Seehofers Eckpunkte: Einwanderung ohne Spurwechsel
Jahrzehntelang hat sich die Union gegen ein Einwanderungsgesetz gewehrt. Nun geht Seehofer in die Offensive. Die aktuelle Debatte kommt darin nicht vor.
Kriterien für die Einwanderung sollen dem Bericht zufolge die Qualifikation, das Alter, Sprachkenntnisse, der Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzangebots und die Sicherung des Lebensunterhalts sein. Ein Punktesystem, wie es die SPD 2016 in einem eigenen Gesetzentwurf vorgeschlagen hatte, werde nicht erwähnt.
Das Papier sei bereits mit dem Wirtschafts- und dem Arbeitsministerium abgestimmt und solle schnellstmöglich im Kabinett beraten werden, berichtet das Handelsblatt. Ein Sprecher des Innenministeriums betonte allerdings, es handele sich „noch nicht um eine endabgestimmte Version“.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bestätigte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag), Innen-, Wirtschafts- und Arbeitsministerium hätten sich auf Eckpunkte geeinigt. Details seien allerdings noch zu klären: „Da sind die Gespräche noch nicht abgeschlossen.“ Heil forderte großzügige Regelungen für Ausländer, die in Deutschland kein dauerhaftes Bleiberecht haben. „Wir müssen schauen, dass wir uns nicht aus ideologischen Gründen selbst ein Bein stellen und die Falschen wieder zurückschicken.“
Diskussion um den „Spurwechsel“
Dem Handelsblatt zufolge gibt es in dem Entwurf keine Erwähnung des derzeit heftig diskutierten „Spurwechsels“ vom Asylsystem in den Arbeitsmarkt. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte sich dafür ausgesprochen, auch abgelehnten Asylbewerbern durch das Zuwanderungsgesetz Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu verschaffen, wenn sie integriert seien und eine Ausbildung abgeschlossen hätten.
Union-Fraktionschef Volker Kauder sagte der Passauer Neuen Presse (Donnerstag), die Koalition werde das „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ jetzt schnell auf den Weg bringen. Er halte aber wenig davon, den sogenannten Spurwechsel stärker zu erlauben. Es gebe schon heute Einzelfälle, in denen das möglich sei. Eine Ausweitung würde aber „neue Anreize für Menschen schaffen, es doch zu versuchen, nach Deutschland zu kommen, ohne dass sie verfolgt sind“.
Trotz massiver Kritik verteidigte Günther seinen Vorstoß. Angesichts der Debatte über die Zuwanderung von Fachkräften werbe er gerade jetzt dafür, dass es einen „Spurwechsel“ für abgelehnte, aber gut integrierte Asylbewerber mit einem Arbeitsplatz gebe, sagte er der „Stuttgarter Zeitung“ und den Stuttgarter Nachrichten (Freitag).
Auch die SPD drängt auf die Spurwechsel-Option für geduldete und bereits berufstätige Asylbewerber. „Wir wollen ein Einwanderungsgesetz, das Menschen, die hier arbeiten und sich integrieren, eine Chance gibt, hier zu bleiben“, sagte Klingbeil der in Düsseldorf erscheinenden Rheinischen Post (Freitag).
Wirtschaft auf Arbeitskräfte angewiesen
Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) äußerte sich skeptisch. „Es muss gelten: Wer die Voraussetzungen für Asylgewährung nicht erfüllt, muss die Ablehnungsentscheidung so schnell wie möglich erhalten und dann auch so schnell wie möglich Deutschland wieder verlassen“, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter der Neuen Osnabrücker Zeitung (Freitag).
Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, plädierte für eine Regelung mit einem einmaligen Stichtag. „Ein solcher einmaliger Statuswechsel käme den gut integrierten Geduldeten und Flüchtlingen zugute, vermiede aber gleichzeitig Anreize für den Zuzug von Wirtschaftsflüchtlingen“, sagte Sager der Deutschen Presse-Agentur. Dies würde den auf Arbeitskräfte angewiesenen Unternehmen helfen, außerdem „Planungssicherheit für die Landkreise in Bezug auf die Integration der Flüchtlinge schaffen und den Verwaltungsaufwand erheblich verringern“.
Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) will die Idee eines „Spurwechsels“ beim nächsten Treffen der Landesinnenminister unter seinem Vorsitz besprechen. Asyl sei kein originäres Mittel, um den Fachkräftemangel zu beheben. Dafür brauche es zügig ein gezieltes Einwanderungsgesetz, sagte er. „Aber wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen.“ Es verstehe kein Mensch, dass kriminelle Ausländer auf höchstrichterlichen Beschluss zurückgeholt, gut integrierte Flüchtlinge aber abgeschoben würden, sagte er mit Verweis auf den Fall des Tunesiers Sami A.
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