FAQ Fachkräftemangel in Deutschland: Wir. Dienen. Deutschland.

Weil Fachkräfte fehlen, will sich die GroKo auf ein neues Gesetz geeinigen, das Arbeitsmigration künftig erleichtern soll. Was man darüber wissen sollte.

arbeiter in einer wurstfabrik

Fachkräfte aus aller Welt: von Vietnam in die deutsche Wurstfabrik Foto: Nora Klein

1. Wie groß ist der Fachkräftemangel in Deutschland?

Viele Stellen in Deutschland bleiben seit Jahren unbesetzt. Durch den demografischen Wandel wird gleichzeitig die Gruppe der Erwerbstätigen immer kleiner. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu erhalten, braucht es vor allem eines: mehr Fachkräfte. Genauer gesagt rund 400.000 pro Jahr, so eine Schätzung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.

2. Die Groko hat sich Anfang Oktober auf die Eckpunkte eines Fachkräftezuwanderungsgesetzes geeinigt. Was ist die Idee dahinter?

Wenn ein Schreiner im Kosovo keine Arbeit findet und gleichzeitig in Deutschland die Werkstätten schließen oder eine Physiotherapeutin aus Marokko zu Hause vergeblich einen Job sucht, während Patienten in Deutschland wochenlang auf einen Termin warten müssen, dann läuft etwas falsch. Das neue Gesetz soll die Migration in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtern.

3. Was soll sich in Zukunft ändern?

Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten sollen in Zukunft für sechs Monate einreisen dürfen, um nach einem Job zu suchen. Bewerber müssen dafür nachweisen, dass sie selbstständig für ihren Lebensunterhalt aufkommen können.

Die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen soll vereinfacht werden.

Fachkräfte sollen mithilfe von deutschen Unternehmen gezielt im Ausland angeworben werden.

Es soll einfacher werden, Deutsch im Ausland zu lernen. Dazu wird die Zusammenarbeit mit Goethe-Instituten im Ausland gestärkt.

Alle Behörden, die für Migration zuständig sind, sollen künftig enger und transparenter zusammenarbeiten. Das betrifft die Ausländerbehörden, Visa­stellen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

4. Für wen gelten diese neuen Regelungen?

Für alle qualifizierten Fachkräfte aus Drittstaaten, also Nicht-EU-Staaten. Qualifiziert bedeutet in diesem Fall: alle Menschen, die eine Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss haben. Dass auch Berufsschulabsolventen eine Einwanderung ermöglicht wird, ist neu. Die mitgebrachte Ausbildung muss jedoch „gleichwertig“ zur deutschen Ausbildung sein. „Voraussetzung ist eine anerkannte Qualifikation – und Sprachkenntnisse“, so heißt es in dem Papier.

5. Was bedeutet das Gesetz für ­Geflüchtete?

Das ist noch unklar. Die SPD hatte in der Diskussion über das Gesetz den von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) angestoßenen „Spurwechsel“ gefordert. Dieser sah eigentlich vor, dass Asylrecht und Einwanderungsrecht miteinander verwoben werden sollen. Abgelehnte Asylbewerber, die einer Arbeit nachgehen, sollten bleiben dürfen. Der Spurwechsel kommt in dem Eckpunktepapier jedoch nicht vor.

Eine neue Regelung deutet aber etwas Ähnliches an: „ Wir werden im Aufenthaltsrecht klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind“. Wie ein „verlässlicher Status von Geduldeten“ aussehen könnte, beantwortet das Papier nicht. Der Begriff sei unklar, meint auch Herbert Brücker, der am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg zu Migration, Integration und Arbeitsmarktpolitik forscht.

Sollten die Geflüchteten Geduldete bleiben, so wie es das Eckpunktepapier vorsieht, mangele es immer noch an der nötigen Rechtssicherheit. Eine Duldung ist kein Aufenthaltstitel, somit seien die Risiken einer Abschiebung vermutlich höher als bei einer Aufenthaltserlaubnis.

6. In welchen Ländern gibt es ähnliche Gesetze, an denen man sich ein Vorbild nehmen könnte?

In Kanada und Australien gibt es ein Punktesystem, das die Zuwanderung von Fachkräften regelt. Punkte bekommen Bewerber für Sprachkenntnisse, Ausbildung, Berufserfahrung oder Alter. Wer eine bestimmte Punktzahl erreicht, ist willkommen. Ein solches System sei dem deutschen Rechtssystem eher fremd, sagt Arbeitsmarktforscher Herbert Brücker. Es sei auch nur dann von Vorteil, wenn bürokratische Hürden gesenkt würden.

7. Was sind die Kritikpunkte am ­Gesetz?

Ein großer Wurf sehe definitiv anders aus, meint Herbert Brücker. Das deutsche System zeichne sich durch viele Hürden aus, die sich wechselseitig verstärkten – daran ändere auch das neue Gesetz nichts. Die Anerkennung der Berufsausbildung sei die größte Hürde. Die Forderung, ausländische Abschlüsse müssen den deutschen „gleichwertig“ sein, sei schwer erfüllbar, da die internationalen Ausbildungsstandards nicht vergleichbar seien.

Auch Sprachkenntnisse sollten nicht als Voraussetzung, sondern eher als „nice to have“ betrachtet werden. Wenn all diese Hürden nicht abgebaut würden, so Brücker, werde der erhoffte Anstieg der Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus dem Ausland ausbleiben.

8. Wie geht es mit dem Gesetz weiter?

Anfang Oktober haben Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) ihre Einigungen vorgestellt. Auf sieben Seiten haben sie bisher nur Eckpunkte für das Fachkräftezuwanderungsgesetz formuliert. Viele Details blieben dabei offen. Noch fehlt ein Gesetzentwurf. Er soll im Herbst zur Abstimmung in die beteiligten Ressorts gehen, bevor der Bundestag die Regeln diskutiert. Das Kabinett möchte das Gesetzt noch vor Weihnachten auf den Weg bringen.

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