte, Deutschland setze sich auf EU-Ebene für einen zeitlich befristeten Mechanismus ein, um Fälle der Seenotrettung künftig einfacher und schneller zu lösen.

Pro Asyl warf der Bundesregierung vor, sie wolle möglichst alle Bootsflüchtlinge in den Erstanlandestaaten des Mittelmeers lassen, um keinen Präzedenzfall für deren Verteilung zu schaffen. Erst vor zwei Tagen hatte sich Pro Asyl gemeinsam mit 250 weiteren Organisationen in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gewendet und einen Notfallplan für Bootsflüchtlinge verlangt.

Viele deutsche Städte und Kommunen hätten sich bereit erklärt, Bootsflüchtlinge aufzunehmen. Kein Geretteter dürfe nach Libyen zurückgebracht werden, forderten die Organisationen. „Wer aus Libyen flieht, ist traumatisiert und nur knapp Folter und Tod entronnen“, erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt.

Die EU hat im vergangenen Jahr ein Konzept für „regionale Ausschiffungsplattformen“ vorgelegt. Es sieht vor, dass die Menschen in ein afrikanisches Land gebracht und gegebenenfalls von dort weiter verteilt werden. Der Plan ist bislang jedoch nicht umgesetzt worden.

Die Europa-Spitzenkandidatin der Grünen, Ska Keller, kritisierte am Freitag „das unwürdige Geschacher darum, welches EU-Land Geflüchtete aufnimmt“. Sie forderte Deutschland auf, „seiner Verantwortung gerecht zu werden und die Flüchtlinge aufzunehmen“.

(mit Agenturen)

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Wieso reagiert die EU so schleppend und erlaubt, das der humane Anspruch der EU, im Lichte der Allgemeinen Menschenrechte der U.N.O. symbolisch im Mittelmeer ertrinkt? Die Ideen der "SEEBRÜCKE" , mit vielen Städten und Regionen in der EU, gerettete Flüchtlinge aufzunehmen, und auf diese art die NGO Seenotrettung zu legitimieren , ist doch praktikabel!



    Die entstandene Praxis der Blockierung und der Kriminalisierung der NGO Seenotrettung in der EU Politik ist m.E. sichtbar wie ein Verbot menschlicher Nächstenliebe im Namen ökonomischen Profits! .. oder wie eine gefährliche "Lächerlichmachung" der Gründung der EU als "Friedensprojekt" im Namen dummer politischer Egoismen !

  • Was ich an der Vorgehensweise von „Sea Eye“ (und übrigens auch anderer Rettungsorganisationen) nicht verstehe: Als das Schiff zu seiner Rettungsaktion auslief, hatte sich anscheinend niemand Gedanken gemacht, wie es danach mit den Geretteten weitergehen soll. Wohl nach dem Motto, irgendein Hafen wird sich schon finden, aber darum mögen sich Andere kümmern.



    Wäre es nicht an „Sea Eye“ gewesen, bereits IM VORFELD zu klären, in welchem Hafen sie die Menschen an Land bringen und an wen sie die Verantwortung für deren weitere Betreuung übergeben kann? Das Problem besteht schon seit Jahren; warum wiederholt Sea Eye die Fehler vorangegangener Rettungsaktionen?

    • @Pfanni:

      Tja, ne´ gute Frage @PFANNI .. die NGO Seenotrettung von "Sea Eye" ist ja nun auf reine "Rettung aus Seenot" orientiert! ..und dafür versucht die NGO "Watch the Med- Alarmphone" , SOS Funksprüche mit der geographischen Position und Seelen an Bord aufzufangen. Im Prinzip werden die aufgefangenen Daten an NGO Hilfsschiffe und Küstenwachen der EU direkt weitervermittelt. Das "vor Ort" sein dauert oft wertvolle Zeit während der Radiokontakt zu den Menschen in Seenot abbricht. Zudem gibt es viele Boote , vollgepfercht mit Flüchtlinen, wo Radiokontakt mangels Sattelitphone garnicht möglich ist.



      Es gibt zu wenig Hilfsschiffe !



      Die wirkliche Anzahl der "Verschollenen" , der Ertrunkenen, dürfte m.E. wesentlich höher sein als die Zahlen von denen in Statistiken die Rede ist. "Sea Eye" dient der Rettung aus Seenot, der Lebensrettung .. dem moralischen Anspruch der Menschenrechte der U.N.O. !



      Die humane Prüfung der Geretteten mit "Recht auf Asyl" in der EU ist Sache der Politik der EU und ist nicht der Kompetenzbereich von "Sea Eye" ! Das traurige ist, das die EU Staaten unsolidarisch, uneinig sind, die Geretteten aufzunehmen und viele Häfen dicht machen ! Die Hoffnung liegt in den Ideen der "SEEBRÜCKE" !

  • Kann man nicht einfach Lebensmittel für drei bis vier Wochen an Bord liefern. Dann wäre die Reise bin nach HH ohne weiteres möglich.

  • Christen schachern um die "christliche Barmherzigkeit" (Papst Franziskus: Der Name Gottes ist Barmherzigkeit"

    In Bayern werden wahrscheinlich wieder Kreuze über die Türen genagelt um diese Verantwortung zu vermeiden?

    Ich schäme mich für diese "Religion".